Gleichberechtigung bei der Kinderbetreuung liegt in Deutschland immer noch in weiter Ferne. Aber es gibt Modelle, in denen es Müttern und Vätern gelingt. Ein Beispiel.
Der Stand der Dinge
In einem kürzlich hier erschienenen Artikel „Mütter sollen arbeiten – aber bitte nur in Teilzeit” wurde eine neue OECD-Studie zum Thema Gleichberechtigung in Job und Familie und deren traurige Ergebnisse für Deutschland vorgestellt.
Doch aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es geht auch anders! Um mehr Frauen Mut zu machen, sich für eine neue, eine bessere Rollenverteilung einzusetzen, möchte ich hier von unserer kleinen Familie berichten.
Die Zeit zu zweit – Double Income, No kids
Als mein Mann und ich uns kennenlernten, arbeiteten wir beide Vollzeit. Ich als Ingenieurin in der Automobilindustrie mit einer realen Arbeitswoche von 36 bis 40 Stunden, er angestellt in der Gastronomie mit 20 Stunden an zwei Tagen die Woche und selbstständig als Versicherungsmakler den Rest der Woche bzw. bei Bedarf. Einen mir angebotenen Arbeitsvertrag mit mehr Stunden habe ich abgelehnt, da mir die Freizeit viel wichtiger war als das Extrageld – ich habe es zum Glück nicht benötigt. Auch mein Mann legt seit jeher viel Wert auf seine Freizeit und hat sich seine Arbeit so eingeteilt, dass die notwendigen Fixkosten mit seiner Angestelltentätigkeit gedeckt sind. Dies geht natürlich nur, wenn man auf bestimmte Statussymbole verzichtet – was für uns beide nie ein Problem war. Uns waren Erlebnisse schon immer wichtiger als Dinge.
Elternzeit – No Income but kids?
Seit gut einem Jahr sind wir nun Eltern. Für mich war von Anfang an klar, dass ich recht schnell wieder arbeiten wollen würde. Nach der Geburt unseres Sohnes blieb ich daher sieben Monate zuhause. Aber auch mein Mann hat sich viel Zeit genommen, indem er fast keinen Versicherungstätigkeiten nachging und somit fünf Tage pro Woche Zeit für uns hatte.
So hatten wir nicht nur viel Zeit als Familie, sondern auch die Hausarbeit wurde mehr oder weniger gleich verteilt: mein Mann übernahm das Fensterputzen sowie Staubsaugen und Wischen (dank Haushaltsroboter fast schon ein Vergnügen), bekochte mich und sorgte auch sonst für mein Wohlbefinden, während ich mich um unseren Sohn sowie all die anderen Hausarbeiten wie Wäsche waschen, Bad putzen, etc. kümmerte.
Wiedereinstieg – Back to Work!
Wir nutzten die Möglichkeit des Elterngeld Plus, um auch weiterhin zu arbeiten bzw. bald wieder in den Job einzusteigen. Als unser Sohn sieben Monate alt war fing ich an, 15 Stunden an 2 Tagen pro Woche zu arbeiten. Wir teilten uns die Betreuung: zwei Tage Papazeit, zwei Tage Mamazeit und die anderen Tage hatten wir gemeinsam. Eine neue Erfahrung für meinen Mann und eine tolle Zeit für uns drei!
Recht bald stockte ich auf 22 Stunden an drei Tagen auf, denn sowohl auf der Arbeit als auch daheim lief es super. Und nachdem unser Sohn sich bei der Tagesmama bereits mit zehn Monaten pudelwohl gefühlt hat – es gab keine einzige Träne, eher wollte er garnicht mehr mit nach Hause vor lauter Spielfreude – arbeite ich nun wieder 30 Stunden an vier Tagen. Ein tolles Gefühl!
Auch mein Mann arbeitet nun wieder, wie früher sowohl in der Gastronomie als auch als Versicherungsmakler. Jedoch gönnen wir uns nun den Luxus eines freien gemeinsamen Tages pro Woche, der nur für uns und unsere Hobbys reserviert ist: gemeinsam Wandern, Snowboarden, Klettern oder einfach nur gemütlich Frühstücken.
Es geht auch anders – traut euch!
Ich bin mir sicher, ich bin nicht allein mit einem solchen Modell zwischen Teil- und Vollzeit, zwischen Zeit für mich und Familienzeit. Ich freue mich daher über eure Berichte zur Rollenverteilung. Lasst uns möglichst viele verschiedene Familienentwürfe aufzeigen und vielleicht der ein oder anderen Frau Mut machen für eine andere Rollenverteilung!
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