Foto: SØR Rusche Sammlung

„Unternehmen müssen zu Gesprächspartnern werden“

Menschen vertrauen dem Mittelstand mehr als großen Konzernen. Der Wirtschaftsethiker Thomas Rusche erklärt, was Familienunternehmen richtig machen.

 

Familien=unternehmen genießen großes Vertrauen

Der Mittelstand ist Vertrauensweltmeister. Umfragedaten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge bringen 88 Prozent der Deutschen Familienunternehmen großes Vertrauen entgegen. Damit haben Familienunternehmer Großkonzerne, Gewerkschaften und Parteien weit abgehängt.

Woher rührt dieses Vertrauen? Die Alfred-Herrhausen-Gesellschaft hatte am Dienstag zum Symposium „Vertrauenerosion – Krisenrhetorik oder mehr?” eingeladen, darunter auch Dr. Dr. Thomas Rusche, Textilunternehmer, Wirtschaftsethiker und Kunstsammler, der erklären sollte, warum der Mittelstand so großes Wohlwollen genießt.

Thomas Rusche ist ein Mann des Understatements. Er nennt sich lieber Herrenausstatter als Unternehmer, brachte aber gleich zu Beginn seines Vortrags auf den Punkt, dass er verstanden hat, warum Vertrauen für den unternehmerischen Erfolg so wichtig ist. „Wenn sie mir vertrauen, dass ich Sie besser einkleide, als Sie selbst und jeder andere, habe ich irgendwann Ihren ganzen Kleiderschrank im Griff“, wandte er sich an seinen Vorredner Professor Henrik Enderlein, der die These vertreten hatte, dass Vertrauen nicht am Anfang von Beziehungen stehe, sondern erst über Politik und Institutionen entstehen könne. Für Rusche, der in der vierten Generation das Unternehmen SØR führt, steht also der Vertrauensvorschuss am Beginn von Beziehungen – egal ob sie geschäftlicher oder persönlicher Natur sind.

Dialogkompetenz von Unternehmen entscheidend

Rusches Kurzvortrag orientierte sich an dem Alfred-Herrhausen-Zitat: „Wir müssen das, was wir denken, auch sagen. Wir müssen das, was wir sagen, auch tun. Und wir müssen das, was wir tun, dann auch sein.” Ihre Absichten in Worte fassen zu können, und ihre Versprechen zu halten, darin sieht Rusche eine Stärke von Familienunternehmen. „Persönlichkeiten werden gebildet über diese Selbstübereinstimmung. Reicht das?”, fragte Rusche, der auch Wirtschaftsethik an Universitäten unterrichtet.

Erst wenn das, was Unternehmer sagen und tun, Zustimmung von anderen erfährt, entsteht Vertrauen, ist die These von Rusche. Diese Art der Vertrauensbildung setze Dialogkompetenz auf Seiten des Unternehmens voraus. Unternehmen müssten dazu zu einem „Gesprächspartner“ werden, der zum Weiterdenken anrege. Um diese Fähigkeit überhaupt bei Kunden und Partnern umzusetzen, müsse zunächst die entsprechende Firmenkultur geschaffen werden, die nach innen wirke, sagt Rusche: „Eine Unternehmenskultur, die es schafft zu, Dialog zu ermuntern, egal auf welcher Hierarchieebene ein Mitarbeiter steht.” Das sei in mittelständischen Unternehmen keinesfalls selbstverständlich.

Die unterschiedliche Wahrnehmung von Familienunternehmen und Großkonzernen erklärt Thomas Rusche sich vor allem mit einer „hektischen, karrieristischen Jobrotation“, in der insbesondere CEOs alle drei bis fünf Jahre wechselten. „So etwas verrät den langfristigen Bestand des Unternehmens“, denkt der Textilunternehmer aus dem Münsterland. Eine langfristige Bindung an ein Unternehmen ist aus seiner Sicht also auch Grundlage für gute Beziehungen zwischen Firmen, Stakeholdern und Kunden: „Wenn jemand ganz und gar für seine Unternehmung einsteht, dann bildet sich Vertrauen.“ Von Gründern, die ein Unternehmen mit dem Ziel des schellen Exits aufbauen, hält er nichts. Er fordert von Unternehmern, eine individualethische Perspektive einzunehmen. Es brauche Menschen, die mit Werten in Unternehmen gingen, anstatt solcher, die nur der Wert eines Unternehmens interessiere.

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