Noch immer wird Bisexualität häufig marginalisiert oder als (Orientierungs-)Phase abgetan. Schluss damit!
Es ist eine komische Angewohnheit, das Leben binär denken zu wollen. Denn sich ständig an einem Entweder–oder entlang zu hangeln, ist am Ende doch oft vor allem eine konstruierte Realität. „Bist du entweder ein Herzmensch oder ein Kopfmensch?“ Kommt auf die Situation an. „Rot oder Gelb?“ Keine Ahung, beides schön. Sich für eine Seite zu entscheiden – geht das überhaupt? Muss das eigentlich?
Wir leben in unserer Gesellschaft immer noch nach Normen und Perspektiven, die irgendwann von einer (vermeintlichen) Mehrheit festgelegten wurden – und auch wenn sie nicht für alle passen, sollen bitteschön alle danach handeln, lieben und entscheiden. So gehen wir etwa auch in einer heteronormativen Gesellschaftsstruktur fast selbstverständlich davon aus, dass jede*r, der/die nicht heterosexuell ist, natürlich homosexuell ist. Alle anderen Möglichkeiten scheinen noch allzu oft die Köpfe rauchen zu lassen. Aber, Überraschung, Sexualität ist vielfältig und wie so vieles im Leben lässt sie sich nicht in entweder–oder einteilen. Wieso sollte man auch?
#bivisibilityday – ein Tag für mehr Sichtbarkeit
Am 23. September war der #bivisibiltyday und mein Instagramfeed leuchtete in den bi-pride-Farben: Blau, Pink und Lila. Unter dem Hashtag sammeln sich Stimmen und Geschichten von Bisexuellen, die ihre Sexualität gebührend feiern, aber auch über Diskriminierung sprechen und aufklären. Denn bei Hashtags wie diesem geht es schließlich um Repräsentation und Gemeinschaft. Unsere Sexualität ist ein Teil von uns.
Vielleicht fällt es manchmal schwer zu verstehen, warum man sich in eine Schublade stecken und sich ein Label geben möchte. Dabei darf man aber nicht vergessen, was für ein unglaublich wichtiger, identitätsstiftender Moment hinter einem Namen stehen kann. Menschen, die bisexuell leben und lieben, sind in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch in Debatten über Sexualität häufig unterrepräsentiert. Und das, obwohl wir doch alle ach so aufgeklärt, so liberal sind – und dennoch wird Bisexualität immer und immer wieder marginalisiert. Stichwort: „Ach, du findest dich schon noch, das ist nur eine Phase!” Und noch viel Schlimmer, es ranken sich jede Menge Halbwissen und eigenartige Klischees um das Thema. Kultfigur Carrie Bradshaw sagte etwa einmal. „I’m not even sure bisexuality exists. I think it’s just a layover on the way to Gaytown.“ Was so viel bedeutet wie: Bisexualität existiert nicht wirklich, es ist mehr der schleichende Übergang zur Homosexualität. Autsch, Miss Bradshaw, Ikone meiner Teeniejahre! Um Ansichten wie diese zurück in die 2000er zu verbannen, räumen wir mal mit den gängigsten Vorurteilen über Bisexualität auf.
Was bedeutet bi sein?
Bisexualität ist eine sexuelle Orientierung, die definiert, dass man sich als Person zum gleichen und anderen Geschlechtern hingezogen fühlen kann. Das bedeutet nicht zwangsläufig zur selben Zeit oder auf die gleiche Art und Weise, noch muss das im gleichen Ausmaß sein. Bisexualität heißt nicht ausschließlich, wie man denken könnte, dass man auf Männer und Frauen steht. Das kann es aber bedeuten: für eine individuelle Person, die sich so labeln möchte. Damit entspricht diese Erklärung aber noch lange nicht der Realität für jeden bisexuellen Menschen. Wir bewegen uns heute vielleicht noch weitgehend in einem binären System, aber das schließt eben aus, was wahr ist: es gibt weitaus mehr als zwei Geschlechter. Eine Person, die sich als bisexuell labelt, fühlt sich auf körperlicher, romantischer und/oder emotionaler Ebene zu einer Person hingezogen, die das gleiche Geschlecht hat oder ein anderes. Das inkludiert also auch nonbinary und genderfluide Personen.
Bisexualität ist nicht limitiert
Bisexualität bedeutet nicht, dass man sich zu gleichen Anteilen zu dem eigenen Geschlecht, als auch zu anderen Geschlechtern hingezogen fühlt. Das kann es bedeuten, muss es aber nicht.
Erkläre mir nicht meine Sexualität
Viel zu oft wird Bisexualität als Phase abgetan. Als Experiment, das man machen muss, um sich auszuprobieren, bevor man sich dann den endgültig entscheidet, dass man doch exklusiv auf das eine oder andere Geschlecht steht. Als wäre das eine Entscheidung. Als wäre Sexualität nicht fluid.
Du kannst bi sein,
… wenn du nur Beziehungen mit Personen eines anderen Geschlecht hattest.
… wenn du nur Beziehungen mit Personen des gleichen Geschlechts hattest.
… wenn du noch nie in einer Beziehung warst.
… wenn du nur mit einer Person oder mehreren Personen eines anderen Geschlechts Sex hattest.
… wenn du nur mit einer Person oder mehreren Personen des gleichen Geschlecht Sex hattest.
… wenn du noch nie Sex hattest.
… wenn du in einer heterosexuellen Beziehung bist.
… wenn du in einer homosexuellen Beziehung bist.
… wenn du in gar keiner Beziehung bist.
Bisexualität leitet sich nicht von deinen Erfahrungen ab oder deiner momentanen Lebensrealität! Sondern von dem, was du fühlst.
Bisexualität und Pansexualität
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bisexualität und Pansexualität? Grundlegend sind sich die Definitionen von Bisexualität und Pansexualität sehr ähnlich. Beide sagen, dass man sich als bisexueller oder pansexueller Mensch zu allen Geschlechtern sexuell, romantisch oder emotional hingezogen fühlen kann. Der Unterschied wird meist so gemacht, dass Geschlecht für eine pansexueller Person irrelevant ist, aber für eine bisexuelle Person trotzdem das Geschlecht – aber nicht nur weiblich/männlich – in irgendeiner Form eine Rolle spielt. Deswegen sollte es eine persönliche Entscheidung der Präferenz sein, wie man sich identifiziert, ob pan oder bi. Das ist nur deine Sache.
Egal, welches Geschlecht und egal, welche Sexualität du hast, gelabelt oder nicht: jede*r sollte seine Sexualität so benennen und ausleben dürfen, wie man alleine es für sich richtig hält. Und das hat niemand anderes zu kommentieren, sondern bloß zu akzeptieren.
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