Foto: Suhyeon Choi | Unsplash

Gleichberechtigung: Warum wir Frauen endlich füreinander einstehen müssen

Bis zur Gleichberechtigung ist es immer noch ein langer Weg. Unsere Community-Autorin Yasemin erinnert uns daran, was wir als Frauen gemeinsam tun können, damit wir endlich weiterkommen.

 

Frauen auf Podiumsdiskussionen? Fehlanzeige!

Mir fällt so etwas auf. Ich habe eine übersensible Antenne dafür, wie hoch der Frauenanteil auf Veranstaltungen ist und wie hoch wiederum ihr Redeanteil. Mir fällt auf, wie viele Frauen sich selbstbewusst in Plenumsdiskussionen präsentieren. Und ganz besonders fällt mir auf, wenn Frauen in Podiumsdiskussionen als Quotenfrauen behandelt werden oder noch schlimmer: Die einzige Frau auf der Bühne, die Moderatorin ist.

Nun muss man dazu sagen, dass ich mich gerne in der Startup-Szene und auf Wirtschafts-Events herumtreibe — aber moment, warum relativiere ich das denn gerade? Warum empfinden wir es scheinbar als normal, dass dort selbstverständlich weniger Frauen anzuteffen sein müssten?

Wenn sowohl Online-Wirtschafts-Magazine als auch Printmagazine ausschließlich Männerbilder drucken und Interviews mit Männern führen, bin ich die erste, die nachfragt, ob es den Machern bewusst ist. Ich finde, wir sollten sensibler für solche Kleinigkeiten sein und auch andere fragen, ob ihnen dieses Verhalten aufgefallen ist, statt es als „normal” abzutun. Denn in
solchen Rückmeldungen drückt sich die Überzeugung aus, dass es nicht so sein sollte. Es sollte eben überhaupt nicht normal sein, dass solch ein Missverhältnis herrscht.

Nur weil es heute so ist, muss es morgen nicht so sein.

Und damit sich überhaupt was ändert, muss man erst einmal feststellen, dass es etwas zu ändern gibt. Um noch deutlicher zu werden: Heute müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit morgen mehr Frauen in Führungspositionen sind. Und diejenigen, die meinen, dass das schon von alleine wird, sind entweder Männer, die in solchen Fördermaßnahmen eine „positive Diskriminierung sehen“ oder Frauen, die es mit Müh und Not in Führungspositionen geschafft haben und ihre Leistung — berechtigt an dieser Stelle — nicht kleinreden lassen wollen.

Ob eine Frauenquote der richtige Weg ist, bleibt strittig. Bedenkenswert finde ich aber trotzdem, dass gewisse Unternehmen das Problem angeblich lösten, indem sie ihre Vorstandssitze einfach erweiterten und diese Positionen nicht mit einer Frau besetzt haben sollen, sondern unbesetzt ließen. Unabhängig davon, ob dies wirklich geschehen ist, zeigt alleine die Tatsache, dass es nicht völlig abwegig erscheint, in welchem Zustand sich die Arbeitswelt in Sachen Gleichberechtigung immer noch befindet. 

Und, wenn es schon mit Maßnahmen nicht klappt, wer zum Teufel kann ernsthaft glauben, dass sich das in absehbarer Zeit ohne irgendwelche Einrenkungen bessern wird?

„Ich, als emanzipierte Frau brauche keine Steighilfe“

Es bringt mich zur Weißglut, wenn ich mir, zum Beispiel bei politischen Wahlen, anhören muss, dass ich als Frau, bei einer Frauenquotierung ja sowieso reinkommen würde und mir keine Sorgen machen müsste. Unabhängig davon, dass diese Reaktion von dickbäuchigen alten Männern kommt, die Angst um ihre Position haben, könnte in deren Kritik nicht mehr Abwertung zu finden sein. Und, wenn es eine strukturelle Regelung gibt, die Frauen bevorzugt, liegt es nahe zu denken, dass ihre Leistung schlechter wäre und sie es deswegen nötig hätten? Ehrlich? Was für ein Quatsch!

Es ist ein Fehlschluss zu denken, dass die Quote Frauen fördern würde, die es weder verdient hätten, noch im Vergleich mit Männern konkurrenzfähig wären. Das aber reden andere einem ein! Und erst, wenn man diesen Zweiflern glaubt, ja erst dann, ist man nicht in der Lage Bestleistung zu erbringen. 

Die Quote ist eine Chance, erkennen wir sie als diese!

Wir Frauen müssen in solchen Maßnahmen mehr Chancen sehen, die einfach die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir an die Reihe kommen
und zwar aus folgendem Grund:

Wir sind durch psychologische oder gesellschaftliche Erwartungshaltungen gehandicapt und werden im Vergleich zu Männern strenger und unfairer bewertet — selbst wenn wir in derselben Situation sind. Unzählige Studien zeigen das. Frauen müssen bei Einstellung eher durch Erfolge glänzen, Männer durch Potential. Frauen die ehrgeizig sind, werden aggressiv und herrisch wahrgenommen, Männern wird das positiv angerechnet. Wenn ein Mann einem Kollegen hilft, steht er in seiner Schuld. Bei Frauen wird Hilfe als Selbstverständlichkeit angesehen. Bei Frauen ist ein Resting-Bitch-Face ein Schönheitsmanko, Männern hingegen wird bescheinigt, wenn sie ernst gucken, sogar attraktiver zu wirken. Unterbreche ich als Frau einen Mann, bin ich arrogant und halte mich für was besserer, bei Männern ist das ok. Gott, bin ich froh, dass es endlich einen Begriff dafür gibt: Mansplaning!

Und genau darum geht es: Dieses natürliche Handicap öffentlich zu machen. Den Mund aufzumachen: „Ey, wäre ich ein Mann, würdest du das nicht bemängeln.“ 

Ich mein, Hillary Clinton schwächelt einmal und alle machen sich Sorgen, um ihren Gesundheitszustand. Der Geisteszustand von Trump interessiert niemanden. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Wir sollten auf eines bestehen. Und nennen wir das Kind doch offen beim Namen: Diese oberflächliche Diskriminierung in Form von Sexismus muss ein Ende nehmen!

Du kämpfst als Frau nicht für dich, sondern für alle!

Den Stempel Feministin tragen manche Frauen nicht gerne, dabei bedeutet es erst einmal einfach nur für Gleichberechtigung einzustehen. Und das Wort Handikap hat auch eine negative Konnotation: Behinderung. Es ist nicht einfach dem zu zustimmen, aber halte dir all die Situationen vor Augen, in denen du dachtest: „Hätte ich keine Brüste, würde man nicht so negativ reagieren“.  Wir spielen zusammen Monopoly, aber die meisten Frauen haben nur die Hälfte ihres Startguthabens erhalten.

Sheryl Sandberg, sagt in ihrem Buch „Lean in”, dass es Frauen schwerer fällt, für sich selbst einzustehen, als wenn sie es in einer Funktion oder einem Auftrag für andere tun. Deshalb: Lasst uns als Frauen gemeinsam für die Interessen der Frauen einstehen.

So etwas nennt man übrigens Interessenvertretung und Lobbyarbeit. Ja, wir Frauen brauchen eine größere Lobby, die für unsere Interessen eintritt. Ja, unsere Lobby, das ist jede einzelne Frau, die für die Chancengleichheit der
Frau eintritt.

Wir brauchen mehr Solidarität unter Frauen!

Und bei jeder Kritik an einer Frau sollten wir uns die Frage stellen: Würde ich das bei einem Mann auch bemängeln? Oder setzen auch wir selbst an anderen Frauen unafaire, kritischere Maßstäbe? Lasst uns umsichtiger miteinander umgehen und  nicht tatenlos daneben stehen besonders, wenn andere Frauen in ihrer Abwesenheit ungerecht, unangemessen, ja unfair beurteilt werden, nur weil sie eben Frauen sind.

An dieser Stelle will ich ehrlich sein: Ich persönlich stehe wohl selbst immer noch viel zu selten für andere Frauen ein. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass, wenn wir diese Benachteiligung gemeinsam stärker zum Thema machen, sie irgendwann ausgeglichen wird. Wenn Frauen füreinander einstehen, kann man an einer Frau auch kein Exempel mehr statuieren und es unfairer Weise auf ihre weiblichen Befindlichkeiten schieben. Wenn viele Frauen denn Misstand wahrnehmen und anzweifeln, wird die Norm in Frage gestellt.

Irgendwann mal ist es vielleicht normal, dass alle Frauen Feministinnen sind, weil alle für ihre eigene, aber besonders für die Gleichstellung aller Frauen einstehen.

Mehr bei EDITION F

Warum die Quote allein nichts bringt. Weiterlesen

Die beeindruckende Geschichte der britischen Suffragetten kommt in die Kinos. Weiterlesen

Zehn Feministinnen, die mehr zu sagen haben als Alice Schwarzer. Weiterlesen

Anzeige