Foto: privat

Kopftuch-Debatte: Ein Kopftuch meldet sich zu Wort

Immer wieder wird in der Öffentlichkeit über das Kopftuch diskutiert. Wer dabei viel zu selten zu Wort kommt? Kopftuchträgerinnen wie unsere Community-Autorin.

Eine andere Perspektive …

So, ich hoffe ihr alle da draußen hattet jetzt genug Spaß und Zeit, so lange über Kopftuchverbot hin oder her, welcher Raum davon betroffen wäre, Gründe warum Musliminnen Kopftuch tragen und was auch immer, zu diskutieren.

Ich sehe ja die Diskussion ist wieder sehr hitzig geworden, wiedermal mit tollen Argumenten (Sarkasmus on) und vielen Beteiligten. Schön, dass ihr euch alle so um mich bemüht und kümmert und alle für mich sprechen wollt, aber niemanden tatsächlich meine Meinung interessiert. Ich beginne das mal ganz traditionell, wie es alle bis jetzt gemacht haben, und erkläre ,das Kopftuch‘.

Was hat es mit dem Kopftuch auf sich?

Das Kopftuch kommt im Deutschen von den Wörtern Kopf und Tuch. Menschen geben, wickeln, binden sich ein Tuch auf/um den Kopf, in ganz unterschiedlichen Kreationen. Daher kann das Tuch ganz unterschiedlich ausschauen. In unterschiedlichen Farben, Stoffen, Bindearten und dementsprechend kann man das ganz unterschiedlich wahrnehmen.

Das Kopftuch wird von vielen Menschen getragen. Von Superstars wie Grace Kelly in ihrem Vintage-Look, über Ikonen wie Rihanna mit ihrem Nude-Look, für den sie ausgezeichnet wurde, bis zu Legenden wie Amy Winehouse in ihrem berühmten Bandana-Kopftuch ( R.I.P. Amy).

Das Kopftuch ist auch Teil vieler traditioneller Kleidungen. Bei uns vor einigen Jahren auf dem Land, bis heute zu indischen oder pakistanischen Kleidungen als Duppatka dazugehört oder in vielen arabischen Ländern von Männern getragen, genannt auch Kufiye oder Ghuttra.

Aus der Perspektive einer Muslima mit Kopftuch

Aber lang genug geredet. Um das alles geht es nicht. Wenn wir diskutieren oder reden geht es nur um das eine: DAS VON MUSLIMISCHEN FRAUEN GETRAGENE KOPFTUCH.

TAN, TAN, TAN, TAAAA!!! (Dramatische Musik) Und ich trage auch eins! Zuerst einmal: Ich trage das Kopftuch nicht aufgrund irgendeiner Symbolik, noch ist es ein Zeichen des Islamismus oder einer anderen Bedrohung. Um das ganze auch ziemlich klar geäußert zu haben: Nein, unter meinem Kopftuch trage ich keine Bombe. Nein, diese Nadeln im Tuch sind keine Gefahr für die Öffentlichkeit (außerdem sind sie gar nicht mehr IN, man trägt jetzt Magnete keine Nadeln mehr). Und nein, ich möchte mit meinem Tuch keiner Menschenseele etwas Böses antun (und an alle Tierfreunden da draußen: auch keinem Tier oder sonstigem Lebewesen).

Ich trage mein Kopftuch auch nicht um Männer nicht in Versuchung zu bringen, denn die sollen sich selbst zusammenreißen. Trotzdem habe ich mich entschieden ein Kopftuch zu tragen, ja selbst und frei. Ja, ich entscheide mich jeden Tag aufs Neue, wie viel ich heute von meinem Körper zeige. Und jeden Tag entscheide ich mich aufs Neue mehr oder weniger zu zeigen. Und ja, jetzt bei den Minusgraden würd ich am liebsten gar nichts herzeigen, dafür gibt es andere Tage, an denen es anders ausschaut. Aber weißt du was? Das geht niemanden was an! Ganz schlicht und einfach niemanden! Wann ich was wo und wie viel herzeige, das geht einfach niemanden etwas an!

Meine Gründe gehen niemanden etwas an!

Das müssen einige da draußen lernen. Sie müssen lernen, dass sie damit leben müssen, dass wir in einer liberalen, pluralistischen und säkularen Gesellschaft leben. Genau das, was sie mir als Muslima immer wieder vorwerfen nicht zu leben, genau das praktizieren sie selbst nicht.

Pluralistische Gesellschaft bedeutet nämlich, dass ganz viele unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Lebensstilen zusammenleben können und das sogar erwünscht ist. Eine liberale Gesellschaft, in der die Freiheit des Individuums gewahrt wird – und somit auch meine.

Eine säkulare Gesellschaft, in der nicht unterschieden wird zwischen einer „historisch gewachsenen Kultur“ und einer, die ihrer Meinung nach keine ist. Und um das geht es hier. Das müssen ganz viele verstehen. All diese Werte unserer Demokratie müssen wir nochmal erklären, wir müssen sie Menschen beibringen und vorleben. Deshalb finde ich es nur begrüßenswert, wenn eine Muslima mit Kopftuch im Klassenzimmer steht und unterrichtet, denn sie lebt genau diese Werte vor. Sie lehrt eine neue Generation, dass es total egal ist, wie ein Mensch ausschaut, wie ein Mensch sich kleidet, wie ein Mensch lebt oder liebt, sondern dass es tatsächlich nur darum geht, den Menschen zu respektieren, egal wie er ist. Ob er so ist wie ich oder eben nicht so ist wie ich.

Daher finde ich es unbedingt notwendig, dass noch mehr Vielfalt im öffentlichen Raum sichtbar wird, denn erst dann können wir viele Probleme wie Rassismus, Diskriminierung, Homophobie, Ausgrenzung u.v.m. in unserer Gesellschaft beheben und etwas dagegen tun. Erst dann können wir von wirklichen Vorbildern reden, die die unterschiedlichen Bilder unserer Gesellschaft vorleben.

Denn auch ich bin ein Bild davon. Auch ich bin ein Vorbild. Und nicht nur ich, sondern noch ganz viele andere. Mit unserem Kopftuch. Ein Kopftuch meldet sich zu Wort. Ende.

Dieser Text ist bereits auf Asmas Blog erschienen. Wir freuen uns sehr, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

Mehr bei EDITION F

Juhu! Erstmals moderiert in Kanada eine Frau mit Hidschab die Nachrichten. Weiterlesen

Mein Kopf, meine Entscheidung: Weshalb sich der Feminismus mit dem Kopftuch versöhnen sollte. Weiterlesen

Wie es ist, als Heizungsableserin mit Kopftuch zu arbeiten. Weiterlesen

Anzeige