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Maaßen geht und alles ist gut? Nein, der Verfassungsschutz muss rechtsextremen Terror endlich wirklich bekämpfen

Der Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen wurde nun doch in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der eigentliche Skandal aber ist, dass die Behörde nach der Selbstenttarnung des NSU sechs Jahre lang einen Präsidenten hatte, der die Bekämpfung von Rechtsterrorismus nicht als oberste Priorität angesehen hat, kommentiert unsere Redakteurin Helen heute in ihrer Kolumne: „Ist das euer Ernst?”.

Maaßen in den Ruhestand – Problem gelöst?

Am Montag blieb Horst Seehofer nichts anderes mehr übrig: Er musste den Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, nun doch in den einstweiligen Ruhestand versetzen, anstatt ihn wie geplant, sobald ein*e Nachfolger*in gefunden worden wäre, ins Innenministerium zu holen. Zur Erinnerung: Maaßen hatte nach den rechtsextremen Ausschreitungen und rassistisch motivierten Hetzjagden in Chemnitz im September in einem Interview mit „Bild“ die Echtheit eines Videos bezweifelt, das genau diese Ausschreitungen und Hetzjagden belegt hatte. Journalist*innen bewiesen die Echtheit – das hätte eigentlich auch für den Verfassungsschutz kein Problem darstellen sollen. Maaßen entschuldigte sich nicht und wurde von seinem Chef, dem Innenminister Horst Seehofer, dennoch nur mit einer Versetzung ins Innenministerium „bestraft”.

Soweit der Plan. Am vergangenen Wochenende wurde dann allerdings eine Rede Maaßens öffentlich, die er vor europäischen Geheimdienstchef*innen hielt und deren Inhalt man nicht noch einmal dezidiert wiedergeben muss. Kurz zusammengefasst: Maaßen sieht das Ganze als Komplott einiger „linksextremer” Kräfte in der SPD und Journalist*innen, um die Große Koalition zu beenden. Das ist tatsächlich so absurd, dass es schon fast lustig wäre. Ein paar freche Sprüche darüber, dass es die SPD ja noch nicht einmal schafft, links zu sein, ein bisschen Freude darüber, dass Maaßen nun doch gehen muss, vielleicht noch die Forderung, dass Horst Seehofer nun aber wirklich zurücktreten müsste und die Vermutung, dass die AfD nun vielleicht einen neuen Spitzenpolitiker gewonnen haben könnte (zumindest das hat Maaßen schon dementiert). Und dann ist auch mal wieder gut mit dem leidigen Thema. Das Problem aber ist mit der Pensionierung Maaßens nicht erledigt.

Maaßen ist nur der Kopf eines kritikwürdigen Systems

Das Problem ist die Behörde, deren Linie Maaßen in den vergangenen Monaten nur ausnahmsweise mal so stark in die Öffentlichkeit getragen hat, dass sie für wirkliche Empörung in der Gesellschaft gesorgt hat. Dass der Verfassungsschutz allerdings eine Agenda verfolgt, die Gefahren, die von rechtsextremen Kräften ausgehen, abwertet, und die vermeintliche Gefahr durch Linksextremismus regelmäßig hochstilisiert, arbeiten Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen, die sich intensiv mit der Behörde beschäftigen, schon lange heraus.

Alleine das Versagen des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU füllt zurecht ganze Bücher. Maaßen ist 2012 offiziell angetreten, um genau dieses Versagen aufzuarbeiten. Sechs Jahre später geht er in den Ruhestand und hat vor allem eins erreicht: der NSU gilt als aufgeklärt (im aktuellen Verfassungsschutzbericht taucht der Begriff „NSU” schon gar nicht mehr auf), die Behörde steht besser da als vorher: mehr Personal, mehr Geld, mehr Befugnisse und die Blindheit auf dem rechten Auge ist Teil der inoffiziellen Agenda (eine sehr gute Analyse hierzu hat zum Beispiel Charles Paresse für das Magazin „Der Rechte Rand” geschrieben).

Rechtsterrorismus muss endlich oberste Priorität werden

Maaßen hat mit seinem Interview mit „Bild“ und nun mit der Rede am 18. Oktober vor den europäischen Geheimdienstchef*innen deutlich nach außen getragen, was die Arbeit des Verfassungsschutzes schon lange bestimmt. Auch Maaßens Interimsnachfolger Thomas Haldenwang fährt eine ähnliche Linie, ist dabei nur leiser als Maaßen. In Zukunft wird die Behörde also wahrscheinlich wieder leiser operieren, weniger brisant macht das ihre Arbeit aber nicht.

Die Frage, die zurückbleibt: Warum hat die Personalie Maaßen erst jetzt für so viel Aufmerksamkeit gesorgt? Wie kann es spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU noch gesellschaftlich akzeptiert sein, dass ein*e Verfassungsschutzpräsident*in den Rechtsextremismus nicht als absolute Priorität benennt und verfolgt? Im Falle Maaßens ist es zu spät, aber bei seinen Nachfolger*innen ist es deshalb umso wichtiger, dass wir nicht mehr wegschauen. Das kann man nicht oft genug wiederholen.

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