Ein Coworking Space für Eltern und Kinder? Kann das gehen? Ja, sagen die Gründer des Coworking Toddler. Wir haben mit den Machern gesprochen.
Coworking mit Kindern?
Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf macht auch Eltern kreativ.
Was tun, wenn man Arbeiten will, aber gleichzeitig für das Kind da sein will? Ein neuer Trend sagt: Coworking-Büros mit Kinderbetreuung. Als Mutter aller Coworking-Spaces für Eltern gilt das Rockzipfel-Leipzig. Die Idee ist simpel. Kinder werden betreut, Eltern können Arbeiten. Die Idee wollen Marc Runge, Sandra Runge und Ulrike Käfer nun mit dem Coworking Toddler auch nach Berlin bringen. Teresa hat mit den Ideengebern über dass Modell Coworking mit Kindern, Elternzeit und Karriere mit Kindern gesprochen.
Wie ist die Idee zu Coworking-Toddler entstanden?
Marc Runge: „Inspiriert hat uns das „Rockzipfel“ in Leipzig, ein Eltern-Kind-Büro, bei dem Eltern und Freiwillige abwechselnd die Kinderbetreuung übernehmen. Wir haben die Idee ausgebaut und werden einen Coworking Space mit einem angegliederten, aber räumlich getrennten Kinderbetreuungsbereich gründen. Die Eltern sollen dabei die Möglichkeit haben, produktiv in der Nähe ihrer professionell-betreuten Kinder zu arbeiten. Dabei richtet sich das Angebot nicht nur an Selbständige sondern auch an Angestellte.“
Findet ihr, es sollte normaler werden, dass Kinder am Arbeitsplatz dabei sind?
Sandra Runge: „Wir finden es schade, dass es fast schon eine Selbstverständlichkeit geworden ist, Kinder outzusourcen, während die Eltern arbeiten. Natürlich ist produktives und konzentriertes Arbeiten schwierig, wenn ein Kleinkind auf dem Schoß sitzt und Hoppe-Reiter spielen möchte. Allerdings muss es auch einen Weg geben, der effizientes Arbeiten ermöglicht und gleichzeitig den Bedürfnissen von Eltern und Kleinkindern, insbesondere im Alter von 0 bis drei Jahren, gerecht wird.“
Was hindert insbesondere Mütter daran, schnell wieder in den Beruf einzusteigen?
Ulrike Käfer: „Ein früher Wiedereinstieg in den Job bedeutet heute gleichzeitig eine frühe und absolute Trennung vom Kind. Davor schrecken viele Mütter gerade in den ersten Lebensmonaten ihres Kindes zurück. Wenn es eine Möglichkeit gäbe „sanft“ in den Beruf wieder einzusteigen, könnten viele Mütter wieder früher anfangen zu arbeiten – ohne schlechtes Gewissen.“
Warum nehmen Väter so selten und so kurz Elternzeit?
Marc Runge: „Glücklicherweise gibt es eine klare Tendenz, dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen. Wir beobachten, dass es keine traditionelle Rollenverteilung mehr bei der Kindererziehung gibt. Dabei müssen die Väter von der Politik und auch von der Wirtschaft weiter unterstützt werden. Es darf weder uncool noch ein Karrierekiller sein, wenn Väter auch länger als zwei Monate in Elternzeit gehen. Das neue ElterngeldPlus, insbesondere die Partnermonate sind dabei ein Schritt in die richtige Richtung.“
Sollte es überhaupt ein Ziel sein, dass Mütter und Väter nach wenigen Monaten in den Beruf zurückkehren?
Sandra Runge: „Der Zeitpunkt der Rückkehr in den Beruf ist eine sehr individuelle Frage, die letztendlich jede Familie für sich selbst entscheiden muss. Allerdings: Viele Eltern haben gar keine Wahl und müssen aus wirtschaftlichen Aspekten wieder schnell zurück an den Schreibtisch. Für Selbständige ist es zum Beispiel undenkbar länger auszusetzen. Aber auch Angestellte, die ihre Position nicht schwächen möchten, werden wieder schnell in der Firma erwartet. Es sollte daher ein Ziel sein, adäquate Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder dieser Eltern zu fördern. Denn qualitativ hochwertige öffentliche Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder, die kein schlechtes Gewissen bei den Eltern hinterlassen, sind hierzulande kaum vorhanden.“
Wie kann man sich Coworking-Toddler vorstellen? Krabbeln die Kinder unter den Schreibtischen hindurch?
Ulrike Käfer: „Unser Konzept beinhaltet Coworking-Arbeitsplätze, die räumlich getrennt vom Betreuungsbereich sind. So stellen wir sicher, dass professionell und in Ruhe gearbeitet werden kann. Gleichzeitig sieht das pädagogische Konzept vor, dass die Eltern im Betreuungsbereich Kontakt zu den Kindern aufnehmen können: Zum gemeinsamen Mittagessen, zu vereinbarten Spielstunden und in besonderen Situationen, zum Beipsiel wenn das Kind einfach mal nur die Mama oder den Papa zum Trösten braucht. Es wird klare Regeln und kein Chaos geben – sowohl im Coworking- als auch im Kinderbereich.“
Ihr wollt nicht nur auf Freiberufler setzen, sondern auch auf Firmen, die ihren Angestellten einen Büroalltag in der Nähe des Kindes ermöglichen wollen. Wie stehen da die Chancen?
Marc Runge: „Wir stehen bereits in Kontakt mit namhaften Unternehmen und Startups. Die Resonanz ist ausgesprochen positiv, insbesondere natürlich, weil auch Unternehmen von unserem Ansatz profitieren: Wir bieten einen wesentlich produktiveren Arbeitsplatz als im Homeoffice und ermöglichen einen schnelleren Wiedereinstieg. Die Firmen binden ihre Mitarbeiter langfristig und reduzieren ihre Arbeitsbeschaffungskosten. Außerdem machen glückliche Eltern natürlich einen besseren Job!“
Ihr setzt ein neues und innovatives Konzept um. Gibt es Förderung von der Stadt oder von anderweitiger Stelle?
Ulrike Käfer: „Unterstützung von Politik und Wirtschaft benötigen wir in jedem Fall. Bisher werden wir noch nicht finanziell gefördert, sprechen aber bereits mit entscheidenden Stellen.“
Was sind die größten Hürden dabei, eine Kita selbst zu gründen?
Marc Runge: „Die Kita ist nur ein Teil unseres Konzepts. Zusätzlich gründen wir den Coworking-Space, einen flexiblen Kinderbetreuungsbereich sowie ein Eltern-Kind-Büro. Die größten Herausforderungen sind sicherlich die Finanzierungsfrage und die behördliche Genehmigung für das Gesamtkonzept mit integrierter Kita.“
Was würdet ihr am Betreuungssystem und in der Berufswelt ändern, damit sie eine wirklich moderne Arbeitswelt ist?
Marc Runge: „Alle sprechen über „Vereinbarkeit“ von Familie und Beruf, ohne neue Lösungsansätze aufzuzeigen. Durch den Coworking Toddler möchten wir genau das schaffen, was uns bisher fehlte: Das von der Politik vorgegebene Vereinbarkeitsmodell sieht einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr vor. Dieses Modell, welches insbesondere wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt, ergänzen wir um die Bedürfnisse der Eltern und insbesondere der Kinder.“
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