Die Hälfte der Menschheit hat einmal im Monat ihre Periode – trotzdem ist das Thema mit einem Tabu und sehr viel Peinlichkeit, belegt – und ungerecht geht es hier auch noch zu. Warum sich das dringend ändern sollte – und deshalb immer mehr Frauen ihre Stimme erheben.
Du blutest und hast Schmerzen? Wie peinlich!
Man stelle sich vor, man würde ab seinem neunten bis circa zwölften Lebensjahr einmal im Monat mehrere Tage lang bluten, dabei Schmerzen von einem Ziehen bis kurz zur Ohnmacht haben, als würde einem jemand fröhlich die Organe im Unterleib zermalmen, als „Add-on“ gibt’s dann auch noch Hormon-Chaos, das wiederum Gefühls-Chaos und Pickel verursacht, und so weiter und so fort – doch statt dass man dafür bewundert wird, dass man das durchhält oder wenigstens nett bis normal (!) behandelt wird, wenn man mal wieder diese schöne Zeit durchlebt, wird man dafür auch noch angeprangert, beschämt, über den Tisch gezogen – und mit Produkten umworben, von denen eigentlich keiner so genau weiß, aus was sie gemacht sind. Macht ja nichts, wir schieben uns die Tampons ja auch nur in unsere Vaginas.
So, Herzlich willkommen im Leben eines jeden Mädchens und jeder Frau auf diesem Planeten. Und während ich das so runterschreibe, habe ich auch schon keine Lust mehr, weil es mich so wütend macht. Aber genau deswegen müssen wir ja reden – und verdammt noch mal mit dem absurden „Period Shaming“ aufhören, das auf dem gesamten Globus verbreitet ist. Und zwar schon immer. Aber wir Frauen, wir machen ja teilweise auch mit.
Wieso sind uns Tampons unangenehm? Und die riesige Packung Klopapier nicht?
Wieso ist es uns und den anderen denn so unendlich peinlich, wenn mal ein Tampon aus der Tasche rollt – aber die 12er-Packung 4-lagiges Klopapier unterm Arm ist kein Problem. Warum bringen wir jungen Mädchen bei, über ihre Tage zu sprechen, als wäre man gerade auf einem Drogentrip? „Besuch von der roten Tante“, „Die Erdbeerwoche haben“, „Auf der roten Welle reiten“. Was soll das? Und wieso sollte das weniger peinlich sein, als zu sagen: „Ich habe meine Periode“? Wieso versuchen wir niedliche oder lustige Begriffe für etwas zu finden, das man einfach beim Namen nennen sollte, weil es eben nicht peinlich ist. Null, Nullkommanull.
Ja, es hat mit Blut und mit der Vagina und mit Sex zu tun. Aber Leute, wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Ich bitte euch. Und wieso wird noch immer Werbung für Binden und Tampons gemacht, in der eine hellblaue Flüssigkeit unser Blut darstellt? Ist OK, ihr müsst keine Schmierblutung im TV bringen – aber macht das Zeug doch wenigstens rot! Bei Pflasterwerbung geht das doch auch. Und was war noch mal mit dem Foto einer jungen Frau auf Instagram, die ein Bild mit blutbeflecktem Slip hochlud? Das war ganz schnell wieder weg. Knochige Körper: Ja. Aber Blut? Gott bewahre.
Eine Lappalie? Eben nicht, denn genau das trägt dazu bei, dass es gerade Mädchen unangenehm ist, ihre Periode zu haben. Aber wollen wir wirklich dazu beitragen, dass sich ein Mädchen unwohl fühlt mit etwas, das sehr viele Jahre Teil seines Lebens sein wird? Mit etwas, das der eigene Körper hervorruft? Etwas, das eigentlich ganz wunderbar ist, weil es zeigt, wir sind gesund? Kann doch nicht wahr sein. Und genau das führt dazu, dass sehr viele Mädchen von fast traumatischen Schulsport-Erlebnissen (roter Fleck im Schritt) erzählen können und sich erst sehr spät trauen, wirklich über ihre Periode und die möglichen Schmerzen zu sprechen, weil es einfach die ganze Zeit ins Lächerliche gezogen wird. Was ist los bei uns, frag ich mich?
Tampons: Das Luxusprodukt, das keines ist
Und wieso mussten wir bis 2020 in Deutschland eigentlich 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Tampons und Binden zahlen? Na klar, weil sie ein Luxusgut sind! Tampons, Kaviar, ist doch das Gleiche. Sind denn alle bekloppt geworden? Und wieso stehen Tampons nicht unter Deklarationspflicht? Schon mal auf eine Tampon-Packung nach der Zusammensetzung geschaut? Viel werdet ihr da nicht finden, weil es die Hersteller nicht müssen. Denn in diesem Zusammenhang ist das Tampon eben kein Luxusgut mehr, sondern ein sogenannter Bedarfsgegenstand. Ja herrlich, wie es einem passt, nicht wahr? Und das bei einem Produkt, das sich im Schnitt 100.000 Stunden ihres Lebens im Körper einer Frau befindet, wie Newsweek schreibt, die das Thema „Period Shaming“ kürzlich aufgegriffen haben.
Das Schlimme ist: Das alles sind auch noch Luxusprobleme, wenn man bedenkt, dass Frauen in vielen Teilen der Erde noch nicht mal mit Hygieneprodukten versorgt sind. Weil sie es sich schlicht nicht leisten können – und das führt wiederum dazu, dass viele Mädchen während der Zeit ihrer Periode nicht in die Schule gehen können und ihnen so Bildung verwehrt bleibt.
Lasst uns dafür kämpfen, dass die Periode kein Tabu mehr ist
Bei Newsweek kommt auch die WHO-Wissenschaftlerin Venkatraman Chandra-Mouli zu Wort, die die Problematik in einem Satz schön zusammenfasst:
Menstrual problems don’t kill anyone, but for me, they are still an extremely important issue because they affect how girls view themselves, and they affect confidence, and confidence is the key to everything.
Und dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass sich glücklicherweise endlich etwas tut, und immer mehr Frauen gegen diese vollkommen deplatzierte Tabuisierung des Themas Periode auf die Barrikade gehen. Denn wir können uns eben nicht ewig auf dem wichtigen Essay zum Thema von der feministischen Autorin Gloria Steinem ausruhen, der vor 40 Jahren erschien und trotzdem absolut aktuell ist – und denken, nun sei ja alles gesagt. Dazu beigetragen, dass wieder Bewegung in die Sache kommt, hat etwa die Youtuberin Ingrid Nielsen, die einfach mal direkt bei Barack Obama nachhakte, warum denn Tampons bitteschön in den USA in 40 Staaten ein Luxusprodukt sind. Was er antwortet? Seht selbst.
Wichtig ist, dass wir Frauen hier nachlegen und nicht aufgeben, bis endlich mal die Scham von Millionen von Mädchen und Frauen endet und sich verdammt noch mal jede von ihnen ein Tampon oder eine Binde leisten kann, wenn sie sie benötigt.