Am 29. September ist „Tag der Endometriose“ – und Aufmerksamkeit für die Krankheit ist bitter nötig: Bei Endometriose handelt es sich um die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung – und trotzdem werden zahllose Menschen falsch, viel zu spät oder gar nicht diagnostiziert.
Sechs Jahre bis zur Diagnose
Der Blick auf die Fakten lässt einen ungläubig zurück: Bei Endometriose handelt es sich um die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung, und doch haben viele Menschen mit Uterus noch nie von der Krankheit gehört – und diverse Ärzt*innen scheinbar auch nicht, anders scheint es nicht zu erklären zu sein, dass im Schnitt sechs Jahre vergehen, bis Patient*innen eine Diagnose bekommen. Drei Jahre dauert es im Schnitt bei Frauen, die wegen Unfruchtbarkeit in Behandlung sind, zehn Jahre bei Schmerzpatient*innen.
Bei Endometriose handelt es sich um eine eigentlich gutartige, chronische Erkrankung, die aber von massiven Schmerzen begleitet werden kann. Die deutsche Endometriose-Vereinigung beschreibt das Krankheitsbild so:
„Gewebe, ähnlich dem der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium), tritt dabei im Unterleib auf und siedelt sich dort an den Eierstöcken, Eileitern, Darm, Blase oder dem Bauchfell an. In seltenen Fällen sind auch andere Organe betroffen, wie z.B. die Lunge. In den meisten Fällen werden diese Endometrioseherde von den Hormonen des Monatszyklus beeinflusst. So können die Herde zyklisch wachsen und bluten. Die Folge davon sind Entzündungsreaktionen, die Bildung von Zysten und die Entstehung von Vernarbungen und Verwachsungen.“
Unerträgliche Regelschmerzen? Stellt euch nicht so an!
Endometriose ist außerdem eine der häufigsten Ursachen bei Menschen mit Uterus für ungewollte Kinderlosigkeit, bei 40 bis 60 Prozent der ungewollt kinderlosen Frauen ist Endometriose der Grund. Schätzungen zufolge leiden etwa sieben bis 15 Prozent aller Menschen mit Uterus im geschlechtsreifen Alter an Endometriose, das sind in Deutschland etwa zwei bis sechs Millionen Personen. Mehr als 30.000 Menschen erkranken jedes Jahr an Endometriose.
Viele hörten womöglich zum ersten Mal von der Krankheit, als Lena Dunham Anfang des Jahres offen in einem Text für die amerikanische „Vogue“ ihren jahrelangen Kampf mit der Krankheit und gegen die am Ende unerträglichen Schmerzen beschrieb. Sie entschied sich mit 31 Jahren dafür, ihre Gebärmutter entfernen zu lassen.
Ein Grund für die oft verspätete Diagnose mag sein, dass Endometriose in der Regel nicht per Ultraschall erkannt werden kann, sondern ein operativer Eingriff, eine so genannte Laparoskopie, durchgeführt werden muss, um Gewebe an verdächtigen Stellen zu entnehmen und untersuchen zu können.
Viele betroffene Personen schildern aber auch, zum Beispiel in sozialen Netzwerken, dass sie jahrelang von ihren behandelnden Ärzt*innen nicht ernstgenommen wurden und ihre unerträglichen Regelschmerzen abgetan und verharmlost wurden – dabei können starke bis unerträgliche Regelschmerzen ein klassisches Symptom von Endometriose sein. Martina Liel, die als Betroffene ein Buch zum Thema geschrieben hat, hält das mangelnde Fachwissen vieler Mediziner*innen für hoch problematisch: „Das Wissen vieler niedergelassener Gynäkolog*innen über die Endometriose, die immerhin die zweithäufigste ‚gutartige’ Frauenerkrankung ist, ist erschreckend gering. Das ist nicht nur meine Erfahrung, auch viele Expert*innen wünschen sich da eine bessere Ausbildung der niedergelassenen Kolleg*innen.“
Ein anderer Grund für die oft verspätete Diagnose sei die unspezifische Symptomatik, sagt Martina Liel: „Es gibt nicht das eine, typische Symptom der Endometriose. Die Symptomatik geht von starken Menstruationsschmerzen bis hin zu Verdauungsproblemen, Schmerzen wie bei Blinddarmentzündung, Schmerzen beim Stuhlgang und/oder beim Wasserlassen, Schmerzen in den Beinen oder Begleiterscheinungen wie Migräne, extreme Erschöpfung, Schwindel, Herzrasen und vieles mehr.“
Wer gilt als gesund, wer als krank?
Und auch aus feministischer Perspektive wird das Thema kritisch beleuchtet: „Gesellschaftliche Machtverhältnisse haben einen großen Einfluss darauf, wer als gesund oder krank gilt, welche Bereiche in der medizinischen Forschung gefördert werden und vor allem welche Personen Zugang zu Informationen und Gesundheitsversorgung erhalten“, schreibt zum Beispiel das Feministische Frauengesundheitszentrum Berlin, das sich anlässlich des Tages der Endometriose mit der Frage beschäftigt, warum es sich bei Endometriose immer noch um ein derart ignoriertes Krankheitsbild handelt.
Auch wir wollen uns in den nächsten Wochen und Monaten eingehender mit dem Thema Endometriose beschäftigen: Was können Betroffene tun? Worauf sollten Frauen achten, die vermuten, sie könnten an Endometriose leiden? Und vor allem: Woran liegt es, dass das Thema immer noch derart unterbelichtet ist, obwohl Millionen von Menschen mit Uterus allein in Deutschland betroffen sind?
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