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Warum wir Weihnachten über Politik diskutieren sollten

Weihnachten ist das Fest der Liebe, da soll niemand streiten. In Angesicht von rechter Hetze, Rassismus, Homophobie und Sexismus dürfen wir die Diskussionen aber auch in der besinnlichen Zeit nicht scheuen. Ein Plädoyer.

 

Der Hass und die Mitte der Gesellschaft 

In Deutschland gab es im Jahr 2016 bereits 884 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte – das sind mehr als zwei pro Tag. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist die Zustimmung zu Vorurteilen gegenüber asylsuchenden Menschen von 44 Prozent 2014 auf 50 Prozent 2016 gestiegen. 25 Prozent der Befragten meinen darüber hinaus, dass Juden heutzutage aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihre Vorteile ziehen – das ist jede vierte Person. Die AfD ist dieses Jahr in fünf neue Landtage eingezogen. Selbst in Berlin kam die Partei auf 14,2 Prozent. Fast jede siebte Person hier, hat dem rechten Gedankengut seine Stimme gegeben. Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Hass gegen Geflüchtete, Asylsuchende und Ausländer – all das sind keine Randerscheinungen mehr, diese Einstellungen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen – wenn sie denn überhaupt jemals nicht Teil unserer Mitte waren.

„Das wird man ja noch sagen dürfen”, „Ich bin nicht rassistisch, aber…”, „Und, wer denkt an die kleinen Leute?” – Sätze, die ich dieses Jahr viel zu häufig gehört habe. Ein wichtiges Argument von Leuten, die Verständnis für diese Aussagen zeigen, ist, dass wir die Abgehängten nicht vergessen dürften. Auch Trumps Wahlsieg wird häufig damit erklärt, dass er die Leute angesprochen hat, die sich vom System vergessen fühlen. Das mag richtig sein, Rassismus, Wut aufs System und die Schuldzuweisungen gegen Minderheiten sind aber dadurch aber trotzdem nicht zu rechtfertigen.

Die Angst wird instrumentalisiert 

Die Reaktionen auf die Ereignisse auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin haben es einmal mehr bewiesen: Der Hass ist real. Rechte Populisten aus der AfD oder aus Reihen Pegidas, aber auch der allgemeine „kleine Mann” oder auch die „kleine Frau”, die sich so wahnsinnig ungerecht behandelt fühlen – „Ja, wann hat Merkel denn mal eine arme deutsche Rentnerin umarmt?” fragte eine Frau aus Sachsen neulich tatsächlich in einer Reportage vom Y-Kollektiv, einem Netzwerk junger Journalisten – warten nur darauf, Einzeltaten für ihren Feldzug gegen den Islam und Geflüchtete zu instrumentalisieren. Das Erschreckende: Sie finden immer mehr Anklang in unserer Gesellschaft, in unserem Umkreis, vielleicht sogar im eigenen Freundes- und Familienkreis.

Erfreulicher Weise gab es auch viele Reaktionen gegen den Hass. In Berlin und an vielen anderen Orten in Deutschland gab es am Mittwochabend Veranstaltungen unter dem Motto: „Zusammenhalten”, Der Spruch: „Hass ist krass. Liebe ist krasser” der Streetart-Künstlerin Barbara zieht weite Kreise durch das Netz und hatte es sogar an die Tür des AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell im Brüsseler Europaparlaments geschafft. Diese Zeichen der Solidarität sind gut und wichtig, aber sie dürfen uns nicht vergessen lassen, dass Rassismus, Islamophobie, aber auch Antisemitismus, Homophobie, Xenophobie und Sexismus immer noch ein großes Problem sind in unserer Gesellschaft. 

Und genau deswegen müssen wir Weihnachten über Politik diskutieren. Genau deswegen, dürfen wir uns nicht ein großes Stück Gans in den Mund schieben, wenn Onkel Herbert sich fragt, ob man denn wirklich so viele Flüchtlinge aufnehmen müsse, sondern ihn darauf aufmerksam machen, dass Menschen nicht ohne Grund fliehen. Genau deshalb müssen wir beim alljährlichen Klassentreffen etwas erwidern, wenn sich jemand über die Political Correctness aufregt. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen” – Nein, darf man nicht! Über Political Correctness sollte man sich niemals aufregen, wenn man nicht Teil einer Gruppe ist, die durch das Gegenteil davon degradiert wird.

Hilfe gegen den Hass

Da es nicht immer so leicht ist gegen den Hass anzudiskutieren und gleich ein schlagendes Argument bereit zu haben, hat sich eine Gruppe von Aktivistinnen etwas sehr Hilfreiches einfallen lassen: Einen Facebook-Messenger-Bot, der uns schnell mit guten Argumenten versorgt und uns digital unterstützt. „SOS-Weihnachten: Argumente gegen Vorurteile” heißt die Seite, der man im akuten Fall eine Nachricht schreiben kann und die einen dann dabei hilft, den Ressentiments etwas entgegenzusetzen.

Solche Diskussionen an Weihnachten kosten uns vielleicht das besinnliche Fest, aber gerade steht so viel mehr auf dem Spiel.

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