Foto: Andre Moura | Pexels

„Den Schritt zum Neuanfang habe ich lange vor mir hergeschoben – erst musste ich den Mut dazu finden“

Ihr seid unglücklich in eurem Job? Ihr wisst nicht so recht, wie es weitergehen soll? Dann befindet ihr euch in bester Gesellschaft, wie eine Diskussion in unserer Facebook-Gruppe gezeigt hat. Drei Frauen haben uns von ihrer ganz persönlichen Jobsituation erzählt.

Unzufrieden im Job – aber wie weiter?

In unserer FEMALE FUTURE FORCE-Gruppe auf Facebook gab es Anfang Juli eine Diskussion über Unzufriedenheit im Job. Einige der User*innen, die sich dazu geäußert haben, sind bis heute unglücklich in ihrem Beruf und wissen nicht weiter. Andere denken über einen Neuanfang nach oder haben diesen Schritt schon gewagt. Das Thema scheint wirklich viele zu beschäftigen – also haben wir nachgefragt, ob ein paar von ihnen Lust haben, mit uns über ihre Erfahrungen zu sprechen. Daraufhin haben sich drei ganz unterschiedliche Frauen bereit erklärt, von ihrer persönlichen Jobgeschichte zu erzählen.

Ihre Erzählungen sind tröstend, weil sie zeigen, dass es uns allen ähnlich geht. Und ihre Geschichten machen Mut, etwas zu wagen. Das muss nicht zwingend ein Neuanfang sein, manchmal reicht es auch schon, das Gespräch mit Vorgesetzten oder Kolleg*innen zu suchen, um etwas an der aktuellen Situation zu verändern. Und noch was haben alle drei Geschichten gemein: Die Erfahrung, dass es wichtig ist, weniger zu zweifeln und sich mehr zu trauen.

Marie, 51 Jahre alt, Produktmanagerin im IT-Bereich

Ich bin seit 19 Jahren beim gleichen Unternehmen tätig. Obwohl ich in der Zeit in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet habe, blieb das Themengebiet dasselbe. Nach all der Zeit ist mein Arbeitsalltag von Monotonie geprägt. Dadurch, dass das Unternehmen bei dem ich arbeite so groß ist, sind die einzelnen Tätigkeitsfelder eng abgesteckt und die Aufgaben genau vorgegeben. Ich vermisse den Mut zu Innovation und würde mir mehr Mitspracherecht bei Projekten wünschen. Aufgrund der Unternehmensstruktur ist das aber kaum möglich. Hinzu kommt, dass mein Team so gar nicht flexibel ist. Lieber halten meine Kolleg*innen an alten Strukturen fest als mal was Neues zu probieren. Man spricht lieber von Grenzen als darüber hinaus zu gehen, zudem wird großen Wert auf Hierarchie gelegt. Der Wille, Dinge selbstständig anzupacken, geht meinen Kolleg*innen total ab. Das passt nicht mehr zu mir und meiner Persönlichkeit – wahrscheinlich auch, weil ich mich in den letzten Jahren selbst neu entdeckt und stark verändert habe. Die Einstellung meines Teams zu ändern und diese starren Strukturen aufzubrechen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Mir ist klar geworden, dass ich den Job wechseln muss.

Ich habe mich bereits auf andere Stellen beworben und Gespräche mit einer Headhunterin geführt. Doch diesen ersten Schritt hin zum Neuanfang habe ich lange vor mir hergeschoben. Erst musste ich überhaupt den Mut dazu finden. Irgendwann hat sich bei mir so viel aufgestaut, dass ich realisierte: So kann es nicht mehr weitergehen. Anderen, die unglücklich im Job sind, würde ich raten nicht zu lange zu warten, wenn man feststellt, dass etwas nicht passt. Auch wenn es unangenehm ist, sollte man die Dinge offen ansprechen und Vorschläge unterbreiten, wie es anders laufen könnte. Das habe ich bereits vor einem Jahr gemacht und das Gespräch mit meinem Abteilungsleiter gesucht. Daraufhin wollte er schauen, ob man mir neue Aufgaben übertragen kann, doch bis heute ist nichts passiert und inzwischen glaube ich nicht mehr daran, dass da noch was geschehen wird. Sollte das also – wie bei mir auch – nicht fruchten, wird es Zeit, sich umzugucken.

„Wir Frauen machen tolle Sachen, aber sprechen zu wenig darüber.“

Ich war kürzlich einige Wochen krankgeschrieben und hatte dadurch viel Zeit zum Nachdenken. Mir ist klar geworden, was mir wirklich wichtig ist. Mit diesem Wissen kann ich an neue Stellenausschreibungen rangehen. Für die Zukunft wünsche ich mir ein modernes Arbeitsumfeld, das näher an der Digitalisierung und der Arbeitswelt 4.0 ist. Freuen würde ich mich zudem über mehr Flexibilität und Selbstständigkeit. Generell hoffe ich auf mehr Offenheit, sowohl im Team als auch seitens der Kund*innen. Dazu gehört für mich auch, dass man Dinge ansprechen kann und den Raum hat, Neues auszuprobieren, neue Technologien beispielsweise. Ich kann mir vorstellen, dass ich diese Aspekte eher in einem Startup finde, als bei einem großen Unternehmen. Für eine Stelle, die mich wirklich reizt, wäre ich auch bereit, auf Geld zu verzichten. Hauptsache ein Job, der mich glücklicher macht. Geld ist eben nicht alles.

Auch der Effekt von Networking ist nicht zu unterschätzen. Ich habe mir in den letzten Monaten ein großes Netzwerk aufgebaut, bin heute Mitglied bei „Women in Tech“ und habe dort tolle Menschen kennengelernt. Dadurch ist mir bewusst geworden, dass wir Frauen tolle Sachen machen, aber zu wenig darüber sprechen. Immer denken wir, was wir leisten, sei selbstverständlich. Männer hingegen feiern schon, dass sie ihre Schnürsenkel zubinden können. Auch wir müssen unsere Erfolge sichtbar machen und feiern. Und: Wir dürfen keine Angst haben, uns auf Stellen zu bewerben, deren Anforderungsprofil wir nicht vollständig entsprechen. Dazulernen muss eh jede*r.

Daniela, 43 Jahre alt, Life Coach

Lange wusste ich nicht, was ich beruflich machen möchte, habe an verschiedenen Orten nach meinem Traumberuf gesucht und dafür nicht nur den Job, sondern auch das Land gewechselt. Meine Bilanz: 14 Jahre, vier Länder und drei Berufe. Daher weiß ich nur zu gut, wie zermürbend es sein kann, wenn man sich in seiner beruflichen Situation gefangen fühlt und nicht weiß, in welche Richtung es gehen soll. In dem kleinen Dorf, wo ich aufgewachsen bin, wird man entweder Banker*in, Versicherungskauffrau*mann oder Lehrer*in – die Auswahl an Berufen, die dort vorgelebt werden, ist nicht sonderlich groß. Ich wusste immer: All das ist es nicht. Gleichzeitig hatte ich keine Ahnung, was es sonst sein könnte.

Irgendwann habe ich mich für ein Studium in Englisch, Politik, Italienisch und Journalismus entschieden. Einen Teil meines Studiums habe ich in Amerika absolviert, dieser Gang ins Ausland hat mir gezeigt, dass ich gerne Neues entdecke und die dadurch gewonnene Freiheit genieße. Ich dachte, Journalistin sei der ideale Beruf: Jeden Tag andere Geschichten erzählen und Einblick in neue Welten gewinnen. Nach diversen Praktika in Redaktionen und zurück in Deutschland musste ich jedoch feststellen, dass Fernsehen nicht das Richtige für mich ist. Die Oberflächlichkeit des Business und der Stress, den diese Arbeit mit sich bringt, passten nicht zu mir. Weil es mich wieder ins Ausland zog, habe ich mich auf eine Stelle in Budapest, bei einer ungarischen Nachrichtenagentur beworben. Es reizte mich, in ein Land zu ziehen, dessen Kultur und Sprache mir fremd waren. Ein Jahr lang blieb ich dort, bis mein Vertrag auslief und es mich weiter nach Spanien zog. Angekommen in Barcelona habe ich mich erst mit den unterschiedlichsten Jobs über Wasser gehalten und anschließend vier Jahre lang an einer Sprachschule unterrichtet. Bis zu dem Punkt, an dem ich sowohl von der Stadt als auch vom Job genug hatte. Ich sah keine Möglichkeit mehr, mich weiter zu entwickeln und die Routine im Beruf hat mich gelangweilt. Heute weiß ich, dass ich stets neue Herausforderungen brauche. Wenn das nicht gegeben ist, fehlt mir was. Nach dem Job als Sprachlehrerin habe ich damit begonnen, Drehbücher zu schreiben. Ich dachte, das ist es jetzt und bin zurück nach Deutschland, um in Berlin neu anzufangen. Mit Zeitarbeit habe ich mir die Freiheit zum Schreiben der Drehbücher finanziert, nur um erneut festzustellen, dass das nicht das Richtige ist. Also ging es wieder zurück in einen Vollzeitjob an einem Sprachinstitut, wo ich dann fünf Jahre lang gearbeitet habe.

„Inzwischen weiß ich, dass ich nie einen klaren Karriere-Weg verfolgt habe, weil ich gar nicht wusste, wohin es gehen soll.“

In der Zeit habe ich mich stark mit persönlicher Weiterentwicklung beschäftigt und das Coaching für mich entdeckt. Also habe ich nebenberuflich die Ausbildung zum Life Coach gemacht und so endlich einen Job gefunden, der all das vereint, was ich gern mache: Schreiben, mit Storytelling arbeiten, kreativ sein und neue Dinge ausprobieren. Durch die unterschiedlichen Menschen, die ich coache, ergeben sich immer neue Herausforderungen. Zudem ist die Selbstständigkeit per se eine riesige Herausforderung. Und das Beste: Wenn man für die eigene Sache arbeitet, fühlt es sich nicht an wie Arbeit. Mir ist klar geworden, dass ich genau das brauche. Ich bin ein totaler Freiheitsmensch und lasse mir nur ungern sagen, was ich zu tun habe. In vielen Unternehmen haben mich die Macht- und Egospielchen stark gestört. Heute kann ich Frauen helfen, die darauf auch keine Lust mehr haben. Mir macht es Spaß, Menschen weiter zu bringen.

Inzwischen weiß ich, dass ich nie einen klaren Karriere-Weg verfolgt habe, weil ich gar nicht wusste, wohin es gehen soll. Häufig habe ich mich mit anderen verglichen und deshalb schlecht gefühlt; ja mich sogar gefragt, was mit mir nicht stimmt. Diese Unzufriedenheit lähmt, man fühlt sich gefangen, weil man nicht weiß, was man stattdessen tun könnte. Heute weiß ich, dass ich mich erst entwickeln und all diese Erfahrungen machen musste, um den richtigen Job für mich zu finden. Inzwischen kann ich mit stressigen Situationen gut umgehen – auch dank all der Erfahrungen im Ausland, an denen ich sehr gewachsen bin. Lange dachte ich, Deutschland sei das Problem, doch irgendwann habe ich begriffen, dass ich die Lösung nicht im Ausland, sondern bei mir suchen muss. Und dennoch hat es lange gebraucht, bis ich mich frei machen konnte vor der Angst zu Scheitern und der Meinung anderer. Mein Tipp: Kommt aus dem Grübeln raus und fangt an, zu machen. Findet raus, was ihr gerne tut. Träumt. Und trefft Leute, die bereits im angepeilten Job arbeiten. So kann man herausfinden, wie man dahin kommt und ob der Beruf den Vorstellungen entspricht. Viele Menschen machen den Fehler, dass sie untätig bleiben, weil sie einfach nur Denken. Doch vom Nachdenken allein verändert sich nichts. Mein Tipp: Raus aus der Komfortzone. Man ist nie zu alt für einen Neuanfang, ich war damals über 40 Jahre alt.

Andrea, 32 Jahre alt, Selbstständige Reiseveranstalterin und Tourguide

Mein Umbruch begann schleichend. Den exakten Tag kann ich nicht nennen. Als Kind und Teenager liebte ich es Hütten zu bauen, im Schlamm zu wühlen und Flüsse und Wälder zu erforschen. Ich war stets offen Fremden gegenüber und liebte es, Neues zu entdecken. Dabei war ich in meinem Element. In der Phase des Erwachsenwerdens, zwischen dem Druck mich für einen Job zu entscheiden, zwischen all den Fragen und der Unwissenheit verlor ich mich. Ich begrub die Lust auf Abenteuer und meine Leichtigkeit – mein Selbstwertgefühl rauschte in den Keller. Ohne große Lust darauf, machte ich nach der Realschule eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Und so schleppte ich mich jeden Tag ins Büro und durch den Alltagstrott. Ich war unglücklich, weil ich kaum eigene Entscheidungen treffen durfte, geschweige denn neue Ideen einbringen oder selbstbestimmt arbeiten konnte. Hinzu kamen miesgelaunte Menschen im Unternehmen, Machtspiele und Kontrolle. Dennoch versuchte ich irgendwie weiter an einer Karriere als „Super-Büro-Talent“ zu basteln. Ich machte sogar ein Abendstudium zur Betriebswirtin, in der Hoffnung, mich dadurch besser zu fühlen und weiter zu kommen.

Die Sehnsucht nach Abenteuern und Neuem schlummerte aber weiter in mir und so entdeckte ich mit Anfang Zwanzig meine Freude am allein Reisen. Und endlich war es wieder da, mein Feuer. Auf der Suche nach Abenteuern und Neuem fand ich wieder zu mir. Danach vergingen jedoch nochmal fast zehn Jahre zwischen „Ich spare auf meinen nächsten Reise-Abenteuer-Trip und „Och nö, heute wieder durchziehen und die acht Stunden im Büro hinter mich bringen. Ich hasse meinen Job, sch… Hamsterrad“. Irgendwann hatte ich die Nase so voll davon, dass ich mir ans Herz fasste und eines morgens zu meinem Spiegelbild sagte: „Andrea! Bist du noch da? Willst du echt so weiter machen? Was willst du im Leben? Warum bist du hier?“ Die Antwort war: „Reisen, Abenteuer und andere Frauen bewegen und begeistern.“ In dem Moment fasste ich den Plan, mein eigenes Unternehmen zu gründen und Abenteuerreisen nur für Frauen anzubieten. Nächtelang arbeitete ich an der Umsetzung dieser Idee und konnte so nach einigen Wochen bereits die ersten Reisen organisieren.

„Anstatt einen Gedanken in die Tat umzusetzen, überlegen wir uns, warum wir das nicht tun sollten.“

Das klingt vielleicht ziemlich mutig, aber um ehrlich zu sein, hatte ich nie viel Selbstvertrauen. Nur hatte ich irgendwann die Nase so voll von meinen Ausreden und dem eigenen schlechten Zureden. Alles beginnt im Kopf – Gedanken werden zu Handlungen und diese zu deinem Leben. Das funktioniert sowohl im Negativen wie damals bei meinem Bürojob, als auch im Positiven, wie bei meinem heutigen Beruf als Reiseveranstalterin und Tourguide. Theoretisch können wir alles erreichen, egal zu welchem Zeitpunkt. Und findet man keinen Weg, so erschafft man sich einen. Wenn ich jetzt mit anderen Frauen zusammen bin, egal ob auf Reisen oder bei Veranstaltungen, merke ich immer wieder, wie viel Kopfzerbrechen wir uns machen. Viele haben das gleiche Problem: Anstatt einen Gedanken in die Tat umzusetzen, überlegen wir uns, warum wir das nicht tun sollten. Immer wenn mich meine Freundin fragt, wie sie herausfindet, was sie tun soll, sage ich ihr: Lauf los, mach, probiere es aus. Das haben wir als Kinder alle getan, wir verlernen es bloß beim Erwachsenwerden. Es ist unheimlich wichtig, Dinge auszuprobieren, um sich zu entwickeln. Würden wir Menschen nichts Neues ausprobieren, wären wir heute nicht da, wo wir sind. Verlieren kann man gar nicht, nur dazu lernen. Heute liebe ich mein Leben, weil ich endlich das lebe, was ich liebe. Durch mein eigenes Unternehmen kann ich nun andere Frauen auf Abenteuer mitnehmen, sie motivieren ihre Träume zu leben und sich endlich mal zu trauen. Das möchte ich nie wieder missen. Denn jede weitere Minute im falschen Job, ist für mich verlorene Lebenszeit.

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