Mit Entscheidungen ist das so eine Sache. Im Alltag treffen wir schlappe 20.000 am Tag. Das bedeutet, dass wir pro Entscheidung kaum eine Sekunde Zeit haben. Was, wenn es mal wirklich drauf ankommt?
Dilemma hoch vier?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die richtige Entscheidung zu treffen. Eine Möglichkeit, die unter anderem im systemischen Coaching angewendet wird, ist das sogenannte Tetralemma. Der Begriff setzt sich aus dem griechischen Präfix tetra – vier – und dem ebenfalls griechischen Wort lemma – Voraussetzung, Annahme – zusammen. Das bedeutet: Während man beim Dilemma zwischen zwei Annahmen steckt, hat man beim Tetralemma gleich vier zur Auswahl. Toll, und das soll es einfacher machen?
Es wird tatsächlich einfacher, denn jetzt heißt es: Scheuklappen runter. Nehmen wir mal an, man steht vor einer schwerwiegenden Entscheidung, zum Beispiel die berufliche Zukunft betreffend: Neue Herausforderung im Startup mit viel kreativem Freiraum, aber langen Arbeitstagen annehmen? Oder das gute Gehalt und die festen Arbeitszeiten vom alten Job einsacken, trotz zunehmender Unzufriedenheit durch dröge Aufgaben?
So funktioniert ein Tetralemma
Das Tetralemma lässt dir nun nicht nur die Wahl zwischen zwei Dingen, sondern fragt weiter und eröffnet so neue Möglichkeiten. Vereinfacht dargestellt läuft das so ab:
Ist es das eine? – Fragst du zunächst. Wenn du zu dem Schluss
kommst, dass es das nicht sicher ist, folgt der logische Gedanke:
Dann muss es ja das andere sein? – Hm, nee, irgendwie auch nicht. Aber was denn dann?
Kann es beides sein? – Ist statt Entweder-oder ein Sowohl-als-auch,
also die Verbindung von beiden Möglichkeiten, machbar? Fühlt sich das richtiger an? Nein?
Dann ist es dann vielleicht gar nichts von beidem? – Diesen Gedanken lässt man einfach mal zu und wirken.
Jetzt liegen alle Möglichkeiten auf dem Tisch. Was banal und logisch klingt, hat eine große Wirkung, denn sobald man bei einer Entscheidung zwischen zwei möglichen Wegen steckt, hat man einen Tunnelblick. Scheinbar gibt es nur diese zwei Möglichkeiten und der einzige Ausweg ist es, eine davon zu wählen. Erweitert man aber das Denkmuster, werden einem andere Wege bewusst, die man gar nicht in Betracht gezogen hat. Weil man so im „Ich-muss-mich-jetzt-entscheiden-zwischen-zwei Möglichkeiten“-Modus gefangen war. Weil beide Möglichkeiten irgendwie „ok“ wären. Aber wer will sich bei den großen Entscheidungen des Lebens schon mit „ok“ zufriedengeben?
Und was heißt das jetzt konkret?
Übertragen auf unser Beispiel mit der Job-Entscheidung könnte das Ganze so aussehen:
Erste Erkenntnis
Der alte Job macht mich nicht glücklich: Immer wiederkehrende Aufgaben, keine persönliche Erfüllung – und das vor allem schon zu lange. Und im Laufe der Jahre habe ich genug Geld angespart, um es erstmal langsam angehen zu lassen. Das „Eine“ als einzige Option scheint also langfristig raus zu sein. Die zunehmende Unzufriedenheit liegt auf jeden Fall auf der Hand.
Zweite Erkenntnis
Das Andere klingt dagegen erstmal gut und befreiend: Viel Kreativität, etwas Neues starten, und das Gehalt könnte ja mehr werden. Aber: Die langen Arbeitszeiten machen mir Sorgen, weil mir meine Work-Life-Balance schon sehr wichtig ist und ich Bedenken habe, ob der Job mich so befriedigt, wie ich mir es wünsche. Somit sind auch hier die Vor- und Nachteile auf dem Tisch und eine Tendenz vorhanden.
Dritte Erkenntnis
Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, beides zu verbinden? Auf den ersten Blick nicht, denn zwei Vollzeit-Jobs auf einmal funktionieren nicht. Aber ich könnte versuchen, die Arbeitszeit beim alten Job auf 70 Prozent runterzuschrauben – durch meine langjährige zuverlässige Mitarbeit stehen die Chancen gut, dass man mir hier entgegenkommt – und mich in der gewonnenen Zeit einem kreativen Projekt widmen. Dann habe ich erstmal die Sicherheit auf der einen Seite und gleichzeitig probiere ich aus, wie sehr ich die kreative Seite in meinem Alltag wirklich brauche. Dass zumindest die Möglichkeit besteht, beides zu verbinden, verschafft schon mal Erleichterung.
Vierte Erkenntnis
Das fühlt sich jetzt aber irgendwie wie ein fauler Kompromiss an. Fühlt sich nicht mutig an, nicht nach einem neuen Schritt, sondern eben nur nach einem Sprung ins Sicherheitsnetz. Alle drei Möglichkeiten scheinen mich nicht komplett zu überzeugen. Die Lösung könnte sein: Ich entscheide mich gegen alle drei Möglichkeiten und öffne so meinen Horizont für etwas ganz Neues.
Think outside the box
An der Stelle ist Querdenken angesagt: Die fünfte Position kommt ins Spiel. Diese lässt Raum für alles, was bei der Entscheidung zwischen den gegebenen Möglichkeiten noch nicht drin war. Wäre nicht gerade jetzt der Zeitpunkt, um sich ein persönliches Sabbatical zu nehmen und die längst fällige Weltreise zu machen? Oder was wäre eigentlich, wenn ich zwar lange Arbeitszeiten und erstmal wenig Geld habe, aber dafür etwas Eigenes gründe, das durch die Decke gehen könnte und mich – trotz langer Arbeitszeiten in der Anfangszeit – stolzer macht als jede Festanstellung?
Just do it!
Was der richtige Weg zur richtigen Entscheidung ist, muss jeder selber herausfinden. Auch die realen Begebenheiten, wie zum Beispiel die finanzielle Lage, spielen natürlich immer mit rein. Aber dennoch ist es wichtig, in einer vertrackten Situation aus der gedanklichen Sackgasse herauszukommen. Wenn man sich erstmal sicher ist, dass das „Alte“ nicht die Lösung ist, lässt sich auf der Suche nach etwas „Neuem“ viel leichter mit Gedanken spielen und entsprechend eine unvoreingenommene Entscheidung treffen. Genauso gibt es auch den umgekehrten Fall: Man geht alles durch und landet am Ende doch beim Einen oder Anderen, ist sich dann aber sicher, dass man wirklich ALLE Möglichkeiten bedacht hat. Einfach mal Schritt für Schritt ausprobieren und tief in sich hineinhorchen – die Spiele sind eröffnet!
Mehr bei EDITION F
Shut up, Schweinehund! Warum deine Komfortzone nicht dein Freund ist. Weiterlesen
Schluss mit den Ausreden: Mach endlich das, was du wirklich willst! Weiterlesen
Alles neu? Welche Fragen man sich vor einem Karrierewechsel stellen sollte. Weiterlesen