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Laura Dornheim: „Meine Mitarbeiter*innen sollen so frei arbeiten, dass sie sich weiterentwickeln“

Job, Kind und Wahlkampf: Das brachte Laura Sophie Dornheim alles unter einen Hut. Im Interview spricht sie über Vorbilder, Feedback und Erfolg.

„Lobt das Projekt einer Kollegin im Meeting“

Laura Sophie Dornheim, geboren 1983 in Dachau, ist diplomierte Wirtschaftsinformatikerin sowie promovierte Geschlechterwissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre Erfahrung in der Strategieberatung, ist politisch aktiv und war zuletzt sogar Bundestagskandidatin für die Grünen.

Beim Tech-Start-up Eyeo führt die Schwester von Handelsblatt-Rolemodel Magdalena Rogl das internationale Kommunikationsteam. Neben ihrem Beruf engagiert sich Laura seit mehreren Jahren für verschiedene feministische Projekte und Initiativen, beispielsweise für die gesetzliche Frauenquote oder gegen den Paragraphen 219a.

Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt.

Frau Dornheim, was sind Ihre Stärken?

„Ich verarbeite Informationen sehr schnell und kann sehr schnell komplexe Zusammenhänge erfassen. Das hilft mir ungemein, wenn ich Kommunikationsstrategien plane. Einzubeziehen, wer was wissen muss und wer wie auf welche Nachricht reagieren wird, ist für mich keine Arbeit, sondern fast ein Automatismus. Leider fällt mir deshalb auch extrem auf, wenn jemand schlecht kommuniziert.

Ich bin außerdem ziemlich stressresistent. Wenn es auf einmal brennt und zehn Sachen gleichzeitig passieren müssen, laufe ich zur Hochform auf. Ich kann, wenn es sein muss, innerhalb kürzester Zeit die wesentlichen Tasks identifizieren, priorisieren und an die richtigen Leute delegieren, ohne in Panik zu verfallen. Ich muss spontan für einen Vortrag einspringen und habe 15 Minuten Vorbereitungszeit? Ich brauche fünf Minuten, um mir eine Storyline zu überlegen, nochmal fünf, um passende Slides aus der Cloud zusammenzusuchen und habe noch fünf Minuten übrig, um mir die Haare zu kämmen und die SMS mit der Frage nach den Winterschuhen für das Kind zu beantworten.“

Wie kommt man denn von Wirtschaftsinformatik zu Gender Studies?

„Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert, weil ich es spannend fand, an der Schnittstelle von Business und Tech zu arbeiten. Ich kenne beide Welten, spreche deren Sprachen und kann daher auch gut zwischen ihnen vermitteln. Im Studium und auch später als Unternehmensberaterin war ich oft die einzige Frau im Raum. Weibliche Vorbilder gab es noch weniger. Das hat mir zu denken gegeben und dem wollte ich auf den Grund gehen.

Mit meiner Promotion in Gender Studies habe ich mich daher nochmal in einen komplett anderen Bereich vertieft und verfüge jetzt über das soziologische Handwerkszeug, um gerade bei wichtigen Entscheidungen nicht nur die fachliche Komponente angemessen zu berücksichtigen. In dieser inhaltlichen Vielfalt sehe ich auch eine große Stärke von mir.“

Wer ist Ihr persönliches Rolemodel und warum?

„Meine Rolemodels sind um mich herum, und das empfinde ich als riesiges Glück. Die Journalistin Teresa Bücker, die Aktivistin und Intellektuelle Kübra Gümüsay, die Programmiererin Lucy Höhler und die Europa-Abgeordnete Terry Reintke sind nur ein paar der Frauen, die ich zu meinen Freundinnen zählen kann und die mich tagtäglich mit ihrer Arbeit inspirieren. Aber natürlich gibt es auch ein paar noch bekanntere Frauen, die mich begeistern und deren Lebenswerk mich motiviert, ähnliches erreichen zu wollen. Eine ganz große Ikone ist für mich Hillary Clinton. Weil sie sich nie hat unterkriegen lassen und seit Jahrzehnten für menschlichere Politik und vor allem Frauenrechte eintritt. Sie zeigt Leadership im wahrsten Sinne des Wortes.“

Bitte den Satz ergänzen: Ich unterstütze meine Mitarbeiter*innen (Nachwuchskräfte, Kolleg*innen etc.) in schwierigen Situationen, indem…?

„… ich erst einmal zuhöre. Bevor man ein Problem wirklich angehen kann ist es wichtig, sich als Mensch angenommen zu fühlen und den emotionalen Ballast loszuwerden. Dadurch löst er sich nicht in Luft auf, aber er steht dann nicht mehr im Weg, wenn es darum geht, Handlungsoptionen zu entwickeln. Als Mensch ernstgenommen und wertgeschätzt zu werden ermutigt Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen, sich auf ihre eigenen Stärken zu fokussieren und selbst Lösungen zu entwickeln. Bei konkreten Aufgaben und Projekten ist es mir wichtig, eine Balance zu schaffen. Ich will, dass meine Mitarbeiter*innen genau so frei und selbstständig arbeiten, dass sie sich weiterentwickeln und lernen. Gleichzeitig versuche ich sicherzustellen, ihnen genau so viel Unterstützung zu geben, damit sie sich nie alleingelassen oder überfordert fühlen.“

Angenommen eine Freundin/Kollegin/Mitarbeiterin denkt oft: „Ich verdiene den Erfolg gar nicht“, „Ich bin gar nicht gut genug“, „Das schaffe ich nie“, „Andere sind um Welten besser als ich…“ – Was raten Sie?

„Ich erzähle von meinen eigenen Erfahrungen. Als ich als junge Unternehmensberaterin zum Managing Partner gerufen wurde, hatte ich panische Angst, gleich gekündigt zu werden. Was stattdessen passierte, war, dass ich wegen überdurchschnittlicher Leistungen vorzeitig befördert wurde. Solche Gedanken kennen sehr, sehr viele, gerade Frauen. Frauen werden in unserer Gesellschaft nach wie vor dazu sozialisiert, eigene Fähigkeiten und Erfolge abzuwerten. Sich das klar zu machen, hilft ein bisschen. Sich dann klar zu machen, und von anderen bestätigt zu bekommen, wie gut man wirklich ist und was man schon alles erreicht hat, hilft noch mehr. Ich erkläre ihr also, warum sie die Klügste, Tollste und Best-Qualifizierteste ist. Wäre sie das nicht, wäre sie schließlich nicht meine Freundin, Kollegin oder Mitarbeiterin.“

Ein No-Go im Umgang mit Mitarbeiter*innen ist für mich…?

„… laut werden. Mitarbeiter*innen oder – noch schlimmer – Vorgesetzte, die ihre schlechte Laune an ihrem Team auslassen, gehen absolut gar nicht. Natürlich habe auch ich mal schlechte Tage, aber dafür habe ich Schokolade in der Schublade, deswegen pampe ich nicht meine Mitarbeiter*innen an.“

Feedback ist für mich…?

„… Überlebenselixier. Ich langweile mich schnell, um mich weiter zu entwickeln und in dem, was ich tue, noch besser zu werden, ist konstruktive Kritik essentiell. Aber natürlich ist mir auch die Anerkennung in Form von positivem Feedback von Vorgesetzten und meinem Team wichtig. Manchmal sind es die kleinen Kommentare, die einen Tag versüßen.“

Über ihre Erfolge sollten Frauen…?

„… reden, reden, reden! Da das vielen schwer fällt: Bildet Banden! Lobt das Projekt einer Kollegin im Meeting oder gratuliert ihr per reply-all, wenn sie an den Chef ein positives Ergebnis berichtet. Was auch viel wert ist: eine Liste mit den eigenen Erfolgen zu führen. Die hilft in schwierigen Situationen als Motivation und liefert Munition für die nächste Gehaltsverhandlung.“

Her mit dem Geld: Ihr Ratschlag an andere Frauen für Gehaltsverhandlungen?

„Drei Schritte: Zuerst einmal Zahlen sammeln. Was kriegen andere für vergleichbare Jobs, welche Sprünge sind im Unternehmen üblich und vor allem: Was will ich wirklich haben? Ungefähr 20 Prozent darüber liegt der richtige Einstiegspunkt für die Verhandlung.

Zweiter Schritt: Üben. Um sich damit wohl zu fühlen hilft es, mit einer Kollegin oder Freundin das Gespräch zu simulieren und immer wieder die eigenen Leistungen zu erwähnen, sowie die Pläne, wie man zukünftig zum Unternehmenserfolg beitragen wird.

Dritter Schritt: Ein größeres Ziel vor Augen haben. Es geht nicht nur um das Monatsgehalt, es geht auch um mehr Spielraum für die eigene Familie, die lange erträumte Weltreise und auf jeden Fall geht es in jeder Gehaltsverhandlung einer Frau auch um den Gender-Pay-Gap künftiger Generationen!“

Verbündete und Mentor*innen finde ich, indem….?

„… ich suche nicht gezielt nach Menschen, die mir bei meiner Karriere weiterhelfen. Ich glaube, es funktioniert eher andersherum. Gemeinsame Interessen und Ziele verbinden und mit wem ich mich verbunden fühle, an die denke ich auch, wenn es um berufliche Schritte geht. Der Investor Tim Schumacher ist beispielsweise über meine politische Aktivität auf mich aufmerksam geworden und hat mich darüber für Eyeo rekrutiert. Bis heute ist er einer der besten Sparringspartner in meinem Job.“

In Konfliktsituationen bin ich…?

„… ruhig. Ich versuche, einen kühlen Kopf zu bewahren und erstmal zu deeskalieren. Denn wenn es zu hitzig her geht, ist es meistens nicht mehr konstruktiv. Ich versuche also, die gemeinsamen Ziele wieder in den Fokus zu rücken. Gerade beruflich habe ich aber über die Jahre auch gelernt, nicht zu harmoniebedürftig zu sein. Inhaltliche Konflikte müssen manchmal auf den Tisch gebracht werden, damit ein Projekt vorankommen kann. Zwischenmenschlich ist es genau andersrum, ohne eine gemeinsame Basis zu haben, kann ich nur schwer konstruktiv mit anderen zusammenarbeiten.“

Pannen sind…?

„… normal und eine gute Gelegenheit zu lernen, was man nächstes Mal besser machen kann. Aufstehen, weitermachen. Mir persönlich hat die Sieben-Sekunden-Regel viel geholfen. Es ist leider typisch für Frauen, sich tage- und wochenlang über Missgeschicke oder Fehler zu zermartern. Wenn man sich dabei ertappt, hat man laut dieser Regel genau sieben Sekunden, um sich nochmal richtig zu ärgern und dann legt man das Thema gedanklich ad acta und fokussiert sich auf das, was ansteht.“

Wie gehen Sie mit Stress um?

„Ich genieße ihn! Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Im Job habe ich lieber drei Projekte gleichzeitig als Leerlauf. Voraussetzung ist allerdings, dass ich genug Schlaf kriege. Wenn mein Kind oder mein Kopf mich nicht schlafen lassen, sinkt meine Leistungsfähigkeit rapide. Das stresst mich dann wirklich.“

Nein sagen sollten Frauen zu…?

„… Fleißarbeit. Leider dankt es einem niemand, wenn man immer diejenige ist, die noch in letzter Sekunde die hässlichen Folien von Kolleg*innen schön macht oder als einzige im Team immer die Spülmaschine ausräumt. Energie kostet es aber trotzdem. Die sollte man aber lieber in Projekte stecken, mit denen man wirklich glänzen kann.“

Sie merken, dass Sie unglücklich sind in Ihrem Job. Was tun Sie?

„Kommt drauf an. Ist es ein kurzfristiges Problem, helfen Schokolade und private Glücksmomente. Ist allerdings klar, dass es mit Augen zu und durch nicht getan ist, prüfe ich zwei Optionen: Wie kann ich meinen aktuellen Job umgestalten, damit er mich wieder glücklich macht. Gibt es Projekte, die ich abgeben kann oder andere, die mich reizen? Mit wem will ich zusammenarbeiten? Habe ich die richtigen Ziele und Perspektiven?

Wenn ich auf diese Fragen keine befriedigenden Antworten finde, dann heißt es Linkedin-Profil aktualisieren – im Idealfall ist das natürlich immer aktuell, aber so perfekt bin ich leider noch nicht – und das Netzwerk aktivieren. Um den nächsten Traumjob zu finden, braucht man allerdings Zeit und Offenheit für wirklich Neues. Keinen meiner bisherigen Jobs habe ich über klassische Ausschreibungen entdeckt, eher über sehr unerwartete Ecken. Ich bin gespannt, wie es beim nächsten Mal läuft.“

Anderen Chefs würde ich gerne sagen,…

„… dass es auch Chefinnen gibt. Und Chefinnen mit Baby oder Kopftuch oder Rollstuhl oder Partnerin. Wenn wir, gerade hierzulande, an Che“ denken, steht vor unserem inneren Auge ein mittelalter weißer Mann im Anzug. Die einzige Diversität sind Sneakers statt Lederschuhe, wenn es um Start-ups geht. Chefs haben Macht und Macht sollte gerechter verteilt werden. Ich will mehr Frauen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund mehr queere Menschen und mehr aktive Eltern in Führungsfunktionen sehen. Chefs von heute, ihr habt das in der Hand!“

Frau Dornheim, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt. Mehr Interviews zu Diversity, Management und Leadership findet ihr im Handelsblatt-Special „Shift“. Carina hat außerdem eine Karriere-Kolumne bei Audible.

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