Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine dringende Notwendigkeit für unser aller Leben. Sarah Stachelscheid hilft Unternehmen dabei, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Sie ist Sustainability-Beraterin bei PwC Deutschland und wir durften sie einen Tag lang in Köln begleiten.
Eine ganze Reihe von Unternehmen beschäftigt sich schon seit langem mit dem Thema Nachhaltigkeit und in diesem Rahmen insbesondere mit dem Klimaschutz. Mittlerweile hat sich in dem Bereich aber eine ganz neue Dynamik und Dringlichkeit entwickelt. Der Fokus liegt auf der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, um einen Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens zu leisten.
Wir sprachen mit Sarah Stachelscheid, Sustainability-Beraterin bei PwC Deutschland, über die großen und sehr verschiedenen Herausforderungen in ihrem Job.
Liebe Sarah, was genau sind deine Aufgaben bei der Nachhaltigkeitsberatung von Unternehmen?
„Meine Aufgaben sind ziemlich vielseitig. Als ich 2017 nach meinem Studium bei PwC anfing, dachte ich, dass ich maximal zwei Jahre dort bleiben würde. Inzwischen sind es schon fast vier Jahre, denn es kommen immer neue Projekte, Themen und Herausforderungen auf mich zu – was natürlich mit der großen Bandbreite im Bereich Nachhaltigkeit zusammenhängt: sei es das Thema Menschenrechte in der Lieferkette, die Implementierung in der Kreislaufwirtschaft oder die Entwicklung von ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategien.
Zu Beginn lag mein Fokus stark auf dem Bereich Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel. Problematiken wie Plastik in den Meeren hatten eine besondere Dringlichkeit, immer mehr Unternehmen wollten auf umweltfreundliche Verpackungen umsteigen. Mittlerweile fokussiere ich mich unter anderem auf die Entwicklung von Klimastrategien und das sogenannte ,Corporate Carbon Accounting‘. Ich helfe Unternehmen dabei, ihren CO2-Fußabdruck vollständig zu berechnen und zu bilanzieren, indem ich ihnen alle Emissionen vor Augen führe, die in der eigenen Produktion und in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette anfallen. Dazu arbeite ich mit Daten und Berechnungsmodellen und verknüpfe Aktivitätsdaten mit entsprechenden Emissionsfaktoren. Aus dieser Berechnung können die Emissions-Hotspots entlang der Wertschöpfungskette identifiziert werden. Anschließend helfen wir Unternehmen, die einen Beitrag zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad beziehungsweise 2 Grad leisten wollen, bei der Entwicklung von Klimazielen, die wissenschaftlich fundiert sind und mit dem neuesten Stand der Klimawissenschaft übereinstimmen.
Ein anderer Teil meiner Arbeit besteht darin, Unternehmen bei der Umsetzung von Klimazielen zu beraten. Diese Transformation ist für mich besonders spannend, da es in den meisten Unternehmen sowohl eine Unternehmensstrategie als auch eine separate Nachhaltigkeitsstrategie gibt. Durch die neu gesetzten Ziele kommen beide Bereiche oft miteinander in Kontakt und müssen stärker zusammengedacht werden. So kann ich die Themen Klimaschutz und Strategieberatung sehr gut miteinander vereinen.“
In den vergangenen drei Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit eine verstärkte Wahrnehmung in den Medien, im Alltag und in vielen Firmen erfahren. Spielt das Thema Nachhaltigkeit auch bei PwC selbst eine wichtige Rolle?
„Als ich meinen Job anfing, wussten die wenigsten Menschen in meinem Umfeld etwas mit dem Thema Nachhaltigkeit anzufangen. Auf einer Party wurde ich zum Beispiel gefragt, ob ich nun die Eisbären retten wolle. Das ist heute grundlegend anders und auch innerhalb unseres Unternehmens hat sich der Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren definitiv geschärft. In der Region West waren wir anfangs nur fünf Personen im Team Nachhaltigkeit, inzwischen hat sich die Zahl fast verdreifacht. Und erst kürzlich wurde bekannt, dass es bei PwC weltweit 100 000 Neueinstellungen mit Fokus auf Nachhaltigkeit geben soll. Das Thema hat also einen ganz anderen Stellenwert.
Damit die Entwicklungen auch intern weiter vorangetrieben werden, stößt unser CR-Team (Corporate Responsibility) in Deutschland regelmäßige Neuerungen in den Fokusbereichen Gesellschaft, Umwelt, Markt und Mensch an. Vor einem Jahr konnte man beispielsweise an einem ‘Green Summer Cup’ teilnehmen, bei dem alle Mitarbeitenden Videos drehen und im Intranet hochladen konnten, in denen sie eigene Ideen für mehr Nachhaltigkeit im Büro vorstellten: Duschen im Büro, damit mehr Menschen mit dem E-Bike zur Arbeit kommen zum Beispiel. Anschließend wurde intern über alle Ideen abgestimmt. Durch Aktionen wie diese werden wir alle stärker für das Thema Nachhaltigkeit im allgemeinen und Umweltschutz sensibilisiert und mit einbezogen. Und tatsächlich werden regelmäßig einige Maßnahmen umgesetzt, beispielsweise eine striktere Mülltrennung. Natürlich haben wir bei PwC auch eine Klimastrategie – wäre ja seltsam, wenn wir anderen Unternehmen dazu raten, ihre CO2-Emissionen zu senken, aber selbst keinen entsprechenden Plan hätten, beziehungsweise einen Beitrag leisten würden.“
Du hast bei PwC eine 75%-ige Stelle, da du parallel extern promovieren möchtest. Wie planst du, diese beiden Welten und Aufgaben zukünftig zu vereinen?
„Ich bin vor ein paar Monaten auf meine Vorgesetzte zugegangen und habe ihr von meiner Idee erzählt, zum Thema Carbon Accounting zu promovieren. Die Bilanzierung von CO2-Emissionen liegt mir durch meine Arbeit sehr am Herzen und ich hatte Lust auf ein eigenes Projekt. Tatsächlich war das überhaupt kein Problem, unser Team ist groß genug, um meine Abwesenheit abzufedern. Ehe ich mich für ein passendes Modell zur Vereinbarkeit entschied, habe ich bestimmt 15 Telefonate mit Kolleg*innen, Professor*innen und anderen Bekannten geführt, die ebenfalls promovieren und mich schließlich dazu entschieden, meine Arbeitszeit auf 75 Prozent zu reduzieren. Ich werde aber nicht einfach unter der Woche ein bis zwei Tage weg sein, sondern drei bis vier Monate im Jahr komplett aus dem Job austreten und den Rest des Jahres Vollzeit arbeiten. Anders wäre es mit der Projektarbeit nur schwer zu vereinbaren. Ich bin sehr froh, dass ich mir das so frei einteilen konnte.“
Was genau fasziniert dich am Thema Carbon Accounting?
„Anders als in der Finanzberichterstattung gibt es beim Carbon Accounting noch keine klaren Bilanzierungsvorschriften. Zwar gibt es schon lange einen Transparenzstandard, das Greenhouse Gas Protokoll, das besagt, wie CO2 Emissionen kategorisiert und bilanziert werden, der Handlungsspielraum für Unternehmen ist allerdings sehr hoch. Zumindest war dies die letzten Jahre der Fall. Wir sehen nun aber, dass die Bedeutung, auch aufgrund regulatorischer Entwicklungen, zunimmt und sich auf EU-Ebene enorm viel tut. Mich interessiert deshalb die Divergenz zwischen der zunehmenden Bedeutung von unternehmerischen CO2-Fußabdrücken und der Qualität der Datenerhebung und Aussagefähigkeit der veröffentlichten Kennzahlen. Diese Spannung hat in den letzten zwei bis drei Jahren immer weiter zugenommen.
Es ist sicher ein großer Vorteil, dass ich alles Wichtige rund um dieses Thema in meinem Job lerne, aktuelle Entwicklungen verfolge und auch sehe, welche praktischen Probleme Unternehmen haben. Diese Informationen kann ich dann in der Theorie mit der Fachliteratur und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verknüpfen.“
Was machst du zuerst, wenn du am Morgen deinen Laptop aufklappst?
„Als erstes mache ich mein Mailpostfach auf, dann meinen Kalender und schließlich meinen Chatverlauf. Und dann geht’s direkt los. Oft arbeite ich parallel an verschiedenen Projekten mit unterschiedlichen Projektmanager*innen und muss mich daher sehr gut strukturieren. Deshalb blocke ich mir im Kalender bestimmte Zeiten für meine Aufgaben – so kann mir niemand einen Termin dazwischen legen, wenn ich konzentriert arbeiten muss. Ansonsten plane ich meinen Arbeitstag nicht groß vor. Ich arbeite aber generell vorausschauend und behalte meine Deadlines im Blick.“
Wie würdest du deine Kolleg*innen und die Arbeitsatmosphäre beschreiben?
„Ich würde unser Arbeitsklima als sehr locker und unhierarchisch beschreiben. In meinem Team duzen sich beispielsweise grundsätzlich alle, auch die Vorgesetzten. Und auch teamübergreifend ist die Grundeinstellung so, dass man keine Scheu hat, sich beieinander zu melden, egal welchem Grade man angehört. Wahrscheinlich hat das auch damit zu tun, dass es viele junge Kolleg*innen gibt und immer wieder neue Leute mit neuem Input dazustoßen.“
Gibt es viel Raum zur individuellen Entwicklung wie im Falle deiner Promotion?
„Wenn es um die eigene Entwicklung geht, ist auf jeden Fall Eigeninitiative gefragt. Man kann sich zum Beispiel um jede Schulung bemühen, auch wenn sie beispielsweise einer anderen Abteilung oder Stufe entspricht, solange man nur die richtigen Argumente vorbringt. Zudem hat jede*r einen eigenen People Manager, mit dem man sich über die eigene Entwicklung und Karriere austauschen kann. Meine People Managerin sitzt in München – ich kann sie jederzeit anrufen, wenn etwas ist. Und sie kümmert sich dann darum, dass meine Anliegen bei Career Roundtables berücksichtigt werden oder sie hilft mir dabei, mich zu entlasten, wenn ich zu stark eingespannt bin.
Natürlich gibt es auch bestimmte Entwicklungspfade, die vorgegeben sind. Im Sustainability-Bereich nahmen wir vor Corona beispielsweise an Schulungen auf Europaebene teil, um den internationalen Austausch zu fördern. Darüber hinaus gibt es ein digitales Programm zur internen Weiterbildung; ein Next Generation Board, über das Mitarbeitende ihre Anliegen an die oberen Führungsebenen weitertragen können; ein PwC-Team, das verschiedene Events organisiert und auch die Themen Diversität und Frauenförderung stehen bei PwC im Fokus. In unserer Abteilung wurde beispielsweise ein eigenes Frauennetzwerk mit Mentoringprogramm gegründet.“
Welche Interessen sollte eine Person mitbringen, um deine neue Kolleg*in zu werden?
„Eine wichtige Voraussetzung ist natürlich das Interesse am Thema Nachhaltigkeit, aber auch Neugierde ist sehr wichtig. Man sollte offen dafür sein, verschiedenste Themen zu bearbeiten. Es kann zum Beispiel in einem Projekt um Menschenrechte in der Lieferkette gehen und in einem anderen um umweltfreundliche Verpackungen oder den Klimaschutz. Nachhaltigkeit umfasst ein großes Spektrum und so viele Industrien. Natürlich ist Expertenwissen gut und wichtig, aber es kann immer passieren, dass ein Projekt reinkommt, bei dem man vor eine ganz neue Herausforderung gestellt wird, daher sollte man Spaß an neuen Themen mitbringen. Durch die vielen verschiedenen Projekte hast du außerdem immer mit neuen Leuten, wechselnden Ansprechpartner*innen, Kund*innen und Kolleg*innen zu tun, die alle über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. Daher sollten Bewerber*innen eine gewisse Flexibilität und Interesse an Menschen mitbringen.“
Zum Schluss stellen wir dir noch fünf Entweder-Oder-Fragen!
Frühaufsteherin oder Spätaufsteherin?
„Frühaufsteherin! Ich wache auf und bin wach. Manchmal gehe ich vor dem Frühstück noch eine Runde laufen und setze mich dann gegen 8 Uhr an den Schreibtisch.“
E-Mail oder Chat?
„Um mich mit Kolleg*innen auszutauschen: auf jeden Fall der interne Chat.“
Achtsamkeit oder keine Zeit?
„Achtsamkeit. Aber das musste ich erst einmal lernen. Auf einer Interrailreise vor circa zwei Jahren habe ich gemerkt, dass ich gar nicht abschalten konnte. Seitdem nehme ich mir aktiv Zeit zum Sport machen zwischen der Arbeit. Lesen und Joggen bringen mich wahnsinnig gut runter. “
Büro oder Homeoffice?
„An die Zeit im Büro kann ich mich kaum noch erinnern, von daher: Homeoffice.“
Kaffeepause oder Spaziergang?
„Spaziergang mit To-go-Kaffee!“