Gleichberechtigung funktioniert super – bis man gemeinsam ein Kind bekommt. Warum dominieren in unserer Gesellschaft immer noch die verstaubten Rollenbilder von „Mutter” und „Vater”?
Elternzeit wird zu Mutterzeit
Vor kurzem war ich mit meinem Freund und unserer einjährigen Tochter sechs Wochen im Urlaub. Es war der Abschluss meiner Elternzeit, wohlgemerkt nur der bezahlten, denn bis wir einen Kitaplatz sicher haben, bleibe ich weiterhin zu Hause. Dann erst werde ich mein Masterstudium fortsetzen und wieder arbeiten gehen können. Das Eine bedingt das Andere.
Mein Freund studiert ebenfalls und hat aus finanziellen Gründen keine Elternzeit genommen, es hätte sich nicht gelohnt. Hinzu kam das bekannte Stillproblem: Da ich stille ist es vielleicht besser, wenn ich erstmal zu Hause bleibe. Und ein bisschen wollte ich auch zu Hause bleiben und das neue Mutterglück genießen. Schwups hatte sich die klassische Rollenverteilung bei uns eingeschlichen: Mama zu Hause, Papa draußen und das obwohl ich mich durchaus als emanzipiert und selbstständig bezeichnen würde.
Alte Rollenklischees sind immer noch aktuell
Blicke ich auf meine Freunde und Freundinnen mit Kindern in heteronormativen Beziehungen, die nicht (mehr) studieren, zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch hier machen vorwiegend die Mütter Elternzeit bzw. übernehmen einen Großteil davon. Selten kommt ein Vater über die Viermonatsgrenze hinaus. Und das auch wenn er der Besserverdiener ist und sein Elterngeld dementsprechend höher wäre. Jetzt kann man natürlich argumentieren: Klar macht er dann nur kurz Elternzeit, schließlich braucht die Familie sein volles Gehalt. Mag stimmen, aber auch nur zum Teil. Vielleicht wäre sein Elterngeld plus ihr volles Gehalt ja am Ende gar nicht so viel weniger, als ihr weniges Elterngeld und sein volles Gehalt. Klar, mit ziemlicher Sicherheit weniger, aber eben nicht so viel weniger. Oder aber die Mama hätte jetzt vielleicht die Möglichkeit, sich in einen neuen Vollzeit-Job zu stürzen und (fast) genauso viel Geld nach Hause zu bringen wie der Papa. Dass Frauen nach wie vor weniger verdienen als Männer, ist eine wirklich traurige Tatsache die Erhebliches zur Problematik beiträgt.
Und was passiert wenn die Frauen in ihren Job zurückkehren? In meinem Freundeskreis hat ein Papa ab dem achten Lebensmonat übernommen und die Mama ist für 30 Wochenstunden zurück ins Büro. Die Reduzierung auf 30 Stunden war ihr Wunsch, aber häufig dürfen Mamas nur noch 30, oder sogar nur 20 Stunden zurückkehren und nicht, wie vorher, 40. Die Frage die sich hier aufdrängt: Welchem Papa passiert das? In meinem Freundeskreis jedenfalls keinem.
Zweierlei Maß
Nach ihrer Rückkehr ins Büro hat die beschriebene Mama dann offiziell den Mutti-Stempel aufgedrückt bekommen und darf jetzt zugucken, wenn andere sich ausleben. Sprich, sie hat weniger bis gar keine Verantwortung, darf keine Projekte mehr leiten, nicht selbstständig entscheiden, aber gerne zuarbeiten. Das Kind könnte im entscheidenden Moment ja krank werden und sie deshalb ausfallen. Und auch hier wieder die Frage: Welchem Papa passiert das? Schließlich werden dessen Kinder ja auch mal krank.
Überhaupt, welcher Papa wird nach Bekanntgabe der Schwangerschaft vom Chef gefragt, wie er das denn macht mit dem Job und der Elternzeit und wann er voraussichtlich wieder voll und ganz da ist? Fast wie selbstverständlich wird angenommen, dass das mit dem Baby nach der Geburt erstmal Mama-Business ist. So selbstverständlich, dass auch die Mama das bald glaubt und völlig vergisst, dass es Möglichkeiten gibt, trotz Baby und Stillen weiterhin zu arbeiten und dass sie ja eigentlich gar nicht zum Heimchen werden wollte.
Der Wiedereinstieg ist nicht immer leicht
Als Mutter schnell und vollständig ins Berufsleben zurückzukehren, ist leider nicht der einfachste Weg. Genau hier zeigt sich mehr als deutlich: Das war’s mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Als Mutter muss man sich komplett neu strukturieren, neue Ansprüche stellen, andere, vor allem den Super-Mama sein zu können, senken. Ein Super-Papa ist mindestens genauso wichtig. Man braucht die Unterstützung vom Partner, denn alleine ist es kaum zu schaffen. Noch problematischer also, wenn man keinen hat.
Ich habe oft das Gefühl, dass Frauen hier häufiger (freiwillig) zurückstecken und verzichten, statt sich zu verwirklichen. Und wer das nicht glaubt, der sollte sich mal Zahlen zu Müttern und Vätern in Elternzeit anschauen. Oder welche dazu, wie viele Vollzeitstellen mit Männern bzw. Frauenbesetzt sind. Oder aber welches Geschlecht die höheren Gehaltsklassen dominiert. Das alles ist mit Sicherheit nicht auf biologische oder neurologische Unterschiede zurückzuführen, sondern darauf, dass die Umwelt uns dahingehend erzieht. Die Erwartungshaltung an eine „gute“ Mutter ist nämlich nicht sich selbst zu verwirklichen oder die Familie zu ernähren (beim Vater hingegen schon), sondern sich primär um die Familie zu kümmern. Arbeiten scheint dann wieder ok, wenn es dem Bedürfnis der Familie nicht in die Quere kommt. Also frühestens dann, wenn das Kind anderweitig betreut wird und selbst dann gerne nur in Teilzeit.
Die entsprechenden Erwartungshaltungen von Chef, Partner, Freunden und Familie sind nicht nur das Ergebnis einer langjährigen Sozialisation, sondern auch der Politik. Zeigen tut sich das oftmals, wenn es hart auf hart kommt. Dann nämlich wenn die Mutter tatsächlich schnell nach der Geburt arbeiten gehen will. Nicht selten steht sie dann vor einem massiven organisatorischen Arbeitsaufwand. Da gilt es nicht nur, sich frei zu machen von Erwartungen, sondern auch fehlende politische Strukturen eigenständig aufzufangen, z.B. wenn es noch keine staatliche Betreuungsmöglichkeit für das Kind gibt. Dann muss leider eine private Lösung her und die bedeutet nicht selten: weiterhin zu Hause bleiben.
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