Foto: Josh Willink | Pexels

Papa, der Feminist: Wie ich versuche, meine Tochter zu einer starken Frau zu erziehen

Vor drei Jahren erlebte ich mit der Geburt meiner Tochter einen der schönsten Momente meines Lebens. Damals gab ich ihr ein Versprechen: Du wirst klug, stark und schön sein. Aber was heißt das eigentlich?

Erziehung ist nicht planbar

Ein Kind zu erziehen ist eine Verantwortung, der sich Eltern erst dann vollständig bewusst sind, wenn das Baby das Licht der Welt erblickt. Sich vorzubereiten ist nur bedingt möglich. Es gibt Literatur und es gibt die Erfahrung anderer. Am Ende ist jedes Kind aber so individuell, dass sich nicht einfach ein Muster darüber legen lässt. Ich erziehe meine Kinder mit ein wenig Theorie, ein bisschen Erfahrung, aber vor allem mit einer großen Portion Improvisation.

Letzteres dachte ich mir, als ich meiner dreijährigen Tochter zum ersten Mal dieselbe Frage dreimal stellte: „Was für eine Frau bist du?“ Als Antwort gab ich ihr vor: „Ich bin eine kluge Frau. Ich bin eine starke Frau. Ich bin eine schöne Frau.“ Diese drei Eigenschaften sind – das ist meine tiefe Überzeugung – die Erfolgsfaktoren für eine natürliche Selbstwahrnehmung und somit Voraussetzung für ein zufriedenes Leben. Versteht mich nicht falsch, klug bedeutet nicht Universitätsabschluss, stark bedeutet nicht Bankdrücken und schön bedeutet nicht Cosmopolitan-Cover.

Meine Geheimformel: Empathie

Klug sein heißt für mich in erster Linie eine starke Ausprägung der emotionalen Intelligenz. Damit meine ich die Wahrnehmung der Welt durch Gefühle und nur bedingt durch den Verstand. Es bedeutet im Umgang mit sich selbst und mit anderen sich nicht nur Sachargumenten zu bedienen, sondern diese emotional abzuwiegen. Etwa im Berufsleben, wo ich niemandem in den Rücken fallen muss, um erfolgreich zu sein. Oder im Privatleben, wo ein ehrliches und vertrauensvolles Miteinander die Grundlage für eine harmonische Beziehung ist.

Nicht das Ändern der anderen Person ist das Ziel. Trotz Eigenheiten, welcher Natur auch immer, muss der Respekt voreinander im Vordergrund stehen. Die Geheimformel dafür lautet Empathie. Eine Fähigkeit, die viele von uns verloren oder gar niemals erlernt haben.

Stark sein ist tief mit emotionaler Intelligenz verbunden. Es bedeutet, Gefühlen freien Lauf zu lassen und sie zum richtigen Zeitpunkt zu kontrollieren. Trauer ist gut, langes Trauern ist gefährlich. Selbstbelohnung ist essentiell, sie darf aber nicht die Fähigkeit hoffnungsvoll, optimistisch und geduldig zu sein, zerstören. Einen Umstand, den die Millennials, die Generationen Y und Z durchleben: Ich kann alles haben und das sofort. Eine Einstellung, die diese Gesellschaft nachhaltig zum Negativen verändert, aber das ist eine andere Diskussion. Zurück zum Thema und zwar zu meiner dritten und letzten Antwort.

Die Frau bestimmt selbst, was Schönheit bedeutet

Schönheit definiert sich nicht über die Anzahl meiner Instagram-Follower. Schön sein heißt, aus dem Inneren heraus zu strahlen und dieses Gefühl über das Äußere widerzuspiegeln. Sich so zu kleiden, dass es mir dabei gut geht. Sich so zu schminken oder zu schmücken, dass ich mir gefalle und nicht meiner Umgebung. Nicht die Gesellschaft definiert die Norm, sondern ich gebe vor, was Schönheit bedeutet.

Eigentlich ganz simpel, oder? Wenn es so einfach wäre, dann würde die Welt wohl anders aussehen. Ich kann nur versuchen mein Bestes zu geben und darauf vertrauen, dass sich meine Tochter keiner Lebensweise unterwirft, nur weil sie von einem Jahrtausend alten Patriarchat definiert wurde. Dazu stelle ich ihr diese drei simplen Fragen, Tag für Tag.

Und ja, ihr gefallen rosa Kleider und Prinzessinnengeschichten. Und das ist auch gut so, denn es geht nicht darum, dass es nur ein richtiges Selbstbild gibt. Es geht um ein Selbstbild, das sie glücklich macht. Von Jahr zu Jahr werde ich versuchen, diese einfachen Antworten in Taten umzusetzen. Schritt für Schritt, egal wie lange es auch dauern mag.

Karim Saad ist Vater zweier Kinder, Gründer des Videomagazins Bärtiger Feminist und bloggt bei EditionF zu kulturpolitischen Themen.

Mehr bei EDITION F

Karim Saad: Warum meine Tochter die Welt verändert. Weiterlesen

Barack Obama erklärt, warum alle Väter Feministen sein sollten. Weiterlesen

Keine Angst vor Feminismus! Weiterlesen

Anzeige