Foto: Flickr - Adam Bautz

Keine Angst vorm Abenteuer – Wie ich als Frau alleine reise

Die erste Reise allein macht ein wenig Angst. Dabei geht es gar nicht um das aufregendste Ziel, sondern um die Erfahrung. Und die meisten werden süchtig.

Die Angst vorm Abenteuer

Jeder hat diese total
coole Freundin, die sich allein in exotische Länder traut. Meine plant
gerade ihren Trip nach Ägypten, im Winter will sie nach Nigeria. Sie war
schon im Sinai, in Israel und Palästina, in Peru, den USA und
Australien. Sie sagt: „Allein ist am Anfang immer schrecklich, dann
spannend, dann total erhebend, dann frustrierend, dann toll, dann wieder
ein bisschen traurig, wenn zuhause keiner so richtig versteht, was man
erlebt hat.“

Was sie vergisst: Zuhause sind manche skeptisch, die
meisten aber neidisch, heimlich natürlich. Wer allein reist, der
beweist Selbstständigkeit, ein wenig Mut, Flexibilität. Er sieht fremde
Länder, ist unabhängig und lernt Menschen aus aller Welt kennen. Allein
reisen, das riecht nach Kardamom, schmeckt nach Muskat-Likör, klingt
nach Panflöte, fühlt sich an wie ein Rucksack auf den Schultern, braune
Haut, ein strahlendes Lächeln und die Haare sitzen unperfekt perfekt
über der schweißfeuchten Stirn im Dschungel. Hallo Klischee, kein
Wunder, dass sich das nicht alle trauen.

Ein erster Versuch

Auf
meiner ersten Reise allein wanderte ich im Elbsandsteingebirge.
Ziemlich unaufregend? Von mir aus. Für mich war die Überwindung, mit mir
selbst klarzukommen, jeden Schritt allein zu tun. Ich nahm kaum Kontakt
zu anderen Reisenden auf – in der Regel sprachen sie mich an, ich habe
in diesen Tagen jede Menge Japaner vor der Bastei fotografiert und
Amerikanern den Weg in Richtung Wallachei gewiesen. Mein Smartphone
stand auf Flugmodus, mein Gesprächspartner war die Spiegelreflexkamera,
die ich stoisch durch die Wälder schleppte. Für fünf Tage nahm ich eine
Auszeit von meinem Leben. Ich wollte allein sein. Zur Ruhe kommen.

Erfahrung ersetzt Mut – nur nicht beim ersten Mal

„Alleinreisen ist keine Frage des Mutes“, schreibt Bloggerin Susanne.
Ihre erste Reise allein führte sie nach Amsterdam, später flog sie nach
Mexiko, Thailand, Hawaii, Singapur. Und sie hat recht. Mut brauchte ich
beim ersten Mal, weil ich auf mich gestellt sein würde. Selbst für
alles verantwortlich. In Marokko war ich unsicher wegen des fremden
Landes, der fremden Kultur. Bei einem Surfurlaub hatte ich Angst, nicht
allein zu sein, sondern unter Fremden, rund um die Uhr.

Bei
jeder neuen Reise nehmen wir die Erfahrungen mit, die wir auf
früheren Reisen gesammelt haben. Man wächst. Als ich mit meiner
Weltenbummler-Freundin nach Ramallah fuhr, war sie entspannt. Ich hätte
mich am liebsten in Verteidigungsposition mit dem Rücken an eine
Hauswand gestellt. Nach zwei Wochen Israel und Palästina war ich
entspannt, heute freue ich mich auf meine Rückkehr in diese Länder. Ich
bin nicht mutig. Ich habe mich an die Kultur gewöhnt, die
Gastfreundlichkeit und ja, auch an die gewalttätige Geschichte der
Region.

Planung ersetzt Zufall durch Irrtum?

„Der ganzen
Reise ein festes Gerüst zu verleihen passte nicht in mein Konzept,
passt nicht in das Konzept der Region“, schreibt Chrissy vom Blog Perspektiven Wechseln.
Sie reiste von Dar Es Salaam in Tansania bis nach Kapstadt. Dreieinhalb
Wochen war sie unterwegs, fand immer wieder neue Reisegefährten. Vorab
hatte sie nur ein paar potentielle Couchsurfing-Gastgeber kontaktiert,
ihre Reise bezeichnet sie als entspannt.

Wenn ich reise, sind
Wochen vorher die Unterkünfte reserviert und ich weiß, welche
Restaurants am besten bewertet sind. Ändert sich das mit mehr Erfahrung?
Mag sein, kann ich derzeit noch nicht beurteilen. Aber wenn ich mit dem
Rucksack von Ort zu Ort wandere, dann will ich vorher wissen, wo die
Betten erträglich und die Weine lecker sind. Uncool? Mir doch egal. Ist
ja keiner dabei, der sich beschweren könnte.

Warum ich so gern allein reise

Ich
erinnere mich an alles. Nichts lenkt ab, ich bin ganz bei mir und an
dem Ort, an dem ich gerade bin. Keine Gespräche über Beziehungen, keine
Ideen für die Arbeit, keine Planungen für die nächsten Tage.

In der Facebook-Gruppe Frauen reisen solo! habe
ich die Frage ebenfalls gestellt. Viele schrieben von ihrer
Unabhängigkeit, wenn sie allein unterwegs sind. Von einer Flucht aus dem
Alltag. Sie fühlen sich gestärkt, haben mehr Selbstbewusstsein, weil
sie alles meistern, was ihnen begegnet. Das hat etwas mit
Erwachsenwerden zu tun, das keine Frage des Alters ist, sondern der
Erfahrungen. Und sie treffen neue Leute, denn wer mit Freunden reist,
der bleibt schnell mal unter sich.

Reisen
sind ein Status-Symbol geworden. Ich finde das anstrengend und ich
möchte meine Ziele nicht danach aussuchen, ob ich genügend Leute damit
beeindrucke. Allein durch Thailand ist gerade total in? Okay, aber in
diesem Jahr reizt es mich einfach nicht. Vielleicht im nächsten. Wenn
ich allein reise, muss ich mein Ziel mit niemandem besprechen. Ich muss
auch das Abendessen nicht ausdiskutieren. Einmal im Jahr ist es schön,
ganz eigene Entscheidungen zu treffen.

Allein
zu reisen, sich dabei aber Fremden anzuschließen, hat seinen ganz
eigenen Charme. Ein Freund von mir lernte in zwei Wochen
Selbstfindungsroadtrip: Mitten in der Nacht, mit der Gitarre unter
Fremden auf einem Bürgersteig sitzend, das sind die Momente, in denen du
dich selbst findest. Allein in der Wildnis funktioniert das nicht.
Fremde Menschen haben keine Vorurteile. Wir müssen keine Erwartungen
erfüllen und wir müssen uns auch nicht konsistent zu etwas verhalten,
das wir gestern vielleicht noch gesagt haben. Das ist Freiheit.

Wo die Gefahren liegen

Gefahren?
Nein, es geht mir nicht um Alltagsprobleme. Wie ein Navigationsgerät
funktioniert hat sich mittlerweile rumgesprochen, Sprachbarrieren überwindet gutes Englisch fast immer,
wenigstens nach einigem Suchen. Als Frau hilft manchmal die Anpassung
an lokale Gegebenheiten, kulturell bedingt im Extremfall nur die
männliche Begleitung. Das ist die eine Art von Gefahr. Wir überwinden
sie durch Planung, die Seiten des Auswärtigen Amtes kann ich vor Reisen
nur empfehlen, außerdem bin ich ein ewiger Reiseführerjunkie.

Die
beste Frage, die andere vor Alleinreisen stellen ist ja diese hier:
„Und was machst du wenn (setze eine beliebige scheinbar ausweglose
Situation ein)?“ Die Antwort lautet jedes Mal: Weiß ich doch nicht.
Keine Ahnung, was ich gemacht hätte, wenn ich in der Wüste Tunesiens
einen platten Reifen gehabt hätte. Erstmal ein dummes Gesicht, kurze
Panikattacke und dann hätte ich eine Lösung gefunden. Was ich mache,
wenn ich im Sommer im Sinai entführt werde? Nichts. Hoffen, dass ich da
heil wieder rauskomme.

Die andere Gefahr liegt in uns selbst.

„Manchmal findet man sich selbst auf Reisen, nur um sich im nächsten Moment wieder zu verlieren“, schreibt Bloggerin Flashpackcitygirl.
Diesen Satz finde ich interessant – auf mich trifft er zu. Das passiert
nicht, wenn ich unter Fremden bin und Abenteuergeschichten lausche oder
sie erzähle. Es passiert, wenn ich allein 40 Kilometer durch den Wald
laufe, gelegentlich an Aussichtspunkten halte und Honigwaffeln esse.
Plötzlich sind da diese Lösungen für Probleme, die ich noch nie hatte.
Ich überlege mir Antworten auf Dinge, die noch nie jemand zu mir gesagt
hat.

So lernen wir auf der Reise mit uns selbst auch mal den
Neurotiker in uns kennen. Gesellschaft hilft dagegen, Achtsamkeit aber
auch. Bloggerin Mandy von Movingroovin
schreibt, dass sie als Kompensation ihre Erlebnisse aufschreibt. Und
vielleicht lässt sich die Neurotikerin ja mit einem Ausblick über Berge
im Sonnenuntergang bestechen.

Ja, aber…

Aber was? Ja, es
kann etwas passieren. Aber diese moderne Angst, wir würden mit
Situationen nicht fertig werden, die ist für Durchschnittserwachsene
nicht realistisch. Und die Hipster-Reisen anderer schüchtern nur ein.
Andere sind bei einer Reise allein aber nicht die Messlatte, deshalb
macht man sie ja allein. Wir messen uns an uns selbst. Das ist die
größte Herausforderung. Und Spinnen.

Der Originaltext von Isabell Prophet ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf  Facebook folgen.

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