Fünf Jahre gibt es den Berliner Corworking-Space Betahaus nun. Ein Gespräch mit dem Erfinder Christoph Fahle über den Ursprung, die Vision und Vernetzung.
Christoph, vor fünf Jahren habt ihr mit sechs Leuten den Schritt zum Betahaus gewagt. Wie kam es dazu?
„Gleich nach der Uni haben wir festgestellt, das uns ein Ort fehlt an dem wir unsere Ideen verwirklichen können und wo wir unsere Karriere starten können. Es gab einfach nix. Ständig im St.Oberholz zu sitzen war keine Alternative. Zuhause fiel einem die Decke auf dem Kopf und ab sofort mit seinen zwei bis drei Mitgründern in einer 20 Quadratmeter Butze zu sitzen war auch nicht unsere Traumvorstellung. Also haben wir einen Blog unter betahaus.de angefangen und aufgeschrieben, wie wir uns unsere Zukunft und den dazugehörigen Ort vorstellen. Dadurch ist der Stein ins Rollen gekommen. Anscheinend haben wir vielen Menschen aus der Seele gesprochen und wir haben tatsächlich angefangen diesen Ort realistisch zu planen.“
Ihr seid damals teilweise noch mitten im Studium gewesen, und musstet euch auf einemal mit Immobilienbesitzern rumschlagen, wie war die erste Zeit?
„Naja, ich würde sagen, wir waren ziemlich naiv und hatten Glück, dass wir an recht gutmütige Immobilienbesitzer geraten sind, die irgendwie dann doch verstanden haben, was wir vorhaben und uns mit Mietvergünstigungen und viel Verständis weitergeholfen haben. Hart war vor allen Dingen die ganze Logistik und Infrastruktur hinzubekommen. Dass wir mit Menschen gut umgehen konnten, wussten wir vorher. IT, Office Management und Gastronomie haben uns aber fast umgebracht.“
Mittlerweile gibt es Co-Working in Berlin fast an jeder Ecke, in anderen Städten musste das Betahaus teilweise wieder schließen, wieso ist Berlin so gemacht für diese Art des Zusammenarbeitens?
„Naja, eigentlich ist jede größere Stadt voll von Menschen für die ein Coworking-Space der richtige Arbeitsort ist. Ich glaube in Berlin war es aber gerade im Jahr 2009, als noch keiner was von Coworking gehört hatte, sehr hilfreich diese vielen experimentierfreudigen Menschen zu haben, die alles Neue ausprobieren. Auch die Mietkosten sind sehr günstig und ein gewisser Loft-Look ist gesellschaftlich akzeptiert. Beste Bedingungen, um also bootstrapmäßig anzufangen. “
Gab es Momente, in denen ihr alles hinwerfen wolltet?
„Nein. Wir waren aber zwischendurch mal fast Pleite und mussten hinwerfen, weil wir den Cashflow nicht ordentlich geplant hatten.“
Was war dein großes Erlebnis in fünf Jahren Betahaus?
„Das große Erlebnis gibt es nicht. Es gibt viele davon. Ein unglaublicher Moment war, als wir das erste Mal alle Betahaus-Gründer aus Hamburg, Köln, Berlin, Sofia und Barcelona an einen Ort gebracht haben und gemeinsam als großes Team an der Betahaus-Zukunft gearbeitet haben und ich habe festgestellt: Man, wir ziehen ja wirklich alle an einem Strang! Ein weiterer wahnsinnig toller Moment war, als ich in Taipei / Taiwan war und mir die Gründer der ersten fünf Coworking-Spaces, die es dort gab, gemeinschaftlich ein Dankesgeschenk überreicht haben und mir erzählt haben, dass ein einziger Artikel über das Betahaus die gesamte Coworking-Welle in Taiwan ausgelöst hat.“
Arbeitet man bei euch eher nebeneinander oder nutzen die Mieter viele Synergien? Und wer arbeitet wirklich bei euch?
„Das kommt ganz auf den Einzelnen an. Wer zum Beispiel Hilfe braucht, bei einem konkreten Problem, der stellt sich beim betabreakfast kurz vor und bekommt ziemlich schnell gutes Feedback und Angebote für Zusammenarbeit. Wer in Ruhe arbeiten möchte, zieht sich in den dritten oder vierten Stock zurück und bleibt den ganzen Tag ungestört. Insgesamt ist es aber schon so, dass die Leute zu uns kommen, um sich kennen zu lernen, Cofounder oder Mitarbeiter zu finden oder einfach nur, um durch andere Ideen inspiriert und motiviert zu werden. Wer wirklich bei uns arbeitet, ist echt schwer zu beantworten. Gestern zum Beispiel stand plötzlich DJ Tomek an der Rezeption und hat sich ein Tagesticket gekauft. Letzte Woche war der CEO von Klöckner für einen Tag bei uns (die haben übrigens einen Tisch bei uns gemietet). Im Sommer war Jake Lodwick bei uns (der Gründer von Vimeo) und hat für drei Monate von Berlin aus an seinem neuen Startup gearbeitet. Wir hosten nicht nur Startups, sondern eine ganze Menge unterschiedlicher Leute.“
Wie sieht für die die Arbeit der Zukunft aus? Gibt es da neue Entwicklungen, mit Ausnahme der flexiblen Strukturen?
„Ich glaube die Frage ist falsch gestellt, weil das was man klassisch unter Arbeit versteht sich stark gewandelt hat und nicht mehr so leicht zu trennen ist ist von Hobby, Privatleben, Beruf, Forschung und Freizeit.“
Wie müsste die Frage dann lauten?
„Man muss sich vorher die Frage stellen, was Arbeit eigentlich ist. Das ist aber nicht unser Ziel. Das Ziel ist eine gute und förderliche Kultur der Zusammenarbeit und Professionalität zu etablieren, die dem Credo der Netzgeneration entspricht. Offenheit, Zugänglichkeit, Teilen, Kollaboration und Nachhaltigkeit sind die Grundwerte von kraftvollen und disruptiven Netzwerken, die es einem darüber hinaus besonders einfach machen, sich selbst zu verwirklichen. Ich glaube diese Arbeitskultur wird sich in Zukunft weiter verbreiten und mit ihr werden noch weitere Arbeitsorte entstehen, an welchen diese Kultur gelebt wird. Ganz konkret übernehmen diese Hubs wie das Betahaus neue Funktionen und werden zu Bildungsinstitutionen oder moderieren die Zusammenarbeit zwischen großen Corporates und kleinen schnellen Startups und Freelancern. Für das Betahaus selbst sieht die Zukunft so aus, dass wir unser Angebot verbessern wollen, besonders im Bildungs- und Eventbereich und das wir uns international mit weiteren Coworking-Spaces verbünden wollen, sodass wir in den nächsten fünf Jahren zu einem internationalen Netzwerk von Coworking-Spaces werden, dass nicht nur die Homebase für 500 Co-Worker ist sondern 50.000 Co-Worker.
Ihr seid viel mehr als Co-Working. Ihr versucht euch als Gastronomen, ihr veranstaltet Events, gebt Workshops. Was ist der nächste Schritt?
„Wir wollen zusammen mit Partnern noch mehr Content anbieten. Dazu gehört ein noch größeres Netzwerk, mehr und effizientere Office Hours, Workshops und Kurse, die einen nach vorne katapultieren, Pitches und Acceleratorprogramme die einen in zwei Wochen so weit bringen, wie sonst sechs Monate. Das Ganze in einer angenehmen und unaufgeregten Atmosphäre, dessen höchstes Gut das persönliche Wohlbefinden ist. Das Ganze noch flexibler und auf die ganze Stadt verteilt und in jeder europäischen Großstadt.“
Fünf Jahre Bethaus: das Festival
Wer die Macher, Bewohner und Gäste des Betahauses mal live erleben will, hat am Samstag, den 30. August bei Betahaus Festival Gelegenheit dazu. EDITION F wird auch vor Ort sein, und ein wenig aus dem Gründerleben erzählen. Tickets und Infos zum Festival gibt es hier.