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Mobbing am Arbeitsplatz – warum es ok ist, auch als Berufsanfängerin seinen Job aufzugeben

Ich konnte den Start ins Berufsleben kaum erwarten. Die Realität in meinem ersten Job war wie ein Schlag ins Gesicht. Wie lange muss ich als Berufsanfängerin durchhalten?

Meine erste Festanstellung

Ich war nervös vor meinem ersten Bewerbungsgespräch und freudig aufgeregt. Die Stelle klang nicht nach meinem Traumjob, aber schien mir trotzdem viele Möglichkeiten zu bieten. In Berlin, der Großstadt, der Hauptstadt leben, in einem echten Büro arbeiten, mit echten Kollegen und richtigen Aufgaben – das erschien mir ungeheuer erwachsen und ganz anders als so ein Praktikum während des Studiums. Schnell die Birkenstocks in die Tasche gesteckt und mit den Füßen in die Pumps geschlüpft, den Kragen gerichtet, über die Lippen geleckt, die Schultern zurück und dann an der Tür geklopft.

Im Bewerbungsgespräch gab ich alles, erzählte von Projekten, die ich gerne umsetzen würde, machte Optimierungsvorschläge, lachte über schlechte Witze und pries an, was ich im Studium alles gelernt hatte. Ich bekam die Stelle und zog mit einem großen Koffer und unendlich viel Tatendrang nach Berlin.

An meinem ersten Tag – nein bereits in meiner ersten Viertelstunde wurde ich von meiner neuen Chefin angeschrien und danach mit den Worten: „Aber hey, sie hat nicht geweint“, vor den Kollegen gelobt. Von da an hatte sie mich eingeordnet. Mein fachlicher Vorgesetzter – der Ehemann meiner Chefin – war meist nicht im Haus, sodass ich meine Anweisungen und Einweisungen per Telefon bekam. Mal aus dem Café gegenüber, mal aus dem fahrenden ICE (wenn denn die Verbindung hielt) und mal aus dem heimischen Bett, in dem er und meine Chefin noch zusammen lagen.

Selbstzweifel: Bin ich nicht gut genug?

Meine Aufgaben waren so abwechslungs- wie zahlreich. Zumindest darüber konnte ich mich nicht beschweren. Doch das Wenigste davon hatte ich zuvor an der Uni gelernt, bei dem Meisten machte ich Fehler und brachte meine Chefin zum Toben. Einmal wurde ein „Notfall Meeting“ einberufen, weil ich einen Satz mit einem Kommafehler veröffentlicht hatte. Nach drei Wochen bekamen wir einen Praktikanten und meine Situation entspannte sich leicht – es gab einen neuen Sündenbock. Nach weiteren drei Wochen wurde der Praktikant entlassen und ich zuckte wieder zusammen, wenn meine Chefin den Raum betrat. Ich begann mich von Tag zu Tag schlechter zu fühlen und googelte das Hochstaplersyndrom.

Bei den Beschreibungen der Betroffenen, die übrigens häufiger Frauen als Männer sind, fühlte ich mich verstanden. Hatte ich vielleicht doch nichts an der Uni gelernt? War ich gar nicht so schlau, wie ich dachte? War das hier die Realität, die Arbeitswelt, die Erwachsenenwelt, die mich und meine kindliche Naivität voll auflaufen ließ?

Durchhalten oder aufgeben?

In den Mittagspausen spazierte ich durch den Tierpark, weinte ab und an und telefonierte mit einer Freundin, die mich darin bestärkte durchzuhalten. Durchhalten, das war das Wort der Stunde. Wieder am Arbeitsplatz saß ich verkrampft an meinem Rechner und hatte Angst etwas falsch zu machen. „Soll ich diese E-Mail jetzt einfach abschicken?”, „Kann ich das Bild so verwenden?”, „Habe ich die Aufgabe falsch verstanden?”, „Bin ich zu langsam?”, „Ist in der E Mail auch wirklich kein Kommafehler drin?“ – schwirrte es durch meinen Kopf.

Wir waren ein kleines Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeitern, die von meiner Chefin systematisch gegeneinander ausgespielt wurden. Wenn sie mich nicht anschrie, erzählte sie mir in der Küche heimlich von dem drogenabhängigen Vater der einen oder den sexuellen Problemen der anderen Kollegin. Sie nahm der einen den Arbeitsauftrag weg, ohne ihr Bescheid zu sagen und trug ihn einer anderen auf. Sie manipulierte uns, verbot uns zusammen Mittagspause zu machen und versuchte immer alle Fäden in der Hand zu halten. Nach vier Monaten bekam ich Ekzeme auf der Kopfhaut und die Schweinegrippe.

Auch Berufsanfänger müssen nicht alles mitmachen

Was mich noch bei meinem Arbeitgeber hielt? Die Angst vor der erneuten Arbeitslosigkeit und die kreativen Möglichkeiten, die ich hatte. Ich durfte schreiben, Fotos machen, designen und sogar Filme schneiden. Im Gegenzug musste ich alle Projekte alleine verantworten und wusste nie, wann das große Donnerwetter kommt.

Nach sechs Monaten verließ ich das Unternehmen. Offiziell wurde ich gefeuert, weil ich ein Bild falsch verlinkt hatte. Inoffiziell weil ich „einfach krank“ war, als ich die Grippe hatte, statt unbezahlt von Zuhause aus zu arbeiten. Und weil ich meiner Chefin die Stirn bot, weil ich ihr sagte, dass ich auch nächstes Mal einfach krank sein werde, wenn ich mit Schüttelfrost und Fieber im Bett liege. Weil ich auch als Berufsanfänger meine Würde und Grenzen habe.

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