Friederike Streib und Judith Anger haben in München den „Salon F“ eröffnet – einen Coworking-Space und Gesellschaftssalon für Frauen. Ein Interview
Der Salon F ist ein Coworking-Space und Salon für alle, die sich als Frauen identifizieren. Die geschützten Büroplätze sowie die gemeinsamen Workshops, Kurse und Veranstaltungen sollen Frauen untereinander vernetzen und Unternehmerinnen bei ihrem Vorhaben unterstützen. Im Interview erzählen die Gründerinnen Friederike Streib und Judith Anger, wer ihr Vorbild ist und mit welchen Klischees Frauen als Gründerinnen zu kämpfen haben.
Warum braucht es einen Coworking-Space* nur für Frauen?
Friederike Streib: „Frauen bekommen noch immer weniger Möglichkeiten und Räume als Männer. Viele Frauen merken, dass es so etwas wie eine ,gläserne Decke‘ gibt, wenn sie zwischen 30 und 40 Jahre alt sind. Wir wollen bewusst eine Umgebung und eine Atmosphäre schaffen, in der andere Gesetze gelten; wo man neue Spielregeln etablieren kann.“
Judith Anger: „Es gibt viele Frauen, die sich selbstständig machen oder machen wollen. Und natürlich gibt es schon einige Coworking-Spaces in München. Aber die sind häufig sehr männlich dominiert, und Frauen fühlen sich dann oft nicht wohl. Diese Räume passen beispielsweise nicht von der Atmosphäre her: Sie sprechen Frauen nicht an.“
Was ist das Besondere an einem rein weiblichen Arbeitsumfeld?
Friederike Streib: „Der Community-Aspekt ist sehr wichtig: das Frauennetzwerk, die gegenseitige Unterstützung. Hier kommen die Impulse nicht von Männern, sondern bewusst von anderen Frauen.“
Judith Anger: „Schon letztes Jahr haben wir während eines zweimonatigen Pilotprojekts in der Münchner Fußgänger*innenzone gemerkt, dass Frauen sich nach so etwas sehnen. Natürlich hat jede ihren Bekannten- und Freund*innenkreis, vielleicht auch schon einen gewissen Kund*innen- oder Klient*innenkreis, der sie antreibt. Aber irgendwie braucht es noch ein Netzwerk, das ihnen dezidiert beim Vorankommen den letzten Push gibt, ob in der Selbstständigkeit oder im Angestellt*innendasein. Das ist das, was wir mit ,Salon F‘ ermöglichen wollen.“
Es gibt ganz viele Online-Communitys, die genau dafür gedacht sind. Reichen diese nicht aus?
Friederike Streib: „Es gibt zwar viele Frauennetzwerke, die wunderbar funktionieren. Was aber vielen fehlt, ist ein Ort, an dem man sich tatsächlich treffen kann. Ich meine damit einen Ort, der eben nicht nur eine Online-Community ist, wo man die anderen vielleicht nur vom Profilbild kennt. Wir wollen eine Community, die auf einer dauerhafteren Basis wirklich gelebt werden kann. Ein persönlicher Umgang ist einfach etwas ganz anderes. Wenn ich mich über einen großen Erfolg in meinem kleinen Unternehmen freue, ist es was anderes, jemanden zu umarmen, als in der Gruppe zu schreiben ,Hey, cool‘. Ich glaube, das ist tatsächlich etwas, was Frauen sich wünschen.“
Wie seid ihr auf die Idee zu „Salon F“ gekommen?
Judith Anger: „Ich bin eigentlich nur das Add-on (lacht). Friederike ist der Kernpunkt und um sie herum flattern alle anderen Frauen. Die Idee kam von ihr.“
Friederike Streib: „Die Idee entstand in einer beruflichen Umbruchphase. Ich bin eigentlich Kulturmanagerin, habe aber noch in einem zweiten Studium einen Master of Business Administration (MBA) abgeschlossen und zwischendurch meine Kinder gekriegt. Danach habe ich mich gefragt: Wie soll es jetzt weitergehen? Gehe ich wieder in die Festanstellung zurück? Und irgendwie bin ich in diese Idee von dem Frauensalon reingewachsen. Das hat mich seit 2015 nicht mehr losgelassen.“
In den USA gibt es ähnliche Konzepte schon länger – war das eine Inspiration?
Friederike Streib: „Ja, ich habe die Geschichte von ,The Wing‘ in New York sehr genau verfolgt. Das ist ein Club und Coworking-Space für Frauen, der in Manhattan mit einem kleinen Space gestartet ist. Jetzt haben sie überall in den USA Standorte und sind inzwischen sehr erfolgreich damit. Ich fand das schon von Anfang an total spannend. Ich dachte – wie cool muss das sein? Warum gibt es hier so einen Ort nicht? Ich dachte, wir müssen ihn selber machen.“
Ihr beiden leitet das Ganze gemeinsam. Wie habt ihr zusammengefunden?
Friederike Streib: „Im Sandkasten!“ (Beide lachen)
Judith Anger: „Wir haben uns über unsere Kinder kennengelernt, die vor zwei Jahren in derselben Krippe waren. Nachdem die Kinder in jeweils verschiedene Kindergärten weitergezogen sind, haben wir uns immer mal wieder zum Spiel-Date getroffen. Irgendwann, tatsächlich im Sandkasten, hat Friederike von der Idee von ,Salon F‘ erzählt – damals gab es aber noch keinen Namen dafür. Ich fand es sofort total einleuchtend, dass es das braucht, dass es Sinn macht, so einen Ort zu schaffen. Ich war zu dem Zeitpunkt noch in einem Anstellungsverhältnis als Online-Redakteurin bei einem Startup. Es war irgendwie alles fein, mein Job war total in Ordnung, aber so richtig gebrannt habe ich dafür nicht. Ich war auf der Suche nach etwas, das ich leidenschaftlicher betreiben könnte. Ich hatte immer den Freitag frei und habe zu Friederike gesagt, ,Du, ich finde das so gut, ich gebe dir meinen Freitag dafür‘. Und dann haben wir uns immer freitags in verschiedenen Cafés getroffen.“
Da hättet ihr ja ein Workspace gut brauchen können.
Judith Anger: „Da haben wir tatsächlich am eigenen Leib erlebt, dass wir gerne so einen Raum in München hätten, wo man hinkommen, sinnvoll arbeiten und vielleicht Meetings machen kann. Mit gutem WLAN.“
Friederike Streib: „Das klingt jetzt absurd, aber 2018 gab es in München noch nicht so viel Coworking. Es gab ein paar Spaces – die Großen kamen da gerade – aber das Feld war noch nicht so dicht besetzt wie jetzt. In der Szene hat sich wahnsinnig viel getan in den letzten zwei Jahren.“
Gab es finanzielle Unterstützung von der Stadt für die Gründung?
Friederike Streib: „Nein, das haben wir privat finanziert.“
Ist es für Frauen schwieriger, Gründungsfinanzierungen zu erhalten?
Friederike Streib: „Ja, ich glaube, es ist deutlich schwieriger, weil Frauen statistisch gesehen mehr Unternehmen gründen, die einen sozialen oder nachhaltigen Fokus haben. Die sind dann aber nicht so renditestark und Investor*innen können dabei nicht so gut mitverdienen. Solange als wichtigste Kennzahl gilt, ob jemand mit seiner Geschäftsidee Geld machen kann, ist es schwierig, Investitionen zu bekommen. Dazu gibt es auch entsprechende Studien. Außerdem müssen Frauen sich immer stärker beweisen, wenn sie erklären, was sie machen und warum sie das machen.“
Wie viele Arbeitsplätze gibt es im „Salon F“?
Friederike Streib: „Es gibt sechs feste Coworking-Plätze, bei denen ein ganzer Schreibtisch mit Rollcontainer gemietet wird. Diese kosten 380 Euro im Monat. Dazu gibt es zwölf flexible Plätze, für 250 Euro im Monat, an denen man abends die eigenen Sachen wieder wegräumt – dazu kann man einen kleinen Spind mieten, wenn man regelmäßig kommt. Man kann auch im sogenannten Kaffeehaus-Szenario arbeiten: mal an einem kleinen Tisch, mal mit dem Laptop auf dem Schoß, mal an einem Gemeinschaftstisch. Dafür reicht die Clubmitgliedschaft für 120 Euro im Monat. Im Moment dient unser Space vor allem als ,Zufluchtsort‘ für Frauen, deren Kinder wegen der Corona-Krise nicht in die Schule oder in die Kita gehen können. Seit Ende April können auch Nichtmitglieder bei uns arbeiten: 10 Euro kostet ein halber Tag, 18 Euro der ganze Tag.“
Wie viele Mitglieder haben sich schon bei „Salon F“ angemeldet?
Friederike Streib: „Noch nicht so viele, wir sind ja noch ganz frisch. Aber unsere Community, die sich über das letzte Jahr via Social Media und über unseren Newsletter gebildet hat, zählt schon mehrere tausend Frauen.“
Welche Art von Veranstaltungen erwarten die Frauen von euch?
Judith Anger: „Es gibt einen ganz großen Wunsch, dass die Frauen im Salon F das mit einbringen können, wofür sie brennen und was sie besonders gut können. Viele Veranstaltungen entwickeln sich deshalb aus der Community heraus. Wir wurden ganz oft angesprochen: ,Ich habe das und das Thema, mir ist total viel daran gelegen, können wir dazu gemeinsam etwas machen?‘ Und die Frauen bringen dann zu den Veranstaltungen natürlich auch ihre eigenen Communities mit. Darüber ist die Salon F-Community gewachsen.“
Friederike Streib: „Wir wollen mehrere große Veranstaltungsreihen anbieten, aber im Moment beschäftigen wir uns vor allem mit Online-Seminaren zum Thema Home Office. Wir hatten jüngst eine Online-Reihe namens ,Homeoffice Survival Kit‘ und immer wieder Webinare wie zuletzt mit der Organisationspsychologin Cornalia Reindl zu ,Loslassen: Mehr Gelassenheit im Arbeitsleben‘, um den Frauen zu zeigen, wie sie ihr Leben auch in stressigen Zeiten besser organisieren können. Außerdem findet unser ,Female Founders Frühstück‘ jetzt über Zoom statt.“
Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Wollt ihr wie „The Wing“ in den USA in Deutschland expandieren?
Friederike Streib: „Im Moment denken wir eher lokal. In einer Stadt wie München braucht man schon ein gutes Netzwerk, um einen Coworking-Space für Frauen attraktiv zu machen. Und in anderen Städten gibt es auch ähnliche Projekte, die in ihrem Umfeld gerade verschiedene Modelle testen. Aber wer weiß, was passiert.“
* „Coworking Space“ ist ein Anglizismus für Geschäftskonzepte, die Arbeitsplätze und Infrastruktur (Netzwerk, Drucker, Scanner, Fax, Telefon, Beamer, Besprechungsräume) zeitlich befristet zur Verfügung stellen. Der Unterschied zur Bürogemeinschaft ist die Mischung verschiedener Berufe und die geringere Verbindlichkeit (Quelle: Wikipedia).
Dieser Text von Alexandra Belopolsky ist zuerst bei deine Korrespondentin erschienen.
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