Foto: Glowbus / Katja Hentschel

Ich bin Singlemama und verdammt glücklich damit

Bleiben Frauen eher in unglücklichen Beziehungen, als sich für ein Leben als alleinerziehende Mutter zu entscheiden? Katja hat nie mit dem Vater ihres Kindes zusammengelebt und findet: Singlemama zu sein bietet tolle Freiheiten.

Alleinerziehend ab Geburt

Als wir 2014 die Fotografin und Bloggerin Katja Hentschel porträtiert haben, die gerade Mama geworden war, ihren Sohn von Anfang an allein großgezogen hat und schon wenige Tage nach der Geburt wieder arbeitete, gab es viel Kritik, dass Beispiele wie die von Katja Druck aufbauen würden und Leserinnen schrieben, dass Katja noch schnell genug merken würde, wie schwierig das Leben mit Kind wird. Uns hat daher interessiert, wie sich Katjas Leben als Singlemama entwickelt hat.

Auf ihrem Blog Glowbus hat Katja darüber geschrieben, wie sich ihr Leben seit der Geburt ihres Sohnes vor 20 Monaten verändert hat und wir freuen uns, dass ihr ihren spannenden Einblick in eine der vielen Möglichkeiten, eine Familie zu sein, hier lesen könnt.

Wie soll das gehen?

Ich frage mich wirklich oft, wie es zu schaffen sein soll die Haare schön gestylt zu tragen, die Klamotten sorgfältig auszuwählen, die Wohnung perfekt einzurichten, sie stets aufgeräumt und sauber zu halten, den Kühlschrank zu füllen, täglich frisch zu kochen, den Kids genügend Zeit zu widmen, die Karriere vorbildlich zu schmeißen, dem Liebsten eine gute Freundin, Liebhaberin und Partnerin zu sein, ins Gym zu gehen, Füße und Hände regelmäßig manikürt und pedikürt zu wissen, Beine und Privates wöchentlich zu wachsen, Weltnachrichten zu verfolgen, Bücher zu lesen, Urlaube zu planen, Wochenenden interessant zu gestalten, Freunde zu treffen, hin und wieder Dinnerpartys zu veranstalten, Zeit für sich selbst zu finden und natürlich zu jedem Zeitpunkt ein Lächeln auf dem Gesicht zu tragen. Wie soll das gehen?

Bevor man überhaupt eine ernsthafte Beziehung, geschweige denn Kinder, vielleicht noch nicht mal eine eigene Wohnung hat, beschwert man sich schon, dass nicht genug Zeit ist, bei all der Arbeit auch noch Zeit fürs Privatleben zu haben. Nimm das mal fünf und du hast das Leben einer Frau mit Familie. Die meisten von uns arbeiten, auch wenn sie Kinder haben. Viele haben einen Partner, der (völlig zu Recht) einiges an Aufmerksamkeit verlangt und, wenn man mal ehrlich ist, sich nicht selten weniger an Haushalt und Kindererziehung beteiligt, als die Frau.

Zugegeben, Letzteres betrifft mich nicht, ich bin Single und eigentlich war ich das schon immer. Die Vorstellung, in mein aktuelles Leben mit Kleinkind, zwei Blogs und zwei Businesses eine ernste Beziehung hineinzuquetschen, ist erstmal ein wenig angsteinflößend. Das würde nämlich nicht nur weniger Zeit für mich, den Haushalt und den Job einfordern … auf einmal wäre da jemand, für den ich über aktuell zweitrangige Dinge wie fancy Unterwäsche, rasierte Beine oder gemachten Abwasch nachdenken müsste. Ich müsste wesentlich öfter ins Fitnessstudio, die Wohlfühlfashion für zu Hause neu überdenken und mein allgemeines Beautyregime ordentlich pimpen. Seit der Geburt meines Sohnes vor 20 Monaten habe ich es genau zwei Mal zur Pediküre geschafft. Zwei Mal.

Bestimmt haben eine ganze Menge von euch einen tollen Mann zu Hause, der euch soviel abnimmt, dass ihr locker Zeit habt, für all diese Dinge. Bestimmt haben mindestens genau so viele nicht diesen Mann.

In vielerlei Hinsicht hat es also durchaus Vorteile Single zu sein, auch wenn man ein Kind oder sogar mehrere erzieht. Der Großteil meiner Freundinnen würde vermutlich zugeben, dass sie den Mammutanteil der Kindererziehung übernehmen, während die Männer arbeiten. Zu zweit sein, ist für viele vor allem auch aus finanziellen Gründen attraktiv.

Wenn die Beziehung gar nicht glücklich macht

Was aber, wenn man selbst genug verdient? Wenn man sich auch mal einen Babysitter leisten kann? Sein Leben frei gestalten kann? Wenn man keine Energien mehr an Streits und verletzte Egos verschwenden muss? Wenn da kein zweiter Erwachsener ist, für den man mit planen, denken und kaufen muss. Wenn niemand, der eigentlich viel weniger Zeit mit den Kindern verbringt, dennoch die Hälfte der Entscheidungen bezüglich dieser übernehmen will? Wenn man sein Leben zu 100 Prozent selbst gestalten kann? In Urlaub fahren, wann und wie lange man möchte, andere Männer daten, mit den Girls um die Häuser ziehen, ohne vorher und nachher einen Fragenkatalog serviert zu bekommen? Sicher ist hier jeder anders, aber ich will mal behaupten, dass dieses Modell viele Vorzüge hat und für die ein oder andere vermutlich eher der Schlüssel zum Glück ist, als mit jemand zusammen zu sein, der mehr Kompromiss- als Traummann ist.

Versteht mich nicht falsch, ich hätte auch gerne eine tolle Beziehung. Aber der Punkt ist eben, dass sie toll sein muss. Mein aktuelles Leben ist so gut, dass ich mir kaum ein besseres vorstellen könnte. Ich hab den perfekten Job, reise sechs Monate im Jahr um die Welt, habe ein gesundes, gut gelauntes Kind, super Babysitter und nette Freunde. Ich brauche mir keine Sorgen um Geld machen und habe auch keinen Ex, der mir das Leben schwer macht. Natürlich habe auch ich Dinge, die ich gern verbessern würde (zum Beispiel die Regelmäßigkeit meiner Pediküren!), aber alles in allem bin ich ganz schön happy mit allem.

Als klar war, dass ich mein Kind alleine großziehen würde, hatte ich viele Ängste vor dem Klischee der Alleinerziehenden. Ich dachte, dass man notgedrungen unglücklich ist, sich einsam fühlt und permanent am Burnout-Limit lebt. Ich dachte außerdem, dass die Chancen einen netten Mann zu daten, gleich Null wären.

Vieles ist möglich – auch allein

Tatsächlich hat sich mein Leben nicht so monumental verändert, wie es viele vorausgesagt haben. „Das mit den Reisen kannst du jetzt vergessen” hieß es immer wieder. Atlas war mit seinen 20 Monaten bislang in 13 Ländern unterwegs. Ich kann also getrost behaupten, dass sich in puncto Reisen absolut nichts geändert hat. Zu meinem großen Erstaunen haben sich viele Dinge ins Positive entwickelt, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Zum Beispiel trage ich jetzt eine tiefe Zufriedenheit in mir, die ich vorher nicht hatte. Mein Kind erfüllt mich, motiviert und inspiriert mich. Und obwohl ich seit über zwei Jahren kein Fitnessstudio von innen gesehen habe, fühle ich mich jetzt attraktiver und selbstbewusster als je zuvor. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass ich seitdem ich wieder date, viel spannendere Männer kennenlerne als vor Atlas. Eben echte Männer. Solche, die nicht schreiend davonlaufen, wenn eine mit einem Kind um die Ecke kommt.

Wer jetzt denkt, dass das hier ein Plädoyer fürs Alleinerziehendsein sein soll, hat nicht ganz Unrecht. Es soll zumindest zeigen, dass es auch anders geht. Dass da draußen mehr Möglichkeiten und Lebensmodelle existieren, als nur Mutter, Vater, Kind. Dass für unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Leben lebenswert sind und man sich nicht dem Druck der Gesellschaft ergeben soll, wenn man es doch eigentlich anders fühlt. Ich weiß, dass es viel zu viele Frauen gibt, die in unglücklichen Beziehungen steckenbleiben, der Kinder wegen. Die denken, es sei das kleinere Übel mit dem anstrengenden Kerl klarzukommen, als ganz allein. Vielleicht stimmt das in manchen Fällen auch. In vielen Fällen ist es aber auch besser allein, und die Alternative dann, glücklich zu sein. Die Last einer unglücklichen Partnerschaft hinter sich zu lassen und die Freiheiten des Singledaseins in vollen Zügen zu genießen.

Der Text von Katja ist zuerst auf ihrem Blog Glowbus erschienen. Wir freuen uns, dass er als Ergänzung zu ihrem Porträt bei uns auch hier erscheint.

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