Immer mehr Väter bleiben viele Monate mit ihren Kindern zu Hause. Sie verändern die Welt, denn sie schaffen Vorbilder für ihre Kinder, entlasten ihre Partnerinnen und werden zugänglich für Gefühle. Aber leider sind sie weiterhin eine Minderheit.
Die Schwangerschaft brachte das Gleichgewicht ins Wanken
Warum Windeln wechseln politisch sein soll, habe ich erst jetzt begriffen. Ich bin Vater eines bald zweijährigen Sohnes und kenne mich inzwischen mit Schnuller und Breis aus. Ebenso mit Kleidergrößen, Trinkflaschen, Fiebernächten, Weinkrämpfen, elterlichen Gefühlen, gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenkonflikten als Mann.
Als meine Partnerin schwanger wurde, änderte sich für sie von einer Minute auf die andere alles. Körper, Geist, Seele, alles geriet in Aufruhr. Ich freute mich, fühlte mich aber entspannt und zuversichtlich, dass ich in den kommenden neun Monaten schon auf Betriebstemperatur als Vater kommen würde. Von diesem Moment an hinkte ich emotional erst einmal hinterher.
Elternzeit planen? Gar nicht so einfach
Diese Gelassenheit verließ mich dann ruckartig, als wir darüber berieten, wer wie viel Elternzeit nehmen würde. Wir lebten als aufgeklärtes Paar ein gleichberechtigtes Leben und keine materiellen Gründe sprachen dafür, daran als Eltern etwas zu ändern. Wir verabredeten elf Monate für meine Frau und zehn Monate für mich. Ich willigte in dieses Model ein, weil es logisch klang, wusste aber nicht, dass es für mich alles verändern sollte.
Von da an fühlte ich mich ebenbürtig und genoss die anerkennenden Kommentare vieler Frauen, denn ich schien eine Ausnahme in der Väter- und Männerwelt zu sein. In meinem Männerumfeld hatte ich kaum Vorbilder für meinen Plan, wurde glücklicherweise aber nur selten belächelt. Allein ein Vorgesetzter wiegte seinen Kopf auf dem Betriebsklo und meinte: „Das mit der Bindung ist doch alles übertrieben.“ Diese Haltung wunderte mich nicht, war er doch ein dieser Alphatier-Klassiker, der sehr viel Zeit im Büro verbringt.
Bindung braucht Zeit
Unser Sohn wurde geboren und ich ersehnte den Moment, an dem ich endlich die Arbeitswelt hinter mir lassen konnte. Die ersten sechs Wochen nach der Geburt war ich zu Hause und wir fanden uns als kleine Familie wunderbar zusammen. Die nächsten sechs Monate waren geprägt von immer kürzer werden Nächten, Arbeiten unter Druck und dem dringlichen Wunsch meiner Partnerin, so oft es ging tagsüber als alleinige Betreuungsperson abgelöst zu werden.
Die ersten Monate meiner langen Elternzeit verbrachten wir gemeinsam zu dritt. Wir machten Urlaub, zogen um und genossen oft, dass wir Freud und Leid des jungen Elterndaseins gemeinsam und gleichermaßen erlebten. Ich musste mich in dieser Zeit in viele Details einfuchsen und mich auch als Papa beweisen. Keine leichte Sache, denn der Erfahrungsvorsprung meiner Partnerin war erheblich und die Bindung zwischen ihr und unserem Sohn dementsprechend stark.
Väter, wo seid ihr?
Doch irgendwann kam der Punkt, als ich die Tage allein mit unserem Sohn verbrachte. Ich machte alles (außer Stillen) und war durchaus stolz, als unser Sohn das Wörtchen Papa als universelle Bezeichnung seiner Bezugspersonen verwendete. Mir wurde lobend zugenickt, wenn ich das Kind an der Ampel hochnahm, als sei es eine öffentliche Überraschung, dass ein Vater sein Kind sehenden Auges nicht vor ein Auto laufen lässt. Gleichzeitig spürte ich die Einsamkeit, die sich durch das kräftezehrende, aber intellektuell wenig anspruchsvolle Spielen, Waschen, Windeln und Zubettbringen einstellte.
In den Krabbelgruppen und Nachmittagstreffs traf ich fast ausschließlich auf Mütter. Die fanden meine Gegenwart interessant aber auch speziell. Selten schien eine von ihnen dem Vater ihres Kindes zuzutrauen, dass er willens oder fähig sein könnte, ebenso gut Zeit mit dem Kind zu verbringen wie sie selbst. Überall da, wo ich ähnlich tickende Väter fand, war ich froh, keine Ausnahme zu sein.
Abenteuer gefällig? Nimm Elternzeit!
Als ich schließlich wieder anfing zu arbeiten, war unser Sohn in der Kita eingewöhnt, konnte laufen, sprach die ersten Worte und schlief annähernd durch. War die Elternzeit eine gute Zeit? Ja!
Diese zehn Monate haben mich erfüllt und völlig erschöpft. Es ist die intensivste Zeit meines Lebens gewesen. Noch nie bin ich derart an meine Grenzen gelangt. Ich weiß heute, dass ein Kind sich nicht wie ein Projekt managen lässt. Alles braucht Zeit; jeder Plan ist nichts mehr als ein Wunsch. Liebe, das weiß ich jetzt, ist keine Belohnung für irgendetwas, sondern die Voraussetzung, damit man zusammen durch diese und alle Zeit gehen kann.
Aber am allermeisten hat diese Zeit mich verändert. Ich wurde mit mir selbst auf existentielle Weise konfrontiert. Physisch geriet ich an meine Grenzen, weil ich das größer werdende Kind irgendwann nicht mehr ausdauernd tragen konnte. Psychisch laugte es mich aus, immer wieder alles über den Haufen werfen zu müssen, was ich mir vorgenommen hatte. Ich war beseelt, wenn wir lachend Straßenbahn fuhren oder gläschenfütternd in einem Dönerbistro saßen. Ich weiß jetzt, wie sich lähmende Angst, aufbrausende Wut und blanke Verzweiflung anfühlen. Diese Zeit hat mich zu einem emotionaleren Menschen gemacht.
Karrieren sind Kindern egal
Mir leuchtet heute nicht mehr ein, warum Väter diese Chancen verstreichen lassen, die sich ihnen mit der Geburt ihrer Kinder bieten. Die finanzielle Sicherheit der Familie kann man planen und sich als Paar teilen. Die Karrieren brechen durch eine Pause selten ab. Die Angst vor den abfälligen Blicken der Kollegen könnte einen eher herausfordern als hemmen. Eine Partnerschaft gewinnt, wenn man auch die Kinderpflege auf Augenhöhe gestalten kann. Es gibt noch unzählige weitere Gründe, die aber alle nur vorgeschoben sind.
Wer Vater wird, hat Emotionen. Und wer wirklich Zeit mit seinen Kindern verbringt, der hat davon viele. Davor, glaube ich heute, fürchten sich Männer, weil es ihrem Selbstbild nicht entspricht. Die Kinderpflege als Frauenzeug abzutun ist eine Schutzreaktion, um nicht aus dem traditionellen Männerkonzert aus Maloche, Bier und Hobbykeller auszubrechen. „I have to provide for my family“, knurrt Walter White in Breaking Bad und kocht noch eine Ladung synthetischer Drogen. Da ist sie, die vorgeschobene gute Intention für die andauernde Abwesenheit eines Vaters, die am Ende zu großer Entfremdung zwischen den Partnern und vor allem zwischen Vater und Kindern führt. Wer wenigstens eine Chance haben will, als Vater dieses Schicksal nicht zu erleiden, der muss viel Zeit mit seinen Kindern verbringen.
Ich genieße es, in Teilzeit zu arbeiten und zwei Nachmittage in der Woche mit meinem Kind zu verbringen. Was ich in meiner Elternzeit vermisst habe, waren die anderen Väter. Die Statistik sagt, dass es immer mehr werden, die sich ihre kleinen Kinder vor den Bauch schnallen und mit ihnen durch die Straßen wandern. Sie sind die Vorbilder für die noch werdenden Väter und vor allem für ihre Töchter und Söhne. Und damit verändern sie alles.
Wir haben jetzt unsere eigene Facebook-Gruppe rund um das Thema Familie. Wir wollen uns mit allen austauschen und vernetzen, die sich für das Leben mit Kindern interessieren – egal ob ihr selbst Eltern seid oder nicht. Schaut doch mal vorbei!
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