Die Doula und Autorin Miriam Zoila Pérez begleitet bei ihrer Arbeit werdende Eltern in den USA. In ihrem TED-Talk „How racism harms pregnant women“ erklärt sie, welchen Einfluss Diskriminierung und Rassismus auf die Gesundheit von werdenden Müttern und ihren Kindern hat. Eine einfache Methode soll die Schwangeren entlasten.
Was macht eine Doula?
Das Arbeitsfeld der TED-Speakerin Miriam Pérez ist in Deutschland nur wenigen bekannt. Pérez, die sich selbst als „birth activist“ bezeichnet, setzt sich für Gleichbehandlung und Selbstbestimmung in der Geburtshilfe ein. Als Doula begleitet sie Frauen vor, während und nach der Geburt als emotionale Unterstützerin.
Anders als eine Hebamme hat Pérez keine medizinische Ausbildung, sondern versteht ihre Arbeit als Ergänzung zur medizinischen Betreuung. Doulas sind in den USA auch deshalb gefragt, weil es in US-Krankenhäusern weniger Hebammen gibt, die Frauen während der Geburt betreuen.
Diskriminierung macht krank
Neben ihrer Arbeit als Doula ist Miriam Zoila Pérez in den USA vor allem als Social-Justice Aktivistin und Autorin bekannt. Sie sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Rassismus und erhöhten Gesundheitsrisiken bei nicht-weißen Müttern und Neugeborenen.
Während der Zusammenhang zwischen anhaltendem Stress und chronischen Erkrankungen nachgewiesen ist, weiß man über Diskriminierung als Ursache für chronischen Stress noch wenig.
Eine 2016 erschienene Studie zeigt, dass Menschen, die verstärkt Diskriminierung erfahren, über eine schlechtere gesundheitliche Konstitution verfügen als Nicht-Betroffene. Dabei, so Pérez, löse auch die Angst vor potentieller Diskriminierung den gesundheitsschädigenden, chronischen Stress aus.
In der Schwangerschaft kann dieser zu Bluthochdruck, vorzeitigen Wehen und geringem Geburtsgewicht bei Neugeborenen führen. Sogar ernsthafte Komplikationen, die zum Tod von Mutter und Kind führen können, gehen mitunter auf anhaltenden Stress zurück, wie Pérez erklärt.
Welchen Einfluss hat Rassismus auf schwangere Women of color?
Bei ihren ersten Einsätzen als Doula in öffentlichen Krankenhäusern stellte Pérez fest, dass die gesellschaftliche Klasse und Hautfarbe ihrer Klientinnen einen enormen Einfluss darauf hatten, wie diese vom Krankenhauspersonal behandelt wurden.
Die von ihr zunächst gefühlte Ungleichbehandlung findet Bestätigung in einer weiteren Studie. Besonders afroamerikanische Frauen in den südlichsten US-Bundesstaaten leiden unter Rassismus in der Geburtshilfe – mit fatalen Folgen: Die Sterberate von Schwarzen Müttern und Neugeborenen ist dort zum Teil genauso hoch wie die in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, während in derselben Region kein einziger Sterbefall bei weißen Müttern bekannt ist.
Auf nationaler Ebene haben afroamerikanische Schwangere ein vier Mal höheres Risiko, während der Geburt zu sterben, als weiße. Das Risiko, dass ihre Neugeborenen innerhalb des ersten Lebensjahres sterben, ist doppelt so hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Babys zu früh oder untergewichtig geboren werden, ist doppelt bis drei Mal so hoch wie bei weißen Frauen.
Nicht nur arme Frauen sind betroffen. Tatsächlich leiden schwarze Frauen der Mittelschicht im Verhältnis zu ihrer weißen Vergleichsgruppe sogar am häufigsten unter Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen.
Miriam Pérez` erschreckendes Fazit: „Rassismus macht uns tatsächlich krank!“
Wertschätzung und Selbstbestimmung: Der Weg zu gesunden Müttern und Babys
Wie aber können Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, die auf Diskriminierung zurückgehen, verhindert werden? In ihrer Praxis als Doula hat Pérez gelernt, dass ein wenig uneingeschränkte Unterstützung Großes bewirken kann. Am Beispiel der Hebammenpraxis von Jenny Joseph aus Florida zeigt sie, wie ein Pflegemodell aussieht, bei dem die Patientinnen im Zentrum stehen. Das Team um die Hebamme betreut jährlich über 600 Frauen – die meisten darunter sind Afro- und Lateinamerikanerinnen.
Dass von ihren Patientinnen beinahe alle gesunde Kinder mit normalem Geburtsgewicht zur Welt bringen, führt Jenny Joseph auf das von ihr patentierte Pflegemodell „The JJ Way“ zurück: Das Menschliche steht im Vordergrund: Die medizinische Untersuchung – der teuerste Teil der Behandlung – nimmt nur einen Bruchteil der Zeit in Anspruch.
Geschultes Team mit flachen Hierarchien: Eins-zu-Eins-Betreuung der Patientinnen durch „staff eduactors“, die Abläufe rund um Schwangerschaft und Geburt erklären sowie Geburtsvorbereitungskurse anbieten
Vertrauensvolle Atmosphäre und passende Teamzusammensetzung: Die medizinischen Assistentinnen von Jenny Joseph sind junge, afroamerikanische Mütter, die alle Fragen der Schwangeren beantworten – auch per SMS außerhalb der Sprechzeiten. Respektvoller Umgang ohne Bevormundung der Patientinnen und Unterstützung bei bürokratischen Anliegen.
Miriam Pérez ist überzeugt davon, dass ein System wie das von Jenny Joseph in jeder Praxis angewendet werden kann und damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Rassismus darstellt:
„Wir können Rassismus und den Stress, der damit bei den Betroffenen einhergeht, nicht über Nacht auslöschen. Aber wir können eine Umgebung schaffen, die für ,people of color‘ einen Puffer bereitstellt, den sie bei ihren täglichen Erfahrungen mit Rassismus benötigen. Gerade in der Schwangerschaft kann dieser Puffer ein mächtiges Werkzeug sein, um den Einfluss von Rassismus auf Nachfolgegenerationen nachhaltig zu verändern.“
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