Unsere Community-Autorin Janine liebt es zu arbeiten – und das gern auch viel. Wenn es nach ihr ginge, könnte man auf die Work-Life-Balance verzichten – ihr fehlt etwas ganz anderes.
Brauchen wir eine klare Linie zwischen Arbeit und Leben?
Pünktlich zum Jahreswechsel haben wir uns mal wieder mit guten Vorsätzen überladen. Neben mehr Sport im neuen Jahr und der dazugehörigen gesunden Ernährung, wollen viele mehr Zeit für sich, die Familie und Hobbies freischaufeln. „Nun aber wirklich”, heißt die Devise, denn Work-Life-Balance ist noch immer in. Das Ziel dahinter: Privat- und Berufsleben möglichst in Einklang bringen. Doch macht das wirklich pauschal glücklicher? Ist diese scharfe Trennung erstrebenswert? Oder wäre es nicht vielleicht eine Überlegung wert, Work und Life miteinander zu verheiraten, als gehörten sie ganz selbstverständlich zusammen?
Sind wir doch mal ehrlich: Wer erfolgreich sein will, muss sein Ziel ganz klar vor Augen haben und sehr hart dafür arbeiten. Wenn nötig, glühen Laptop und Diensttelefon Tag und Nacht, im Urlaub, am Wochenende, beim Kinderhüten auf dem Spielplatz. Das macht zwar nicht immer Spaß, gibt aber Karriere-Pluspunkte. Die von den meisten gewollte und hochgelobte Work-Life-Balance wird dabei selten erreicht. Viele Führungskräfte – weibliche wie männliche – sind sich dessen bewusst, weshalb sie für eine gewisse Zeit auf Work-Life-Balance verzichten. Sie gehen mit ihren Familien Kompromisse ein, um freie Bahn für ihren Karriereweg zu haben, ganz nach dem Motto: „Ist ja nicht für immer.” Damit kann man umgehen, wenn das für alle Beteiligten in Ordnung ist.
Ein unerreichter Mythos
Jeder versteht natürlich etwas anderes unter Work-Life-Balance. Ich persönlich finde es eher schwierig, Privat- und Berufsleben scharf zu trennen. Führt denn die Balance – aller wissenschaftlichen Studien über den positiven Nutzen eines ausgewogenen Privat- und Arbeitslebens zum Trotz – tatsächlich zu einem gesünderen und zufriedeneren Leben oder jagen wir einem Mythos hinterher? Warum lassen wir uns immer wieder einreden, dass wir krank werden, wenn wir nicht auf diese Ausgewogenheit achten? Ich tue mich deshalb mit dem Begriff Work-Life-Balance schwer. Er klingt so angestrengt, so festgelegt als Erfolgsgarant für ein glückliches Leben, in dem alles im Lot ist. Zu viele Menschen jagen diesem Mythos hinterher und werden dadurch noch gestresster.
Ich liebe es zu arbeiten. Noch nie hatte ich ein Problem damit, auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeit zu arbeiten, vorausgesetzt ich empfinde meinen Job als erfüllend, herausfordernd, wertschöpfend. Mein Gleichgewicht ist hergestellt, wenn ich einer bestenfalls leidenschaftlichen Arbeit nachgehe und gar nicht merke, dass es Arbeit ist. Und wenn ich sie verrichten kann, wann und wo ich möchte. Der Willen, etwas erreichen oder beitragen zu wollen, ist dabei ein wichtiger Antrieb. Bisher hat das ganz gut funktioniert. Aber ich fühle, dass das 9-to-5-Modell, indem ich seit über 20 Jahren mit allen Vor- und Nachteilen tätig bin, immer herausfordernder für mich wird. Je älter ich werde, desto stärker habe ich das Bedürfnis nach Freiheit, Selbstbestimmung und Flexibilität, wobei der Begriff „Freiheit” hier vielleicht etwas paradox klingt.
Killer: Anwesenheitspflicht!
Frei sein!
Mich machen diese starren Arbeitszeiten auf Dauer nicht glücklich. Ich möchte auch als Angestellte frei sein, wählen können. Mal hier arbeiten, mal dort. Mal früh am Morgen, mal mitten in der Nacht. Ich mag mich nicht rechtfertigen müssen, wenn ich mal länger auf einem Termin bin oder später ins Büro komme und nicht am Schreibtisch sitze. Warum sollten die Arbeitsergebnisse darunter leiden? Ich bin mir sicher: Mit mehr Flexibilität in Unternehmen würden die kreativen Geister wieder wacher agieren, die Ideenschmieden würden auf Hochtouren laufen und die Müdigkeit vergehen. Gerade in den heutigen Zeiten, die von digitaler Dynamik, Globalisierung und starkem Wettbewerb geprägt sind, muss sich der Arbeitsmarkt anpassen, sonst rennt uns die Zukunft davon. Die jungen Talente in all den Startups machen es uns vor – und das sehr erfolgreich. Sie setzen auf ihre eigene Arbeitskraft, mit der sie ganz allein haushalten. Und wenn das einem Unternehmen nicht passt, ziehen sie weiter, mit guten Gewissen, in Balance mit dem Job und dem eigenen Leben.
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