Mehr Gleichberechtigung mit dem neuen ElterngeldPlus – das verspricht die Bundesregierung. Was ändert sich und wo sind die Haken?
Elterngeld wird reformiert
Am 4. Juni hat das Bundeskabinett den neuen Gesetzesentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig beschlossen, der das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz umfassend reformiert. Neben der Einführung des ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus hat der Gesetzgeber auch eine Flexibilisierung der Elternzeit und eine gesetzliche Klarstellung für das Elterngeld bei Mehrlingsgeburten vorgenommen. Die neuen Regelungen gelten für Geburten ab dem 1. Juli 2015.
Durch die Änderungen soll es Eltern ermöglicht werden „Familie und Beruf gemeinsam zu managen“, verspricht Ministerin Schwesig auf der Internetseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Aber kann das neue Elterngeld tatsächlich Eltern dabei helfen, Familie und Beruf in Zukunft partnerschaftlich aufzuteilen? Und wer sind eigentlich die Gewinner und Verlierer dieser Reform?
Neue Anreize für Teilzeitarbeit
In Zukunft wird es drei Elterngeld-Bausteine geben: Basiselterngeld (entspricht dem bisherigen Elterngeld), ElterngeldPlus (entspricht dem halben Basiselterngeld) und einen Partnerschaftsbonus (entspricht vier ElterngeldPlus-Monaten). Durch die Inanspruchnahme des ElterngeldPlus – also jeweils die Hälfte des bisherigen Elterngeldes – kann der Bezugszeitraum auf bis zu 24 Monate gestreckt werden. Möglich ist auch eine Kombination von Basiselterngeld und ElterngeldPlus. Vergleichsweise mehr Elterngeld gibt es jedoch nur dann, wenn während des Bezugs in Teilzeit gearbeitet wird. Bisher hat sich eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit finanziell nicht gelohnt: Der Elterngeldanspruch wurde gekappt und war spätestens nach 14 Monaten verbraucht. Durch das ElterngeldPlus erfolgt künftig ein Ausgleich für das geschrumpfte Elterngeld in Teilzeit. Der noch nicht in Anspruch genommene Teil des Elterngeldes wird durch die mögliche Streckung des Bezugszeitraumes einfach später ausgezahlt.
Die Zielsetzung dieser Reform ist klar: Vor allem Mütter sollen wieder schneller in das Berufsleben einsteigen. Dazu kann das ElterngeldPlus sicherlich Anreize bieten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Hürden für einen raschen Wiedereinstieg in Teilzeit nicht zu hoch sind. Was in keiner Broschüre der Familienministerin erwähnt wird: Ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Frauen, die in kleinen Unternehmen wie zum Beispiel in Handwerksbetrieben oder Startups arbeiten, können somit nur dann in den Genuss von mehr Elterngeld kommen, wenn bereits vorher in Teilzeit gearbeitet wurde – oder aber der Arbeitgeber zustimmt.
Gegen das ElterngeldPlus werden sich zudem viele Mütter, aber auch Väter dann entscheiden, wenn die Betreuung des Kindes nicht gesichert ist. Auch wenn mancherorts Kitas wie Pilze aus dem Boden schießen: Betreuungsangebote für Kinder unter einem Lebensjahr oder aber Einrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten sind immer noch Mangelware. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz gilt zudem erst ab dem ersten Geburtstags des Kindes. Wer für ein sehr kleines Kind keine Betreuung findet, hat keine rechtlichen Möglichkeiten.
Partnerschaftsbonus statt Zweimonatspapa
Arbeiten beide Elternteile parallel mindestens vier Monate verkürzt zwischen 25 und 30 Wochenstunden, kann mit der Reform zusätzlich ein Partnerschaftsbonus in Form von vier weiteren Monaten ElterngeldPlus beansprucht werden. Der Bezugszeitraum des Elterngeldes kann somit auf maximal 28 Monate ausgedehnt werden – sofern es Elternpaaren gelingt, die Arbeitszeit gleichzeitig zu verringern. Die Idee hinter dieser Neuerung ist, das Standard-Elterngeldmodell abzulösen mit neuen Kombinationsmöglichkeiten. Die Mehrheit der Mütter bezieht bislang zwölf Monate Elterngeld , Väter zwei. Die neuen Regelungen signalisieren: Die gleichberechtigte Aufteilung der Familienarbeit wird finanziell belohnt. Ob die Vätermonate dadurch fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur werden, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
In Zukunft kann die Elternzeit auf drei, statt wie bisher auf zwei Zeitabschnitte verteilt werden. Aus dem Schattendasein soll die Elternzeit mit Klein- und Schulkindern geholt werden: Jetzt kann ohne Zustimmung des Arbeitgebers die zuvor nicht beanspruchte Elternzeit von bis zu 24 Monaten zwischen dem dritten und vollendeten achten Lebensjahr genommen werden. Damit einher geht auch eine mögliche Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes, der abhängig vom Zeitpunkt der Elternzeit, frühestens 8 beziehungsweise 14 Wochen vor Elternzeitbeginn wirksam wird. Das Gesetz kommt damit Eltern entgegen, die beispielsweise um die Einschulung eines Kinder herum mehr Zeit für Familie haben möchten.
Diese Regelungen stellen vor allem eine große Herausforderung für die Personalplanung von kleineren Betrieben dar. Die mögliche Dreiteilung der Elternzeit – ohne dass der Arbeitgeber zustimmen muss – wird vermutlich zu mehr Minijobs und Leiharbeit, oder aber schlichtweg dazu führen, dass die Arbeit einfach auf die verbliebenen Arbeitnehmer verteilt wird.
Weniger Geld für Mehrlingseltern
Doppelt- oder dreifaches Elterngeld bei Mehrlingen ist trotz der erkämpften Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts künftig passé: Bei Mehrlingsgeburten besteht nur noch ein Elterngeldanspruch. Für jedes weitere Mehrlingskind wird in Zukunft nur noch ein Zuschlag in Höhe von 300 EUR monatlich gezahlt. Diese Regelung – die bemerkenswerterweise in der Öffentlichkeit kaum kritisiert wird – tritt übrigens bereits zum 1. Januar 2015 in Kraft. Sie betrifft also bereits die Mütter, die jetzt mit Zwillingen, Drillingen, vielleicht auch Vierlingen schwanger sind.
Neben den Mehrlingseltern zählt ein Großteil der Alleinerziehenden zu den Verlierern der Elterngeld-Reform. Das gilt für den Partnerschaftsbonus, der von einem alleinerziehenden Elternteil nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn ihm das alleinige Sorgerecht oder das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Getrennt lebende Eltern, die das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam ausüben, werden daher von der Inanspruchnahme der Partnerschaftsmonate ausgeschlossen. Diese Regelung ist sachlich nicht nachvollziehbar und widersprüchlich, da seit 2013 im Zuge der Neuregelung des Sorgerechts die gemeinsame Sorge als gesetzliches Leitbild verankert worden ist. Hier muss das Gesetz dringend nachgebessert werden.
Wenn aus einem Trend ein Gesetz wird
„Wir setzen mit dem ElterngeldPlus auf einen gesellschaftlichen Trend: Viele Mütter möchten früher wieder in ihren alten Beruf einsteigen – viele Väter möchten sich gerne mehr um ihre Kinder kümmern“, so die Ministerin bei der Vorstellung der Eckpunkte des neuen Elterngeldes. Es bleibt zu hoffen, dass Frau Schwesig das richtige Gespür hatte und die in einigen Punkten verbesserungswürdige Gesetzesreform von Müttern, Vätern und Arbeitgebern in der Praxis auch tatsächlich angenommen wird.