Foto: Alexandre Normand | Flickr

Studie: Männer faken häufiger als Frauen eine lange Arbeitswoche

In Agenturen oder dem Finanzwesen ächzen viele Arbeitnehmer unter viel zu langen Arbeitstagen. Aber einige tun auch nur so.

 

Unsere Arbeitskultur: Work hard, play hard

Wir kennen sie alle, die Horrorstories von 70 bis 80 Arbeitsstunden die Woche – entweder weil wir sie selbst erlebt oder aber von Bekannten aus Agentur-, Consulting- und Finanzkreisen davon gehört haben. Es ist ein Leben unter der Belastung von Überstunden am laufenden Meter und einer steten Erreichbarkeit – Privatleben, ausreichend Erholung oder Familie, das muss hintenangestellt werden. Work hard, play hard. Aber play muss eben auch mal ausfallen.

Aber ist das wirklich so? Eine Studie der Universität Boston belegt nun: Viele Arbeitnehmer faken ihre lange Arbeitswoche lediglich, bekommen dafür aber genau so viel Anerkennung, wie es die wirklichen Arbeitstiere tun. Was, fragt sich Businessinsider, bedeutet das in Bezug auf unsere Arbeitskultur?

Wie viel wird wirklich gearbeitet?

Durchgeführt wurde die Studie mit Arbeitnehmern eines anonym bleibenden US-Consultingunternehmens, das für seinen Druck in Sachen Arbeitswoche und eine ständigen Arbeitsbereitschaft, ganz gleich zu welcher Uhrzeit oder an welchem Ort, bekannt ist. Die Ergebnisse zeigen, dass rund ein Drittel der Mitarbeiter ein System ausgeklügelt haben, wie sie statt 60 bis 80 Stunden lediglich 50 bis 60 Stunden die Woche arbeiten, ohne dass ihre Vorgesetzten das merken. Statt also Arbeitsmails abzuarbeiten oder noch ein Meeting in die späten Abendstunden zu verlegen, wird doch lieber Zeit mit der Familie verbracht.

Viel mehr als um den wirklichen Outcome der Arbeitehmer, geht es also darum, ob man das Bild eines „idealen” Arbeitnehmers transportieren kann. Wer es schafft, eine ständige Erreichbarkeit und Einsatzbereitschaft zu suggerieren, kann also alleine durch die scheinbare Quantität ein Mehr an Qualität vortäuschen. Ist das wirklich etwas, das Arbeitgeber fördern wollen?

Scheinbar always on: Männern fällt es leichter

Männern fällt die nach oben gefakete Arbeitswoche übrigens leichter: Gerade einmal elf Prozent der befragten Frauen korrigieren ihre Arbeitsstunden nach oben, 44 Prozent geben gar ganz offen ihre weniger gearbeiteten Stunden an. Warum ist das so? Fehlt Frauen am Ende das Fake-Gen? Haben sie weniger Chuzpe als ihre Kollegen?

Aber nein. Es ist vielmehr so, dass Frauen schon einmal grundsätzlich die Organisation der Balance von Familie und Arbeit zugschrieben, also von Seiten der Arbeitgeber häufiger als bei Männern von einer Investition der Zeit Zuhause in Familie statt Arbeit ausgegangen wird. Während Frauen damit per se im Fokus des Familienthemas stehen, fällt es Männern häufig leichter, sich hier unter dem Radar zu bewegen. Für sie bleibt folglich mehr illusorischer Spielraum, um den hart arbeitenden Businessmann zu mimen, während man den verdienten Feierabend mit den Kids verbringt.

Die Studie wurde bisher mit rund 115 Arbeitnehmern eines Unternehmens durchgeführt – und ist nicht repräsentativ, aber dennoch aufschlussreich. Denn sie zeigt einmal mehr, wie eine von Leistung über 24/7 ausgelegte Arbeitskultur nur ein Scheinkonzept sein kann und ein historisch geprägtes Geschlechterbild noch heute den Wettbewerb verzerrt.

 

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