Foto: Martina Dopfer

Reisen ohne Smartphone – oder: Die Entdeckung von 1000 unterschiedlichen Welten in zwei Wochen

Wie oft bist du schon auf Reisen gegangen und hast dir überlegt, dein Handy zu Hause zu lassen? Und wie oft hast du es schon gemacht?

 

Reisen wie vor zehn  Jahren – ohne Smartphone

Wie in jedem Jahr habe
ich mich auch diesen Herbst mit einer Freundin wieder auf Reisen gemacht. Es
sollte nach Asien gehen, genauer nach Thailand und Kambodscha. Ich hatte schon
vor zehn Jahren als sehr junge Backpackerin mit kleinem Budget das Glück, Thailand zu
bereisen und war gespannt auf die Veränderungen in dem Land.

In den letzten
Reisevorbereitungen ist mir bewusst geworden: Ich habe auch Lust, ein
wenig mehr wie damals zu reisen – also ohne Smartphone.

Gesagt, getan. Am Tag
unserer Abreise haben wir beide unsere Smartphones verabschiedet und sind los
zum Flughafen. Ein Geständnis hier am Rande: Wir hatten ein altes Gerät dabei,
für das wir eine thailändische SIM-Karte besorgen wollten, aber auf diesem Gerät wurde
nicht mehr als Chrome und Maps installiert.

Wie abhängig sind wir wirklich vom Smartphone?

Schon auf dem Weg zum
Flughafen wurde es interessant: Wie finden wir jetzt eigentlich ein Drive Now?
Auch die Nutzung des aktuellen 50-Prozent-Angebots von MyTaxi fiel weg. Aber siehe
da, man kommt auch so zum Flughafen, zum Check-in und nach Thailand. Dort hatten
wir eigentlich die ersten kalten Entzugserscheinungen erwartet. Aber ganz im
Gegenteil: Schon am ersten Tag in Bangkok entdeckten wir, wie skurril unsere
Welt – auch in Asien – geworden ist. Menschen unterhalten sich nicht mehr,
sondern schauen eigentlich fast ohne Ausnahme in ihr Smartphone. Egal ob auf Flughäfen, Bahnhöfen oder den diversen Malls. Der Schein des Bildschirms ist
das UV-Licht der Neuzeit geworden.

Während wir dies so beobachteten, fiel uns auf, wie
viel Zeit für uns selbst entstand. Plötzlich gab es nicht nur keine Gelegenheit
mehr, Facebook zu checken und über all die Events, die man verpasst hat, oder
die tollen Reisen, die man noch nicht gemacht hat, nachzudenken. Auch das
Warten auf die Whatsapp-Antwort von wie-hieß-er-gleich-noch fiel weg. Stattdessen war da wieder Raum für ja – was
eigentlich? Erst mal: zum Lesen. Ich habe in zwei Wochen neun Bücher gelesen.
Ich hatte ganz vergessen, wie schön es ist, um des Lesens willen zu lesen. Auf unseren Urlaubsfotos sitzen wir mehr als einmal mit einem Buch auf den Knien
zwischen anderen Reisenden, die gerade Selfies schießen oder einfach nur
Smartphone-Wischen spielen.

Ohne Smartphone: Endlich ist denken wieder möglich

Und  wie
viele, neue Gedanken auf diesem Weg entstehen. Bücher und Geschichten über
fremde Leben, Kulturen und Welten regen zum Denken an. Das ist für uns alle
keine Neuigkeit. Doch ich gestehe, in meinem normalen Berliner Leben saß ich
nur noch selten in der Bahn und las. Auch wenn ich im Café, Restaurant oder
vor dem Kino wartete, prüfte ich, was es so Neues in der Smartphone-Welt gab. Das iPhone klebte in meiner Hand und das Wischen war zu meiner größten sportlichen Betätigung geworden.

Ich behaupte, das hat
meinen Horizont verkleinert, ohne dass es mir bewusst war. Denn die
Nachrichten, die wir so konsumieren, ob privat, beruflich oder politisch, sind
ständig Kurzfassungen, die in unsere Wischbewegungen passen müssen. Die
Webseiten, die wir besuchen, sind eigentlich immer die gleichen und die Inputs,
die wir so erhalten, drehen sich letztlich in einem Radius mit sehr kleinem
Kreis. Dabei möchte ich unser Smartphone-Dasein nicht verurteilen – wer
verurteilt sich schon gerne selbst?

Die Welt wahrnehmen, statt nur den Bildschirm zu sehen

Was mir aber noch
aufgefallen ist: Ich war in den zwei Wochen auf Reisen sehr viel offener. Meine
Augen haben wieder die Welt um mich wahrgenommen – die Asiaten, die
an allen Stellen emsig ihre Infrastrukturen ausbauen, die kleinen Kinder, die
nach wie vor mit scheinbar erwachsenen Augen um Geld betteln und die
Taxifahrer, mit welchen man lange nicht mehr so gut Preise verhandeln kann wie
einst. Die Gerüche der Streetfood-Stände waren auf einmal sehr präsent und die
Farben der Mönchsgewänder eine intensive orangene Freude vor den goldenen
Statuen. Sicher kann man all das auch trotz Smartphone-Nutzung sehen und vor
allem auch gleich ein Foto schießen. Aber auch hier: Das Eintauchen in die
Welt, das bewusste Riechen, Spüren und Sehen braucht Zeit!

Dann entstehen auch
wundervolle Fotos, die man mit einer hochauflösenden Kamera später ganz anders
genießen kann als mit einem Smartphone. Natürlich fiel durch den Mangel an
Smartphone-Fotos und Apps die Chance weg, Bilder zu versenden, Likes zu
generieren
oder vielleicht auch die Familie Anteil nehmen zu lassen. Aber
gleichzeitig haben die langen E-Mails, die man an die Familie verschickte, eine
ganz andere Qualität der Kommunikation gezeigt. Und mal ehrlich – fährt man
nicht auch eigentlich in den Urlaub, um mal abzuschalten und sich eben nicht
mit den Alltagsthemen von zu Hause auseinandersetzen zu müssen? Gerade wenn man
bedenkt, dass man die entscheidenden Themen entweder sowieso nicht erfährt (meine
Eltern hätten nie auf Facebook gepostet, dass mein Opa einen Schlaganfall
hatte) oder aus der Ferne nichts daran ändern kann.

Nun wieder zurück im
schönen Berlin kann ich sagen, ich bin sehr dankbar über die (fast)
Smartphone-freie Reiseerfahrung. Der Cold Turkey hat sich während der gesamten
Reisezeit nicht einmal eingestellt. Ich habe mich eher befreit gefühlt.
Der Raum, der so entstanden ist, hat so viele Gedanken, Gespräche und
Wahrnehmungen ermöglicht, die unglaublich bereichernd und entspannend waren.
Und noch immer amüsiere ich mich über die vielen Selfie-Sticks, die Mönche mit
Smartphones und den GoPro-Backpacker auf unseren Fotos.

Gleichzeitig steckt nun
wieder jeden Tag ein Buch in meiner Tasche: U-Bahn-Fahrten, Wartezeiten in Cafés
und Restaurants sind so sehr viel spannender geworden. Mit meinen Zeilen möchte
ich nicht dafür plädieren, Smartphones aus unseren Leben zu verbannen oder sie
verurteilen. Ich liebe mein iPhone nach wie vor und freue mich nun auch wieder, es zu nutzen. Ich möchte nur darauf hinweisen, wie viel Zeit, Entspannung und Einsichten
wir gewinnen können, wenn wir uns manchmal bewusst machen, dass es eben auch
ohne geht!


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