Der Werbeboss Kevin Roberts ist der Ansicht, Frauen wollten keine Führungspositionen und Diskriminierung sei in der Branche kein Problem. Sein Unternehmen sieht das anders.
Diskriminierung … wo denn?
Wie viel veraltetes Denken kann sich eine Werbeagentur leisten, die für ihre Kunden innovative und moderne Konzepte erfinden soll? Die Agentur-Holding Publicis hat das jetzt klargestellt und den Chairman von Saatchi & Saatchi, Kevin Roberts, mit sofortiger Wirkung beurlaubt, da er in einem Interview gegenüber Business Insider UK gesagt hatte, dass gleiche Chancen für Frauen und Männer in der Werbebranche längst kein Thema mehr seien: „The fucking debate is all over.“ Zudem ergänzte er, dass er selbst für seine Agenturen „gar keine Zeit“ darauf verwende, angebliche Geschlechterthemen zu bearbeiten. Aus seiner Sicht sei das zum Beispiel in der Finanzbranche ein Thema, aber nicht in der Werbung. Obwohl Business Insider Roberts mit den Ergebnissen konfrontierte, dass nur 11,5 Prozent der Kreativdirektoren in der Werbung weiblich seien – bei Belegschaften, die im Schnitt zur Hälfte aus Frauen und Männern bestehen – blieb er bei seiner Haltung, dieser Frauenmangel sei kein Problem.
„I don’t think [the lack of women in leadership roles] is a problem. I’m just not worried about it because they are very happy, they’re very successful, and doing great work. I can’t talk about sexual discrimination because we’ve never had that problem, thank goodness.“
Zudem sagte Roberts, Frauen wollten schlicht nicht in Führungspositionen arbeiten, sie ablehnen, wenn sie ihnen angeboten würden und es stattdessen vorziehen, inhaltlich zu arbeiten und glücklich zu sein.
Roberts bekam aus der Branche rasch Gegenwind. Cindy Gallop, erfolgreiche Werberin, die seit Jahren für Gleichberechtigung in der Branche wirbt, sagte gegenüber dem Guardian, dass Offenheit für Geschlechtergerechtigkeit oft nur verbal geäußert würde, ohne, dass Taten in den Agenturen folgen würden. Die Ansicht, Frauen wollten nicht führen, sei „absolute fucking bollocks“.
“They have to pay lip service to diversity, but they are talking it and they are not walking the walk because they see no need to whatsoever,” said Gallop. “They are sitting very pretty, they have gigantic salaries, share options, expense accounts. Why would they ever want to rock the boat?”
Cindy Gallop thematisiert immer wieder, dass Frauen in der Werbung diskriminiert werden. Foto: sebastianmuehlig.de – Flickr/NextConf – CC BY 2.0
Auch Kate Stanners, Global Chief Creative Officer bei Saatchi & Saatchi, schaltete sich ein und sagte in einem Radiointerview am Montag, dass Frauen in der Werbung Führungspositionen wollten und Diskriminierung ein Problem sei, das die gesamte Industrie durchziehe. Sie sagte außerdem, dass Roberts eine große Zahl von Angestellten mit seinen Kommentaren gekränkt hätte und es größeres Engagement brauche, um Ungleichheit in den Agenturen zu beseitigen.
Führungskräfte müssen Inklusion leben
Roberts wurde bereits am Freitag von Publicis suspendiert. In der Erklärung gegenüber den Mitarbeitern sagte Maurice Lévy, Hauptgeschäftsführer von Publicis, dass das Unternehmen niemanden toleriere, der die Bedeutung von Inklusion nicht schätzen würde. Zudem müsse Gleichberechtigung von der Spitze aus gefördert werden. In der Pressemitteilung verwies die Publicis Groupe auf ihr Motto „Viva la Difference!“ Das Board der Publicis Groupe werde nun entscheiden, ob er von seiner Beurlaubung zurückkehren werde, oder nicht.
Für Publicis ist die Diskriminierung von Frauen in der Vergangenheit auch schon ein rechtliches Thema gewesen. Ende 2015 wurde die Sammelklage von Mitarbeiterinnen der MSL Group, die zum Publicis Netzwerk gehört, für einen Vergleich von 3 Millionen US-Dollar eingestellt. Die Frauen hatten dagegen geklagt, dass ihnen gleiche Bezahlung, Beförderungen und andere Jobchancen aufgrund ihres Geschlechts verweigert worden waren.
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