Foto: Ivan Karasev – Unsplash

Wer geht, ist immer der Arsch? Warum Trennungen nie so schwarz-weiß sind

Wenn eine Beziehung scheitert, scheinen die Gründe von außen oft so klar. Doch Liebesangelegenheiten sind nie einfach und haben immer mehrere Seiten. Von außen zu urteilen, kann gefährlich und anmaßend sein.

Beziehungsende nach neun Jahren

Ich habe mich von meinem Freund getrennt. Nach neun Jahren Beziehung. Das hab ich sicher nicht getan, weil mal Sonntag morgens der Kaffee aus war und ich schlechte Laune hatte. Ich hatte verdammt gute Gründe und habe keinen anderen Ausweg mehr gesehen.

Dann gab es direkt einen anderen Kerl – was die Sache natürlich total dreckig aussehen ließ. Für alle war klar: Die Alte war unzufrieden, hat sich nen Neuen geangelt und den Kerl einfach fallen lassen, und startet jetzt auf der rosa Wolke in ein neues Leben. Echt jetzt? Denkt ihr wirklich, die Dinge sind so einfach und die Menschen so oberflächlich?

Nicht nur der verlassene Partner leidet

Um mich musste man sich keine Sorgen machen, denn ich war ja gegangen. Aber mal im Ernst: Kann denn wirklich jemand glauben, dass es mir gut ging? Ich hatte meinen Partner verloren und damit auch meinen besten Freund; ich musste mein geliebtes Zuhause aufgeben und mit Mitte dreißig wieder in eine Studentenbude ziehen; mein gesamter bisheriger Freundeskreis ist weggefallen und ebenso seine Familie, die mir sehr nahe stand. Aber ich bin ja gegangen. War ja meine Entscheidung. Was aber keiner sieht, ist, dass wir beide vor die Hunde gegangen wären, so wie es war. Wir haben festgesteckt und waren beide vollkommen unglücklich. Früher oder später hätten wir uns für unser Unglück gegenseitig verantwortlich gemacht und es wäre eklig und unfair geworden. Soweit wollte ich es nicht kommen lassen.

Manchmal muss man gehen, um nicht noch mehr zu zerstören

Durch den anderen Mann hatte ich eine neue Perspektive auf meine Beziehung. Ich konnte deutlich sehen, was ich will und wonach ich mich schon so lange sehnte, was ich hier aber einfach nicht bekam. Nach dieser Erkenntnis konnte ich nicht mehr bei meinem Freund bleiben, ich fühlte mich, als würde ich ihn betrügen. Was ich im Übrigen nicht habe. Ich wusste nicht, was mit dem Anderen werden würde, aber das war auch vollkommen unwichtig. Nur konnte ich so nicht einfach weitermachen, das wäre unserer Beziehung nicht gerecht geworden.

Mit dem Anderen hat es nicht geklappt. Letztlich wollte ich vor allem all diese Dinge in ihm sehen, er war eine perfekte Projektionsfläche für mich. Auch hier bin ich wieder gegangen. Auch hier bin ich wieder für alle der Arsch.

Seid vorsichtig mit euren Urteilen

Ich bin es leid, mich durch die Augen anderer zu sehen, die sich anmaßen, sich ein Urteil zu erlauben. In deren Augen bin ich nämlich ein Monster: skrupellos, egoistisch, berechnend, manipulativ.

Mir tut es wahnsinnig Leid, wie alles gelaufen ist. Ich wollte niemanden verletzen, habe immer versucht, das Richtige zu tun. Aber wer weiß schon, was das Richtige in Gefühlsangelegenheiten ist? Die Dinge sind eben nicht immer Schwarz oder Weiß, es gibt sehr viel Grau dazwischen.

Wie schön für diejenigen, die immer und in jeder Situation ganz klar sehen, was das Richtige ist und auch noch die Stärke haben, das zu machen. Glückwunsch! Ihr seid offenbar die besseren Menschen. Aber es gibt eben auch Menschen, die ihr Bestes geben und im Nachhinein erst feststellen, dass es nicht der richtige Weg war. Die sind deshalb aber nicht gleich charakterlose Egomanen!

Es ist so leicht, ein Urteil über andere zu fällen, doch finde ich es auch sehr gefährlich. Ihr wisst nie, ob es euch nicht auch mal so ergehen wird. Und dann wäre es schön, verständnisvolle Freunde an der Seite zu haben, die einem bei all der Selbstzerfleischerei trotzdem noch einen liebevollen Blick auf sich selbst aufzeigen können, statt einen zu verurteilen. Denn wir müssen uns alle jeden Morgen im Spiegel in die Augen sehen.

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