Feminismus und Girlpower verkaufen sich gut, solange sie als freche Slogans auf bonbon-rosa-farbene T-Shirts gedruckt werden, solange sie als Hashtags schöne Pop-Stars mit blauen Achselhaaren zeigen, solange sie aber auch funny und ein bisschen selbstironisch, nicht zu kompliziert und nicht zu wütend sind. Warum?
Feminismus sells
”She’s a lady” singt die raue Frauenstimme von Lion Babe im H&M Werbespot zur Herbstkollektion und mir laufen kalte Schauer über den Rücken. Endlich sind feministische Themen, Diversität und Inklusion im Mainstream angekommen, könnte man meinen. Und doch, als jemand, der sich länger als fünf Minuten mit dem feministischen Diskurs beschäftigt hat, frage ich mich, ob die Vereinnahmung dieser wichtigen sozialen und politischen Fragen durch große Mode- und Lifestyle-Marken nicht eher dazu beiträgt, die Realität unserer Gesellschaft noch mehr zu verzerren als die gephotoshopten Plakate, die im Zuge eben dieser H&M Herbstkampagne in U-Bahnhöfen und auf Litfaßsäulen geklebt werden.
She’s a lady, aber warum seh ich immer noch nicht so aus, wie die Frauen auf den Plakaten? She’s a lady, aber welche Frau passt wirklich in diese Jeans?
She’s a lady, aber wie kann es sein, dass ein T-Shirt immer noch nur 4,99 Euro kostet? She’s a lady, aber wer ist eine Lady und wer bleibt ein Tramp?
”Whoa Whoa Whoa. Talking ‘bout that little lady…”
Es gibt ein neues Frauenbild, das sich bei genauerem hinsehen und hinhören irgendwie nicht allzu sehr von dem alten Frauenbild unterscheidet, außer dass es von einer Art politischem Kaufargument begleitet wird: „Packen Sie Ihren Feminismus bitte hier in den Warenkorb. Wir freuen uns auf Ihren nächsten Einkauf.”
Girlpower im Corporate Design
Feminismus und Girlpower verkaufen sich gut, solange sie als freche Slogans auf bonbonrosafarbene T-Shirts gedruckt werden, solange sie als Hashtags schöne Popstars mit blauen Achselhaaren zeigen, solange sie irgendwie sexy, aber auch funny und ein bisschen selbstironisch und nicht zu kompliziert und nicht zu wütend sind. Dieser weichgezeichnete Feminismus, der flirtet statt zu drohen und singt statt zu brüllen, verbreitet sich gerade schneller, als man die Wörter neoliberaler Kapitalismus buchstabieren kann.
So veröffentlichte auch die Jeansmarke Wrangler kürzlich einen neuen Spot unter dem #morethanabum - mehr als ein Arsch – in den sozialen Medien. In diesem Video erzählen attraktive Frauen davon, dass sie weitere Qualitäten haben, als einen perfekten Jeans-Hintern, um anschließend ihre wohlgeformten Ärsche und Münder im Closeup zu zeigen und etliche Male das Wort „bum” in die Kamera zu hauchen. Sexy und selbstbestimmt und irgendwie total widersprüchlich — Storytelling über perfekte Hinterteile in jeder Couleur.
Etwa im selben Zeitraum bombardierte der H&M Ableger Monki meinen Facebook-Feed mit kurzen manifestartigen (#monkifesto) Clips zur Regelblutung, zur Sisterhood, zur Körperbehaarung, als gäbe es kein Morgen. Auch der Billig-Sekt-Produzent Freixenet feiert seit einigen Wochen mit gruseligen Werbevideos die „F-F-F-Frauen” bei gleichzeitiger Objektifizierung halbnackter Männerkörper und lasziv in die Kamera blickenden Supermodels.
F-F-F-Fuck you very much.
Der Feminismus lässt die Kassen klingeln
All diese Firmen erzählen uns, wir seien ok so wie wir sind, wir sollten zu unserer Weiblichkeit stehen. Sie zeigen uns auch gleich einen preiswerten, unkomplizierten Weg zu diesem befreiten Frausein: ihre Produkte kaufen, ihre Videos mit unseren Freunden teilen, ihre Hashtags verwenden und zeigen, dass auch wir für die gute Sache einstehen. Als bequemer Shopping-Nebeneffekt stellt sich das erleichterte Gewissen ein, wenn wir mal wieder nur an den eigenen Kleiderschrank und nicht an die unwürdigen Produktionsbedingungen der gerade erworbenen Billig-Textilien gedacht haben. Warum sollen wir uns das Leben also schwer machen, wenn Feminismus doch so einfach sein kann? Ein bedrucktes T-Shirt hier, ein Höschen mit einem niedlichen “We love periods”-Aufdruck da und schon sind wir Teil einer Bewegung. Nur frage ich mich, in welche Richtung bewegen wir uns damit eigentlich? Wer hat wirklich Zugang zu dieser Bewegung? Wer wird nach wie vor aus ihr ausgeschlossen? Und bewegen wir uns überhaupt vom Fleck oder tun wir alle nur so, als ob?
Feminismus ist die neue „cash cow”. Firmen, die mit Feminismus werben, degradieren Feminismus zur Ware. Sie nutzen das Interesse ihrer weiblichen Kundschaft für Gleichberechtigungsthemen, um ihnen die gleiche, giftig-gefärbte Baumwolle mit neuem Sexappeal zu verkaufen. Gleichzeitig werden wir zu Werbeträgern, nicht etwa für unsere eigenen Anliegen und Überzeugungen, sondern für die Anliegen und das Image von Firmen, die sich Diversität und Gleichberechtigung eine Saison lang zur Markenstrategie machen, um dann in der nächsten Saison, nach dem Super-Sale, zu neuen Prints überzugehen. Tatsächliche gesellschaftliche Veränderung bleibt dabei aus.
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