Mobiles Arbeiten wird die neue Norm werden, sagt Jaleh Bisharat von Elance-oDesk. Das fordere insbesondere Manager, erklärt sie im Interview mit uns.
Jaleh Bisharat ist Senior Vice President of Marketing bei Elance-oDesk, einer Plattform, die es Freelancern und Unternehmen weltweit ermöglicht zueinander zu finden. Sie sagt: „Die Arbeit ist nicht länger ein Ort“ und beschäftigt sich in ihrer Rolle als Managerin damit, wie virtuelle Teams am besten miteinander arbeiten. Wir haben mit ihr am Rande der DLDwomen-Konferenz über die Chancen von Flexibilität und die Herausforderungen an sowohl Manager als auch Mitarbeiter gesprochen, die eine neue Arbeitswelt mit sich bringt.
Was hält Unternehmen davon ab, flexibler zu werden und ihren Angestellten frei zu überlassen, von wo aus sie arbeiten wollen?
„Ich glaube, es sind zwei Dinge. Das eine ist Bewusstsein. Wenn man flexibleres Arbeiten erst einmal ausprobiert, geht einem tatsächlich ein Licht auf! Bei Elance-oDesk haben wir so genannte Hybrid-Teams: Wir haben 250 Vollzeitangestellte und 500 Freelancer überall in der Welt. Die zweite Sache ist Gewohnheit und auch Erfahrung. Alles, was neu ist, braucht ein wenig Zeit, um zu funktionieren und schließlich als alltäglich zu gelten, so wie vielleicht auch Airbnb oder Uber.“
Wie führt man Teams, die nicht im Unternehmen selbst arbeiten?
„Das ist keine Aufgabe für schlechte Manager. Wer virtuelle Teams anleiten will, muss ein exzellenter Manager sein. Ich würde sagen, man nutzt reguläre Führungsskills, aber man muss sie stärker ausspielen und ausdifferenzieren. Man muss Erwartungen und Deadlines klar formulieren und dem Mitarbeiter ganz genau sagen, welche Ergebnisse man sehen will. Das ist ganz wichtig, wenn man nicht im gleichen Büro ist. Zudem muss man Mitarbeiter motivieren können. Man darf nicht vergessen sich zu bedanken, zu loben oder jemandem eine Gehaltserhöhung zu geben. Also: Wenn du ein Onlineteam führst, verbessere deine Managementfähigkeiten.“
Ist mobile Arbeit etwas, dass vor allem von den Entscheidungen von Frauen vorangetrieben wurde?
„Nein, das würde ich nicht sagen, auch wenn man gerade sieht, dass Frauen es stärker einfordern. Aber Flexibilität wollen heute alle – und dabei geht es nicht nur um Kindererziehung. Es geht zum Beispiel auch um die Pflege von Angehörigen. Ich denke, was mobile Arbeit wirklich vorangetrieben hat, sind die Instrumente, die wir jetzt haben: das Internet, Kollaborationstools und echte Online-Arbeitsplätze. Das alles macht es möglich, dass wir ganz neu darüber nachdenken, wo Talent sein kann.“
Wie muss sich unser Zuhause verändern, wenn immer mehr Menschen von dort aus arbeiten?
„Das ist eine sehr wichtige Frage. Mit Flexibilität kommt auch Verantwortung. Nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für sich selbst. Wenn man arbeitet, wo man möchte, und wann man möchte, muss man immer auch Resultate abliefern. Ein wichtiger Teil davon ist es, sich selbst zu motivieren und erfolgreich sein zu wollen. Wenn wir zur Arbeit fahren, passiert ein Kontextwechsel – man stellt sich auf das Büro und Mitarbeiter ein, lächelt vielleicht mehr und tritt professioneller auf. Wir raten unseren Mitarbeitern, die von Zuhause aus arbeiten wollen, sich dort einen Arbeitsplatz einzurichten. Die Familie muss wissen, dass wenn du dich dorthin zurückziehst, es deine Arbeitszeit ist. Ich kenne auch Leute, die sich Zuhause dann anders anziehen, um in ihren Arbeitsmodus zu kommen. Neben dem richtigen Ort braucht man natürlich dann auch die notwendige technische Ausstattung und Online-Tools.“
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf Unternehmen aus?
„Die Unternehmen der Zukunft werden mit Hybrid-Teams arbeiten. Ich glaube nicht, dass klassische Büros in naher Zukunft aussterben, aber ich glaube, dass mehr und mehr Menschen die Wahl haben werden, ob sie im Büro arbeiten, von Zuhause aus oder in Coworking-Spaces. Zudem werden Unternehmen flexibler werden und mehr Teilzeitmodelle anbieten und mehr Freelancer beschäftigen.“
Habt ihr Freelancer bei Elance-oDesk, die ihre Chefs irgendwann treffen wollen?
„Klar, die gibt es. Deshalb sind Videokonferenzen so ein wichtiges Tool. Der persönliche Kontakt und sich zu sehen, darf nicht unterschätzt werden.“
In deinem Vortrag auf der DLDwomen hast du gesagt, dass Mitarbeiterloyalität als Wert abnimmt. Ändert das die Art und Weise, wie Mitarbeiter gewertschätzt werden, da Unternehmen wissen, dass die Fluktuation höher ist?
„Genau das führt dazu, dass Mitarbeiter mehr Wertschätzung erfahren. Ich arbeite hart dafür, um meine guten Kollegen im Unternehmen zu halten. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Menschen sich eine Firma aussuchen und dort den Rest ihres Lebens bleiben. Bei mir setzt es jedes Mal neue Energie frei, wenn ich eine tolle Person eingestellt habe. Ich setze alles daran, dass sie für unser Unternehmen arbeiten wollen und dass ihnen ihre Arbeit wirklich gefällt. Loyalität kann man als Unternehmen nicht mehr voraussetzen.“
Welche Qualitäten muss ein moderner Manager haben?
„Was gar nicht mehr geht, ist eine Kultur der Angst, in der Mitarbeiter sich vor dem Chef fürchten und ihn ständig beeindrucken müssen. Als Manager muss man heute eine Kultur schaffen, die Motivation vermittelt, Inspiration – sogar Liebe. Man muss ein Manager sein, für den die Angestellten wirklich gern arbeiten und der sie motivieren kann.“
Wie verändern sich die Anforderungen an Mitarbeiter in der mobilen Arbeitswelt? Wie muss sich die Ausbildung verändern?
„Fähigkeiten werden wichtiger als Abschlüsse, das ist meine ganz persönliche Meinung. Natürlich sind Universitäten immer noch wichtig, denn jeder sollte mehr über die Welt lernen, kritisch denken und schreiben können. Was heute aber nicht mehr gilt, ist, dass man die Universität verlässt und dann nie wieder lernen muss. Wir werden den Rest unseres Lebens Studenten sein. Ich besuche zum Beispiel Kurse, weil ich kein Digital Native bin und dazu lernen will. Wer sich auf die Arbeitswelt von heute vorbereiten will, muss wissen, dass er sich jeden Tag weiterbilden muss. Und dafür gibt es so viele tolle Wege: Wir lernen voreinander, in Webinaren, auf Konferenzen.“
Fällt das jüngeren Menschen leichter?
„Jüngeren liegt diese Art der Bildung eher, weil sie mit den Tools aufgewachsen sind, in einer flexiblen Welt und sie es nicht kennen, nur einem Unternehmen Loyalität entgegen zu bringen. Aber auch ältere Menschen sind voller Motivation und guter Ideen. Vielleicht, weil sie das Einkommen brauchen, Wissen weitergeben wollen oder ein kleines Unternehmen haben, das wachsen soll. Der Bewusstseinswandel findet über alle Altersgruppen hinweg statt.“
Freelancer zu sein kann auch finanzielle Unsicherheit bedeuten – Sie stehen im weltweiten Wettbewerb hinsichtlich ihrer Honorare, die Auftragslage kann schwanken, die Altersversorgung muss organisiert werden. Wie kann das verbessert werden?
„Ein reiches Leben zu haben bedeutet nicht mehr, Geld und Macht zu haben. Vielen geht es heute um Erfahrungsreichtum. Gerade die jüngere Generation hat diese Anschauung. Als Unternehmer haben wir aber Verantwortung, eine flexibler werdende Welt auch besser zu organisieren. Weder Unternehmen noch die Politik haben dazu bereits die passenden Antworten. Wie verbessern wir soziale Sicherungssysteme, die Altersvorsorge, Versicherungsmöglichkeiten? Ganz besonders für kleinere Selbstständige. Wir müssen die Welt jetzt um die neuen Arbeitsmodelle herum designen!“