Endometriose trifft jede 10. Frau in Deutschland. In den letzten 20 Jahren aber wurden gerade mal 500.000 Euro Forschungsgelder dafür ausgegeben. Jetzt sind immerhin weitere fünf Millionen zugesagt.
500.000 Euro für 20 Jahre sei natürlich ein Witz, sagt Prof. Mandy Mangler. „Auch fünf Millionen sind nicht viel, wenn man sich andere Kosten im Gesundheitswesen anschaut. Zum Vergleich: Prostata-OPs werden oft und gern mit Robotern durchgeführt. Jeder einzelne Fall kostet so 2000 Euro zusätzlich. Und ein Roboter kostet eine Million Euro.“
Warum wird bei Krankheiten, die nur Frauen betreffen, so wenig geforscht?
„Das liegt hauptsächlich an einem männerdominierten Blick auf Medizin. Auch Geburtshilfe, Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche sind vernachlässigte Gebiete. Die Berufsverbände sind männlich besetzt, die Chefarztposten ebenso – und so weiter.
Deshalb verändert sich alles sehr langsam, oder es bleibt alles, wie es ist – und das wahrscheinlich noch eine ganze Weile. Bei Gebärmutterausschabungen kommt noch immer ein Metalllöffel zum Einsatz, der zu Verletzungen führen kann. Diese Kürette ist ein Instrument aus dem 18. Jahrhundert.“
Sind moderne OP-Techniken bei Erkrankungen der Gebärmutter nicht möglich?
„Natürlich könnten auch viele Gebärmutter-OPs mittels Roboter ausgeführt werden – aber es fehlt noch das Bewusstsein, auch hier für Verbesserungen zu sorgen. Eine gebärmuttererhaltende Therapie wird außerdem immer noch schlechter vergütet als die Entfernung – obwohl das Entfernen einfacher ist und weniger aufwendig.“
Was wären Ihre Ansätze, etwas daran zu ändern?
„Wir lassen insgesamt zu viele Chancen in der Frauengesundheit liegen. Die 800.000 Geburten pro Jahr könnte man zum Beispiel perfekt für ein Big-Data-Projekt auswerten und eine KI entwickeln, um Geburten besser zu planen und sicherer zu machen. Aber Geburtshilfe gilt in der Medizin als nicht so relevant. Einfach weil die Entscheidungsträger – mittelalte Männer – das Problem nicht haben.“
Woran fehlt es in der Gynäkologie noch?
„Bis vor ein paar Jahren gab es 300.000 Gebärmutter-Entfernungen jedes Jahr. Heute sind es immer noch 120.000 – bei gutartigen Erkrankungen, wohlgemerkt. Da sind häufig alternative Konzepte möglich.
Oft heißt es da bei älteren Frauen: Das brauchen sie doch nicht mehr. Aber die Gebärmutter ist ja Teil ihres Körpers. Man nimmt bei Prostata-OPs ja auch nicht die Hoden raus. Es ist wahrscheinlich, dass Gebärmutter und Eierstöcke beispielsweise für das Orgasmusempfinden eine Funktion haben. Dies ist überhaupt nicht erforscht.“
Weibliche Sexualität ist in der Gynäkologie also kein Faktor?
„Ein bekannter Frauenarzt sagte mal auf einer Tagung, die Befeuchtung der Vagina sei nach einer Gebärmutterentfernung ja nicht viel schlechter – wo liege das Problem. Da war ich sprachlos. Denn die Feuchte der Vagina hat nichts mit dem Auslösen des weiblichen Orgasmus zu tun. Die Klitoris ist verantwortlich. Aber die wird in der Medizin quasi ,geghostet‘.“
Können Sie das erklären?
„Die Klitoris wird in den standardisierten Aufklärungsbögen der Unterleibs-OPs nicht dargestellt. Sie ist nicht eingezeichnet, selbst wenn es um eine OP an der Vulva geht, sieht man als Patientin und als aufklärende*r Ärzt*in die Klitoris auf dem Schaubild nicht.
Und es gibt tatsächlich Operateur*innen, die sich nicht im Klaren darüber sind, wie die Anatomie der Klitoris wirklich aussieht. Zwangsläufig entfernen sie dann aus Versehen etwas bei Operationen in diesem Gebiet.“
Zur Person: Mandy Mangler ist Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und dem Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin und Mutter von fünf Kindern. Sie gilt als Expertin für feministische Gynäkologie und ist Autorin des Podcasts Gyncast.
Dieser Text erschien erstmals bei Bild der Frau am 29. Februar 2024.