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Darf man den Kontakt zu seinen Eltern abbrechen? Manchmal muss man!

Paula hat den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen – und wird besonders kurz vor Weihnachten ständig mit Vorurteilen und guten Ratschlägen konfrontiert. Sie hat genug davon.

Keine Unterstützung, nur Kritik

Was wäre wenn:

– die besten Freunde lügen würden wie gedruckt?

– man sich nicht auf sie verlassen könnte?

– man immer Schuld ist an jeder Misere trägt, nur nicht sie selber?

– man jeden Tag zu hören bekommen würde, wie unerwünscht man ist?

– man keine Unterstützung von ihnen erfahren würde, sondern nur Kritik?

Und ich meine nicht die Art von Kritik, die einen vorwärts bringt.

Würde man sich solchen Menschen aussetzen, freiwillig?

Würde man Wert legen auf solch eine „Freundschaft“?  Ich glaube, wir alle
können diese Frage mit einem klaren: „Nein!“ beantworten.

Wenn Eltern den Kontakt zu ihren Kindern abbrechen, ist das immer so eine Sache. Meist muss schon etwas „Schlimmes“ passiert sein, damit Eltern diesen letzten verzweifelten Schritt gehen. Aber dieser Schritt wird meist gesellschaftlich akzeptiert und verstanden. Die verstoßenen Kinder werden dann gern „Schwarze Schafe“ genannt und damit ist das Thema in der Regel vom Tisch.

Gerade zu dieser Zeit, so kurz vor Weihnachten, werde ich oft mit der Frage konfrontiert: „Und, geht’s zur Familie über Weihnachten?“ „Ja, zu meiner Wahlfamilie!“ antworte ich dann oft. Das löst natürlich eine Flut an Fragen und auch Unverständnis aus. Denn ich gehöre zu den Menschen, die ihren Eltern „gekündigt“ haben. „Ja, darf man das denn?“ höre ich einige von euch schon fragen.

Wenn Kinder den Kontakt abbrechen

Brechen Kinder den Kontakt zu ihren Eltern ab, werden sie oft als undankbar bezeichnet und vieles mehr. Man zeigt kein Verständnis, bezichtigt uns des Egoismus und findet uns herzlos. Gerade ich, mit meinem Beruf (ich arbeite mit Kindern und Erwachsenen für alle, die es noch nicht wissen sollten), ernte meist kräftiges, abschätziges Kopfschütteln. Wie oft musste ich mir anhören: „Komm, ruf sie an, es sind deine Eltern, sei nicht so stur…eines Tages werden sie nicht mehr da sein und dann wirst du es bereuen…blablabla“. Nein, werde ich sicher nicht, ganz ehrlich!

Menschen sind gegen Gewalt an Kindern

Jeglicher Missbrauch ist ihnen zuwider und jeden, der ein Kind quält, auf welche Art und Weise auch immer, würden sie am liebsten auf Lebenszeit einsperren oder gar Schlimmeres, da sind wir uns auch alle einig, hmm? Einem wehrlosen, schutzbedürftigen Kind, das auf seine Eltern angewiesen ist, keine Liebe oder Geborgenheit und Sicherheit zu geben,
es nur mit dem Nötigsten zu versorgen und es nur zu beachten, wenn es etwas zu kritisieren gibt…um es dann körperlich zu züchtigen, es bricht den meisten schon das Herz, wenn sie nur davon lesen, stimmt’s? Menschen sind auch gegen jegliche Bevormundung, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, wie die Volljährigkeit, nicht wahr?

Viele von euch nehmen solche Eltern in Schutz

Denn wenn Kinder ihren Eltern jeglichen Kontakt verweigern, steckt meist wirklich
etwas dahinter. In meinem Fall all das gerade Beschriebene. Also warum drückt man mir und vielen anderen, die sich aus Scham nicht trauen, darüber zu sprechen, den Stempel der Undankbarkeit gegenüber den Eltern auf? Für was sollten wir in unserem Fall dankbar sein? Warum schüttelt man den Kopf und zieht die Augenbrauen hoch, wenn wir uns nur schützen wollen, nun, da wir selber Erwachsene sind und eine Wahl haben.

Denn als Kind hat man keine Wahl, man ist angewiesen auf die Eltern. Und man
kommt auch nicht so einfach aus der Familie raus, im schlimmsten Fall muss erst etwas passieren, damit die Behörden hellhörig werden. Oder es braucht einen Mutigen, der das meldet. Doch die meisten sind nicht mutig und sehen weg, auch wenn das Unglück vor ihren Augen passiert. Wie viele Kinder sind schon in Wohnungen verendet und angeblich hat niemand etwas mitbekommen? Wie viele Kinder werden in der Öffentlichkeit geohrfeigt
und niemand schreitet ein? Man sieht weg, es ist ja nicht das eigene Kind, nicht das eigene Problem, warum sich also damit unnötig belasten?

Aber wenn man dann als erwachsene Frau oder als erwachsener Mann sagt: „Ich habe den
Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen!“ – dann fühlen sich plötzlich viele eingeladen, ihren abschätzigen Senf dazuzugeben, vor allem zu verurteilen, sich einzumischen, obwohl sie niemand darum gebeten hat. Denn nicht jeder mag dann ausführlich erzählen, warum, wieso und weshalb es so weit kam.

Viele sagen deshalb einfach, dass ihre Eltern gestorben sind. Denn glaubt mir, diese Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Es ist ein langjähriger Prozess in der
Hoffnung, dass eines Tages die Eltern ihre Fehler erkennen, ihr Kind als solches erkennen, mit seinen Bedürfnissen, Wünschen, Ängsten. Dass sie eines Tages anfangen, Liebe zu zeigen, anstatt ihren Frust an ihren Kindern auszulassen. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr stirbt die Hoffnung und man stellt fest, dass man sich das nicht anzutun braucht.
Warum auch? Warum sollte sich jemand freiwillig niedermachen lassen wollen? Also trennt man sich und hat seine Ruhe. Die meisten brauchen eine Therapie, um die Traumata ihrer Kindheit zu verarbeiten, an ihrem Selbstbewusstsein zu arbeiten und um mit der Vergangenheit abzuschließen.

Es war ein langer Weg auch für mich, all das, was passiert ist, hinter mir zu lassen. Doch ich wollte es immer anders machen als meine Eltern. Und Menschen, die mich verurteilen, mich als schlechte Tochter hinstellen, die kann ich mittlerweile nur noch belächeln. Denn wenn sie
meine Eltern so bemitleiden, kann ich ihnen gern die Adresse geben, damit sie ihnen einen Besuch abstatten können. Wenn man sie dann konfrontiert mit der bitteren Wahrheit und dem Grund des Kontaktabbruchs, werden sie meist still und schauen bedrückt zu Boden. Es ist eben immer einfacher zu urteilen, statt zu hinterfragen.

Warum ich euch das heute erzähle?

Weil ich den vielen Menschen, denen es genauso geht, Mut machen möchte. Ihr seid
keine schlechten Menschen, nur weil ihr euch schützt! Denn jeder hat das Recht, glücklich zu sein. Ich möchte auch kein Mitleid, ich möchte einfach nur weniger verurteilende Worte, weniger Vorurteile, mehr Hinterfragen. Denn glaubt mir, viele von uns hätten gern ein liebevolles Elternhaus und eine tolle Kindheit gehabt und vor allem: einen guten Draht, auch als Erwachsene, zu den eigenen Eltern!

Dieser Beitrag erschien auf Paulas Blog. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.

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  1. Ich bin sehr dankbar für diesen Beitrag. Mir geht es ähnlich. Ich hab es zwar noch nicht geschafft mich gänzlich zu schützen, bin nur weiter weggezogen um Abstand und immer eine gute Ausrede zu haben warum ich nicht zu Besuch zu den Eltern komme. Manchmal schäm ich mich dafür und dann auch wieder nicht, nachdem ich mal wieder 2 Tage bei meinen Eltern war und wieder wie ein kleines Kind verunsichert und bevormundet wurde. Danke Paula für Deinen Beitrag. Es hilft mir sehr im Umgang mit dem Problem der Eltern.

  2. Ich sitze hier und mir laufen die Tränen ich habe auch den Kontakt zur Mutter abbrechen müssen – sie hätte mich sonst ,,zerstört,, – und auch ich habe meinem Kindern heute erwachsenen Kindern wenig bis keinen Kontakt da ich, ,,unbewusst,, und völlig überfordert in unserer damaligen Lebenssituation – meinen Kindern sehr weh getan . Was mir erst in einer Therapie klar geworden ist .. es ist viele Jahre her ich habe mich ernsthaft entschuldigt – Sie haben die Entschuldigung angenommen – doch vergessen werden sie nie. Ein Kind besucht mich wenig und mein anderes Kind meldet sich gar nicht bei mir – ich bin froh das mich Beiden wenigstes Erklären konnte – auch wenn meine Fehler nicht zu entschuldigen sind .Ich hätte so gern alles besser gemacht – als ich meine Kindheit empfunden habe. Nein , ich habe alle Erziehungsmethoden weitergegeben und bei meinen Kindern angewendet, darüber bin ich traurig. Ein Familienleben kannte ich nicht – wir wohnten nur alle unter einem Dach;
    Eine lange wirklich traurige Geschichte – und ich habe keine Chance es irgendwie ansatzweise wieder besser zu machen. Ich liebe meine erwachsenen Kinder und respektiere ihre Entscheidung , mich nicht mehr sehen zu wollen – ich lasse sie
    ,, frei ,, ohne Vorwürfe, Forderungen ….. ich wünschte ich hätte alles anders oder besser gemacht – als ich es erfahren habe. Aber was du nicht kennst -kannst du anderen nicht zeigen.

  3. Liebe Bettina, ich bin froh, dass ich deinen Beitrag lesen konnte. Mir geht es ähnlich. Ich habe auch Eltern, die mich nie gesehen, gehört, wahrgenommen haben. Und genau das habe ich, obwohl ich es besser machen wollte bei meinen Kindern, unbewusst wohl weitergegeben. Auf der Suche nach Anerkennung und Liebe im Außen. Die haben wir als Kinder nicht bekommen, da wir für niemanden wichtig waren. Das ist bis heute so geblieben. Auch ich habe den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen, meine Geschwister auch. Mittlerweile haben sich meine Kinder entschieden, nach der Trennung lieber bei ihrem Vater zu leben. Zu mir haben sie den Kontakt abgebrochen. Ich sehe sie nicht mehr oder kaum noch. Es ist tröstlich zu wissen, dass es anderen auch so geht. Und durch Zufall, den es ja nicht gibt, bin ich auf diese Seite gestoßen.
    Liebe Grüße Maria

  4. Vielen Dank für diesen Beitrag! An Heiligabend vor genau 20 Jahren habe ich den Kontakt zu meinem Vater abgebrochen. Ich war damals 12 Jahre alt und wohnte mit meiner Schwester getrennt von meiner Mutter bei ihm. Je älter ich wurde, desto gewalttätiger wurde er. Zunehmend auch körperlich.
    An diesem Tag rastete er mal wieder wegen einer Lappalie aus. Er brüllte herum, schlug heftig auf mich ein, packte mich am Hals, schmiss mich gegen eine Wand, so dass mein Pullover zerriss und ich nur noch Sternchen sah. Ich hatte Todesangst. Danach weinte ich bitterlich stundenlang auf meinem Stuhl im Kinderzimmer, musste den Pullover wieder nähen. Nach Stunden hatte er sich beruhigt und wollte mich trösten. Aber ich reagierte nicht mehr. Er hatte die Beziehung zwischen uns im wahrsten Sinne des Wortes zerschlagen. An dem Abend fasste ich den Entschluss, dass dieser Mensch keinen Platz in meinem Leben mehr hat. Am nächsten Tag zog ich zu meiner Mutter. Sie wohnte in der gleichen Stadt. In gerade mal zwei Stofftaschen hatte ich meine Habseligkeiten gestopft. Von meiner Schwester erfuhr ich später, dass er unter meinem Kontaktabbruch sehr litt. Er hat sich jedoch bis heute nicht entschuldigt. Und ich bezweifle, dass er begriffen hat, was er getan hat.

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