Unsere Community-Autorin Pipa nahm über zehn Jahre lang die Pille und glaubte, sie gut zu vertragen. Erst als sie darauf verzichten musste, merkte sie, welchen Einfluss die Pille auf sie und ihren Körper hatte.
Die Pille ist doch einfach super praktisch …
Die Pille abzusetzen war für mich nie ein Thema, bis ich aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen war. Es war Ende 2012, als mich mein Hausarzt aufgrund von hohem Blutdruck zum Internisten überwies. Dieser testete meinen Hormonspiegel und stellte fest, dass mein Cortisolwert – das Stresshormon – zu hoch war. Er riet mir, die Pille abzusetzen, weil diese dafür verantwortlich sein könnte. Davor hatte ich mir nie großartig Gedanken über die Nebenwirkungen hormoneller Verhütung gemacht, ganz im Gegenteil, ich fand die Pille unheimlich praktisch.
Hormone mit 16 – mitten in der Entwicklung
Ich war 16 Jahre alt, als ich mir die Pille verschreiben ließ. Ich hatte meinen ersten Freund und mit ihm nach ein paar Monaten mein erstes Mal. Am Anfang verhüteten wir mit Kondomen, aber ich war froh, als ich endlich auf die Pille umsteigen konnte. Neben der verhütenden Wirkung hatte sie noch viele tolle andere Effekte: Nachdem ich mich jahrelang mit schlechter Haut geplagt hatte, wurde diese rein und ebenmäßig. Meine Brüste wurden größer und straffer. Meine Tage (die ja unter Einfluss der Pille keine wirkliche Periode sind) kamen punktgenau und waren schwächer. Regelschmerzen gehörten der Vergangenheit an. Außerdem konnte ich mit der Pille meine Periode auch toll verschieben, wenn sie ungelegen kommen sollte.
Nach 12 Jahren: Tschüss Pille – hallo Leben!
Als ich die Pille absetzen sollte, ärgerte mich das ein bisschen. Ich fürchtete, wieder unreine Haut und kleinere Brüste zu bekommen. Und die Unsicherheit, wann die Periode denn nun kommen würden, nervte mich sowieso. Ich stand dem Ganzen also etwas skeptisch gegenüber.
Diese Skepsis löste sich ziemlich bald auf, denn ich merkte, wie sich schon in den ersten Monaten ohne Hormoneinnahme etwas veränderte. Zuallererst fiel mir auf, wie sich meine Stimmung aufhellte. Ich war viel besser drauf als zuvor, hatte eine viel fröhlichere Grundstimmung. Außerdem war ich mehr am anderen Geschlecht und Sex interessiert und flirtete viel öfter und lieber. Es war irgendwie, als hätte sich etwas gelöst.
Die Pille hat mich ängstlich und depressiv gemacht
Davor hatte ich jahrelang gedacht, ich sei halt ein eher melancholischer und sensibler Charakter. Zwar bin ich tatsächlich sensibel, aber es gab definitiv Nebenwirkungen, die ich heute auf die Pille zurückführe. Ich kann mich an Nächte erinnern, in denen ich aus dem Schlaf aufschreckte und Angst, fast sogar schon Panik empfand, und Herzklopfen hatte. Das führte so weit, dass ich manchmal nur Beziehungen hatte oder mich nicht trennte, damit ich nachts nicht alleine schlafen musste. Seit dem ich die Pille abgesetzt habe, kenne ich das Gefühl von (unbegründeter) Angst kaum noch. Ich bin wieder so furchtlos, wie ich es als Kind war. Zwar schaue ich mir nicht unbedingt absichtlich Horrorfilme an, aber ich bin mental sehr gefestigt.
Ich merke gefühlstechnische Veränderungen nun ziemlich rasch, bin aber nicht mehr depressiv oder grundlos traurig. Im Laufe des Zyklus erlebe ich eine ganze Palette an Gefühlen. Diesen Emotionen bin ich aber nie ausgeliefert, sondern genieße es, sie zu fühlen, sogar wenn ich wütend bin.
Ich fühle mich insgesamt stärker und habe das Gefühl meinen Körper intensiver zu spüren. Ich bin viel näher bei mir selbst.
Flirten und Sex ohne Pille: eine neue Erfahrung
Nachdem ich all diese Veränderungen feststellte, begann ich auch, mich mehr für meinen Körper zu interessieren und meinen Zyklus zu beobachten. Bald konnte ich sehr genau einordnen, in welcher Phase ich mich gerade befand. Was Männer betrifft, hatte ich schon ganz zu Beginn meiner Post-Pille-Phase außergewöhnliche Erlebnisse. Hatte ich meine fruchtbaren Tage und ging aus, hatte ich viel mehr Angebote als sonst, auch wenn ich nicht besonders zurechtgemacht war. Klar hatte das auch mit meiner (flirtwilligen) Stimmung zu tun. Trotzdem war es auffällig, dass mich Männer in dieser Zeit vermehrt anlächelten und ansprachen.
Richtige Lust fühlt sich anders an
Während ich die Pille nahm, dachte ich immer, ich sei eine lustvolle Frau, da ich mit den meisten meiner Ex-Freunde regelmäßig Sex hatte und diesen auch genoss. Ich hatte Sex ja kaum anders kennengelernt! Was richtige Lust bedeutet, merkte ich jedoch erst nach dem ich die Pille abgesetzt habe, vor allem im Zeitraum rund um meinen Eisprung!
Ich habe einmal gelesen, dass Frettchenweibchen sterben, wenn sie nicht gedeckt werden. Und die ersten paar Monate ohne Pille fühlte ich mich tatsächlich wie ein läufiges, sexfixiertes Frettchen, so massiv wurde ich von der Lust überrollt! Außerdem spüre ich mehr und auch die Orgasmen waren und sind intensiver.
Aber nicht nur meine Empfindungen und Libido änderten sich, auch meine Vorlieben wurden andere. Ich begann beim Sex viel mehr auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten, wurde etwas dominanter und intuitiver. Mittlerweile nehme mir nun oft auch einfach, was ich will – (natürlich mit Einverständnis meines Sexualpartners). Obwohl ich grundsätzlich mehr Lust habe, habe ich eher selten Sex. Ich bin Single und bei der Auswahl viel wählerischer geworden. Manche Männer, die ich rein optisch attraktiv finde, stoßen mich grundsätzlich ab. Ich denke, ich kann sie einfach nicht riechen und wir passen chemisch nicht zusammen. Das Gespür hatte ich mit der Pille nicht.
Pille absetzen – wie mein Körper sich verändert hat
Seitdem ich keine Hormone mehr zu mir nehme, sprießen mehr und dunklere Haare an meinen Beinen. Nach dem Epilieren wachsen die Haare auch vermehrt ein, ein Problem, dass ich unter der Pille nie hatte. Lange Zeit hatte ich Unregelmäßigkeiten im Zyklus, vor allem litt ich über ein Jahr lang gegen Ende des Zyklus unter Schmierblutungen. Ansonsten kam meine Periode schnell wieder in regelmäßigen Abständen, von schlimmen Schmerzen und Krämpfen bleibe ich bis heute weitestgehend verschont.
Ich spüre den Mittelschmerz, ein starkes Ziehen oder Stechen im Bauch um den Eisprung herum, aber das ist mir ein willkommenes, angenehmes Gefühl. Meine Brüste sind, glaube ich, ein bisschen kleiner geworden und nicht mehr so prall wie unter der Pille, aber das ist für mich nicht der Rede wert. Ich mag sie so wie sie sind total gern. Früher wünschte ich mir immer noch größere Brüste, heute bilde ich mir ein, dass sie ruhig noch kleiner sein könnten.
Mein Verhältnis zu meinem Körper ist insgesamt viel entspannter geworden und ich gehe gerne liebevoll mit ihm um. Ich fühle mich sehr weiblich und gleichzeitig körperlich sehr stark. Ich habe auch das Gefühl, viel schneller Muskeln zu bekommen und Fortschritte zu machen, wenn ich trainiere, weiß aber nicht, ob ich mir das nur einbilde.
Sollen Frauen die Pille absetzen?
Dazu möchte ich keine Empfehlung geben. Jede Frau und jeder Frauenkörper reagieren anders. Es gibt bestimmt Frauen, die die Pille wunderbar vertragen. Oder die sie aufgrund von medizinischer Notwendigkeit nehmen. Was mich persönlich betrifft, wünschte ich allerdings, ich hätte nie in meinem Leben die Pille genommen. Klar, nicht an allem ist die Pille schuld. Auch mein Alter, Selbstreflexion und viel Arbeit an mir selbst haben mich (mental) stärker gemacht. Rückblickend denke ich trotzdem, dass ich mich ohne Pille viel schneller und besser in die Frau hätte entwickeln können, die ich jetzt bin.
Obwohl ich ohne Hormoneinnahme so gute Erfahrungen gemacht hatte, gab ich der Pille vor drei Jahren noch einmal eine zweite Chance. Ich hatte eine Liebelei am Laufen und er stand nicht auf Kondome. Zu diesem Zeitpunkt überlegte ich sogar, die Hormonspirale einsetzen zu lassen und testete mehrere Präparate durch, die ähnlich wirkten. Meine Frauenärztin verkaufte mir eines davon sogar als stimmungsaufhellend. Ich redete mir ein, dass ich nur die falsche Pille genommen hätte und eine schwächere bestimmt besser verträglich wäre.
Doch wir sollten uns täuschen. Innerhalb von ein bis zwei Monaten ging ich auf wie ein Hefeteig, vor allem mein Bauch wurde extrem dick. Ich ekelte mich richtig vor mir selbst und hatte keine Verbindung mehr zu meinem Körper. Meine Stimmung änderte sich schlagartig, ich hatte keine Lust auf Unternehmungen und noch weniger Lust auf Sex. Schlussendlich schickte ich meinen Lover in die Wüste und trat die Pille in die Tonne und schwor mir, nie wieder hormonell zu verhüten.
Dieser Artikel erschien bereits auf Pipas Blog. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.
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