Foto: sophie & cie I flickr I CC BY 2.0

Wie wichtig ist es, in der Elternzeit nicht nur Mama oder Papa zu sein?

Mit der Geburt meines Kindes hatten viele Rollen, mit denen ich mich vorher oft und gerne identifiziert habe, ein abruptes Ende. Was passiert, wenn man als Mutter oder Vater in der Elternzeit plötzlich nur noch eine Rolle innehat?

 

Viele Grüße aus der Elternzeit! 

Vor kurzen war ich Unternehmensberaterin, habe neben dem Job promoviert und habe mich sozial engagiert. Ich hatte eine gut laufende Partnerschaft und plante mir immer konsequent Zeit für meine Hobbys ein: Sport, Meditation, Wandern in den Bergen, lesen, schreiben… 

Dann wurde mein erstes Kind geboren und seitdem bin ich nicht mehr Unternehmensberaterin, nicht mehr Akademikerin, nicht mehr sozial Engagierte, nicht mehr die sportliche Joggerin und all das, womit ich eigentlich auch sehr zufrieden war. 

Tanja musste sich plötzlich auf eine Rolle reduzieren.                               (Quelle: Tanja Misiak)

Stattdessen bin ich Mutter

Ich stehe im Dienst meines Babys, und zwar nachts und tagsüber, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das ist ein Traum, wunderschön, ich genieße es. Ich gehe zur Rückbildung mit Baby, zum Pekip, ins Babyschwimmen und treffe mich mit anderen Müttern, um mich über die neuesten Errungenschaften unserer Babys auszutauschen. Ich genieße die Zeit alleine mit dem Baby, in verzauberter Zweisamkeit, frisch verliebt. 

Doch irgendwas ist nicht so ganz stimmig… 

Irgendwas ganz tief unten in mir findet das auch ansatzweise blöd. Meine Bücher verstauben, niemand verlangt mehr von mir gut durchdachte Antworten, ich muss nichts recherchieren, nichts lernen, nichts lesen, nichts konzipieren, nichts neu erfinden, mich nicht austauschen. Meine Bedürfnisse der intellektuellen Beanspruchung liegen komplett brach. Für eine oder ein paar mehr Wochen ist das mal ganz nett, aber muss das denn die ganze Elternzeit so weitergehen?

Klar, ich möchte für mein Baby da sein, wir sind eine Einheit und das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Das ist Liebe pur. Jedoch… so ein einziger Zeitslot in der Woche, in dem ich mal einen kurzen Urlaub von meiner Mama-Rolle nehmen kann – das würde mir guttun. 

Mir fällt es so verdammt schwer…

…ein ausgeglichenes Wechseln zwischen verschiedenen Rollen nicht mehr zu erleben. Ein anspruchsvolles Projekt beim Kunden und ein tolles Feedback danach, neue Erkenntnisse für meine Doktorarbeit, Sport als Ausgleich zum vielen Nachdenken, soziales Engagement… alle diese Rollen sind jetzt bedeutungslos. 

„Reduktion“ auf die Mutterrolle?

Aber wie ist es so ganz tief innen denn für die Mama, wenn sie non-stop nur auf diese eine Rolle „reduziert“ wird? 

Ich habe meinen Weg gefunden. Ich nehme mir nun konsequent einen Zeitraum in der Woche, in dem ich mich an meine anderen Rollen zurückerinnere und mir bewusst mache, was ich sonst noch alles so bin außer Mama. Das hat einen Urlaubseffekt und gibt mir wiederum Kraft für die Mama-Rolle. Ich darf mir Gedanken machen über mich, ich darf scharf nachdenken und bewusst hineinspüren, ich darf recherchieren, lernen, konzipieren und erlaube mir auf die Bedürfnisse zu hören, die sich nicht 1:1 mit der Mama-Rolle decken – und das sind einige! Wohin mit diesen Bedürfnissen? Nein, bitte nicht überspielen – das schlägt irgendwann zurück. 

Ich höre zu. 

Ein bisschen und dann ein bisschen mehr. Und dann merke ich: Überidentifikation, egal mit welcher Rolle, ist nicht gut. Ich bin mehr als nur eine Rolle, und auch mehr als ein paar mehr Rollen. Und diesem „mehr“ höre ich jetzt noch etwas genauer zu… Und dann kommen ganz viele Ideen und seit langem auch mal wieder ein Gefühl der Ganzheit. Und das hält an, während ich mein Baby im Arm halte. Ein Gefühl der Dankbarkeit durchströmt mich. 

Die Erkenntnis! 

Ich bin nicht nur Mama, ich bin AUCH Mama. Und vieles mehr! Danke für den kurzen Urlaub. Das trägt mich jetzt durch diese Woche.

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