Günes Seyfarth hat mit Mamikreisel nicht nur ein eigenes Unternehmen und eine Kita aufgebaut, sie engagiert sich ehrenamtlich und ist Mutter von drei kleinen Söhnen. In einem Gastbeitrag erzählt sie, wie sie ihre Rolle als Mama versteht und dabei noch sie selbst bleibt.
Was macht mich glücklich?
Ich lebe nach dem Grundsatz, dass, wenn
ich morgen sterben werde, ich jeden Tag genossen haben will. Das bedeutet nicht
zwingend, dass alle Tage gleich viel Spaß machen und ich nichts machen muss,
was mich langweilt. Aber ich versuche immer auch das unterzubringen, was mich
als Person Günes glücklich macht und mich nicht nur als Mutter oder Ehefrau auszuleben.
Klar, gibt es gerade als Mama immer wieder
Aufgaben wie Windeln wechseln, Essen machen und Geschichten vorlesen, die mich nicht
immer intellektuell ausfüllen. Aber wenn man andere gern unterstützt und
Probleme als Aufgaben und nicht als Drama sieht, dann bietet das Leben genügend Herausforderungen,
an denen man wachsen kann.
Daher habe ich eine Krippe gegründet, als
es für die Betreuung meines ersten Sohnes keinen Platz gab – zusammen mit meinem Mann. Ich BWLer, mit einem Faible
für Zahlen, er Personaler, mit einem Talent, Menschen zu verstehen, einschätzen und
entwickeln. Gemeinsam mit einer anderen Mama, die sich um Themen wie Konzeption
und Elternaufnahme gekümmert hat, haben wir zehn Monate etwa 20 bis 30 Stunden
die Woche investiert, um pünktlich zum ersten Geburtstag unserer Kinder eine eigene
Krippe zu haben. Natürlich durften sympathische und kompetente Pädagoginnen,
herzlich eingerichtete Räumlichkeiten und viele andere Kinder auch nicht fehlen.
Seitdem – das ist jetzt fünf Jahre her – bin ich als einziger Gründungsvorstand
noch dabei und kümmere mich weiter um die Belange unserer Kita. Ich investiere circa
10 bis 20 Stunden die Woche – je nachdem, was gerade gefordert wird oder geplant
ist. Das ist auch neben den drei Ks gut machbar.
Wozu Nebenprojekte toll sind
Ich wurde oft gefragt, warum ich das
mache? Wieso ich mir so ein Engagement ans Bein hänge. Warum ich das Ganze denn
nicht in eine GmbH umwandele?
Ganz einfach: Meinen Lebensunterhalt verdiene
ich mir anders, mit dem Aufbau der Secondhand-Plattform Mamikreisel. Die Kita
habe ich gegründet, weil ich ursprünglich eine richtig gute Betreuung für mein
Kind wollte. Mittlerweile macht mir das Projekt sehr viel Spaß. Ich habe viele
großartige Menschen kennengelernt und weiß immer, wie es meinen Kindern geht,
auch wenn ich nicht bei ihnen bin. Durch diesen Gründermut ist mein persönliches
Elternnetzwerk entstanden, das mir wiederum in meinem Beruf und meinen anderen
Engagements wie dem Foodsavern hilft. Das ist mir viel mehr Wert als alles Geld
der Welt.
Zu den Lebensmittelrettern bin ich auch zufällig
gekommen. Eine gute Freundin hat mir davon erzählt, dass Foodsaver bei Betrieben
die Lebensmittel abholen, die sie sonst weggeworfen würden. Ich konnte mir zu
Beginn nichts darunter vorstellen. Aber meine Neugier war geweckt. Mittlerweile
ersetzt das Lebensmittelretten mehr als die Hälfte unserer Lebensmitteleinkäufe
im Monat. Und viele Freunde und Bekannte versorge ich auch noch mit. Auch hier
habe ich ein Verständnis für Zusammenhänge bekommen und viel gelernt. Dafür,
dass in Argentinien Heidelbeeren angebaut, über das Meer geflogen, um dann hier
weggeschmissen zu werden. Perfekte reife, unglaublich leckere Heidelbeeren. Und
ich rede hier nicht von einer Packung. Ich spreche von 16 Packungen à 125
Gramm. Genauso wie 20 Kilo Erdbeeren aus Südspanien. Einer Region, die aufgrund
der vielen Treibhäuser an Wasserknappheit leidet. Man spürt plötzlich die
globalen Zusammenhänge und wie wir mit allem vernetzt sind – auch wenn wir das
nicht so merken.
Kinder erziehen durch Vorbilder
Als Mama lebe ich nach dem Prinzip von
Karl Valentin: Kinder braucht man nicht zu erziehen. Sie machen uns sowieso
alles nach. Ich wünsche mir, dass meine Kinder bewusst aufwachsen, Konsequenzen
ihres Handels absehen können und Gemeinschaft erleben. Das Lebensmittelretten
erleben sie mit. Bei uns gibt es das Wort einkaufen nicht mehr. „Lebensmittel
retten“ ist ihre Antwort auf die Frage, wo Mama gerade ist.
Da vieles bei uns in der Kindheit
verwurzelt ist, versuche ich aktuell eine Schule für meine und weitere Kinder aufzubauen.
Darüber hinaus will ich an Heiligabend für alle, die dabei sein möchten oder
alleine sind, ein Essen organisieren – mit geretteten Lebensmitteln. Meine
einzige Auflage: Meine Kinder dürfen mithelfen und das Essen ausgeben. Warum? Weil
ich ihnen das echte Weihnachten zeigen will. Das Weihnachten, bei dem es nicht
um Konsum, sondern um Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft geht. Ich glaube, das
ist die Idee von Weihnachten.
Ich habe im Laufe meines Lebens gemerkt,
was wir alles verändern können. Das Argument, dass es ohne Geld nicht klappt, stimmt
heutzutage nicht mehr. Mit genügend Motivation, Ausdauer und einem guten
Netzwerk kann man alles erreichen.
Ein einfaches Rezept für Vereinbarkeit
Was mich antreibt? Die Lust und Freude am
Machen, am Verändern. Aber wie bekommt man das mit drei kleinen Kindern und
einem Mann, Job und sozialen Aktivitäten unter einen Hut?
Bei mir funktioniert das so:
1. Priorisiere, was dir wichtig ist. Die
Zeit ist knapp. Daher entscheide ich intuitiv. Was muss, was kann?
2. Hole dir Unterstützung. Gerade mit
Kindern ist es ratsam sich ein Netzwerk aufzubauen, das einem zur Seite steht.
Wir haben die Kita und viele Freunde, die auch mal ein paar Minuten auf die
Kinder aufpassen, wenn die Termine eng gelegt sind. Und es ist wichtig, dass
man als Paar an einem Strang zieht. Nur so kann es funktionieren, ohne dass man
sich verliert.
3. Lebe bewusst. Wenn ich arbeite,
arbeite ich, wenn ich vorlese, lese ich vor. Es ist wichtig, sich immer wieder
in die Gegenwart zu holen. Aufzuhören darüber nachzudenken, was der nächste
Schritt ist oder sich über Dinge zu ärgern.
4. Ich liebe meine To-Do-Liste. Jeden
Abend schreibe ich mir auf, was ich am nächsten Tag schaffen will.
5. Sei unperfekt! Auch wenn ich meine
Liste habe, muss ich als Mama flexibel für Unvorhergesehenes sein. Dann fällt etwas
anderes weg. Das ist nicht schlimm. Das kommt am nächsten Tag wieder auf die
Liste.
6. Der wichtigste Punkt: Hab Spaß! Denn
das merkt man. Und wenn man das, was man tut, mit Freude macht, dann geht es einem
auch einfacher von der Hand.
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