Warum sind es so häufig die Frauen, die sogenannte „non-promotable tasks“ übernehmen – also Aufgaben, die für die Karriere nicht relevant sind? Und was können Unternehmen tun, um die Last gerecht zu verteilen? Unsere Autorin Ylva Tebartz schreibt in der Voices-Kolumne darüber, wie wir alle zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz beitragen können und warum es wichtig ist, „Nein“ zu sagen.
Im Oktober fand der FEMALE FUTURE FORCE DAY in der Kongresshalle bcc Berlin unter dem Motto „Bridge the Gap“ statt. In Panels, Masterclasses und Lesungen wurden die allgegenwärtigen Ungleichheiten in nahezu allen Lebensbereichen adressiert: Gender Pay Gap, Gender Health Gap, Gender Care Gap, Gender Data Gap und so vieles mehr.
Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz
Und wenn es eine Ungleichheit gibt, die mich so richtig aufregt, dann ist es die Ungleichheit am Arbeitsplatz. Allen voran natürlich der Gender Pay Gap. Doch damit geht noch so vieles mehr einher. Beispielsweise übernehmen Frauen häufiger Aufgaben am Arbeitsplatz, die weniger sichtbar und nicht karrierefördernd sind. Laut „Psychology Today“ übernehmen Frauen 55 Prozent mehr Aufgaben, die im Büro anfallen, wie beispielsweise Get-Together organisieren oder Geld für einen Geburtstag sammeln.
Das ist auch bei mir ein wunder Punkt – gemeinsame Mittagessen habe oft ich initiiert, Süßes für einen Geburtstag besorgt oder Möbel fürs Büro bestellt. Denn ich möchte ja nicht so wirken, als sei ich undankbar oder mir zu schade, auch Aufgaben zu erledigen, die eigentlich nicht in meine Stellenbezeichnung fallen. Beispielsweise auch Notizen im Call zu machen und ein Follow-up an die Runde zu schicken. Auch das sind „non-promotable tasks“, die nicht zur Karriereentwicklung von Frauen beitragen. Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass Frauen diese Aufgaben nicht nur häufiger übernehmen, sondern auch häufiger darum gebeten werden. Und wenn ich selbst darüber nachdenke, erscheint es mir auch einleuchtend, dass mein 30 Jahre älterer Kollege nicht danach gefragt wird, einen Schreibtisch fürs Office zu besorgen, ich aber schon. Auch ich bin also voreingenommen, wenn es um die Einteilung der Aufgaben geht.
Frauen leisten nicht nur mehr Arbeit als Männer – die Arbeit wird auch weniger gewertschätzt
Dass emotionale Arbeit nicht selten an Frauen hängen bleibt, wissen wir schon länger. In Beziehungen sorgen Frauen häufiger für Harmonie. Und diese Last macht auch vor dem Arbeitsplatz keinen Halt. So sind es Frauen, die soziale Beziehungen eher aufrechterhalten als Männer. Sie bemühen sich um das Wohlbefinden im Team und kümmern sich um die Emotionen der Kolleg*innen, wenn es eben sein muss. Diese unsichtbare emotionale Arbeit hat laut „Psychology Today“ zur Folge, dass Frauen auch bis zu zehn Prozent mehr arbeiten als ihre männlichen Kollegen. Und dass diese Arbeit nicht gewertschätzt wird.
The No Club
Doch warum übernehmen Frauen diese Aufgaben, wenn sie nicht karrierefördernd sind und nur dazu führen, dass sie noch mehr machen? Die Gründe sind vielfältig. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung an Frauen ist sicherlich einer davon. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Lise Vesterlund beschreibt in dem Buch „The No Club: Putting a Stop to Women’s Dead-End Work“, dass Frauen nicht nur häufiger „Ja“ zu diesen „non-promotable tasks“ sagen, sondern dass sie auch mit starken negativen Reaktionen rechnen müssen, wenn sie ablehnen, diese Aufgaben zu übernehmen.
Vesterlund schreibt, dass Mitarbeiterinnen, die ihre Arbeitszeit mit unproduktiven Aufgaben verbrachten, schlechter bezahlt wurden und schlechtere Chancen in Gehaltsverhandlungen hatten. Sie fand zudem heraus, dass Männer das Übernehmen dieser Aufgaben viel strategischer angehen als ihre Kolleginnen. Sie suchten sich beispielsweise die Aufgaben aus, die ihnen Zugang zu wichtigen Kontakten verschafften. Doch was können Unternehmen und Führungskräfte dagegen tun, sodass sich die Arbeitsaufteilung gleich auf beide Geschlechter verteilt? Vesterlund schlägt vor, dass die Aufgaben nach dem Zufallsprinzip oder nach einem Dienstplan zugewiesen werden. Weiterhin könnten sie auf mehrere Mitarbeiterinnen aufgeteilt werden oder mit bestehenden Zuständigkeiten oder Fähigkeiten in Einklang gebracht werden. Männer könnten zudem proaktiv ihre Hilfe bei nicht-karrierefördernden Aufgaben anbieten oder sie ganz übernehmen.
Auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz sollten Frauen dazu ermutigt werden, „Nein“ zu sagen. Unternehmen müssen aktiv dafür sorgen, dass Mitarbeitende ein „Nein“ nicht als unkollegial wahrnehmen und gezielt Maßnahmen ergreifen, um Frauen in der Rolle als soziale Organisatorinnen abzulösen.
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