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Die Einsamkeit der berufstätigen Mutter

Vollzeit berufstätig und Mutter eines Kleinkinds – wo bleibt da die Zeit, neue Leute kennenzulernen? Anna Sophie erzählt von einer Einsamkeit, die sich meistens gut versteckt.

Still und heimlich eingeschlichen

Es ist eine sehr versteckte Einsamkeit, weil sie durch den dauernden Mangel an Zeit selten richtig deutlich wird. Wenn ich morgens schon einen strengen Zeitplan einhalten muss, mich am späten Nachmittag zur Tagesmutter spute, abends schnell noch was Frisches kochen will und das Tagesende mit Büchervorlesen verbringe, dann ist so ein Tag reichlich vollgepackt. Und weil ich zu den glücklichen Frauen gehöre, die einen tollen Mann haben, bin ich abends, wenn das Kind im Bett ist, nicht allein. Und trotzdem merke ich manchmal, dass sie sich ganz still und heimlich eingeschlichen hat: die Einsamkeit der berufstätigen Mutter.

Einer dieser Momente, in denen meine Einsamkeit mir mal wieder sehr bewusst wurde, war ein Abend Anfang des vergangenen Monats. Ich engagiere mich ehrenamtlich für den Verein Mother Hood, der sich für eine sichere und bessere Geburtshilfe einsetzt, und stelle mich dafür schon mal an Infostände auf verschiedenen Veranstaltungen, um andere Menschen über den Verein und seine Ziele zu informieren. So geschehen also an besagtem Abend. Im Laufe des Abends lernte ich eine Frau kennen, die aus derselben Stadt kam, in die wir erst vor wenigen Wochen gezogen waren. Wir plauderten ein bisschen und sie lud mich ein, doch mal beim Tragetreff vorbeizuschauen, so könne ich ein bisschen Anschluss in der neuen Stadt bekommen. So ein Tragetreff ist ein lockeres Treffen von Müttern, die ihre Kinder gerne in Tragetüchern oder Tragehilfen tragen, ein Treffen unter „Gleichgesinnten“ also, bei dem man andere Mütter kennenlernen, einfach mal ausführlich über die Kinder quatschen und mit etwas Glück sogar richtige neue Freundinnen finden kann.

Das Angebot meiner neuen Bekanntschaft fand ich sehr nett und ich wäre auch gerne mal hingegangen. Das Problem ist nur: Solche Treffen finden in der Regel vormittags statt, weil sie sich an Frauen richten, die gerade in Elternzeit sind. Manchmal treffen die Mütter sich auch nachmittags, aber das ist natürlich ebenfalls zu früh für eine berufstätige Mutter, die 30 Stunden oder länger arbeitet. Mit meinem 40-Stunden-Job habe ich nicht den Hauch einer Chance, mich regelmäßig mit anderen Müttern zu treffen.

Vollzeit berufstätig und Kleinkindmutter? Wie exotisch!

Dieses Erlebnis erinnerte mich an die Einladung zu einem Nachtreffen meines Geburtsvorbereitungskurses, die ich vor einigen Monaten erhielt. Eine der Mütter hatte die Initiative ergriffen und eine Rundmail mit Doodle-Umfrage geschickt. Vorgeschlagene Termine: Montag bis Freitag, jeweils um 14 Uhr. Ich fragte nach, ob wir uns nicht an einem Wochenende treffen wollten, schließlich sollte es ohnehin ein einmaliges Wiedersehen sein und kein regelmäßiger Termin, der dann allen immer die Wochenendplanung sprengen würde. Ich hörte nie wieder davon. Vermutlich haben die Mädels sich an einem Wochentag getroffen. Zumindest weiß ich, dass alle außer mir auch knapp zwei Jahre nach der Geburt unserer Kinder noch gar nicht oder höchstens stundenweise wieder arbeiten.

Meiner Erfahrung nach ist es eben einfach so: Als Kleinkindmutter, die mehr als 20 oder 25 Stunden pro Woche arbeitet, bin ich eine Ausnahme, vielleicht sogar eine Exotin. Und ich finde es auch völlig verständlich, dass da nicht alle auf mich Rücksicht nehmen wollen oder können. Regelmäßige Still- oder Spielgruppen und Tragetreffs in den Abendstunden oder am Wochenende zu veranstalten, wäre auch eine merkwürdige Idee. Würde so etwas angeboten, die Teilnehmerinnen würden verständlicherweise ziemlich schnell fernbleiben. Auch ich bin abends meist so kaputt vom Tag, dass ich mich nur noch auf ein Abendessen mit Mann und Sohn, ein gemeinsames Bad mit dem kleinen Schmuddel-Kind und meinen gemütlichen Platz auf dem Sofa freue. Und die Wochenenden sind bei uns allzu oft dazu da, das nachzuholen, was unter der Woche liegengeblieben ist, Familie und alte Freunde zu treffen oder unsere Dreisamkeit zu genießen.

Keine Zeit für neue Bekanntschaften

Für mich ist es demnach normal, dass ich nicht auf allen Hochzeiten tanzen kann. Mein Job, nette Arbeitskollegen und ein eigenes Einkommen wiegen so manche Entbehrungen wieder auf. Hinzu kommt, dass mein Leben wirklich voll ist, manchmal zu voll, und immer wünsche ich mir ein bisschen mehr Zeit für mein Kind, und oftmals auch für mich allein oder für den Mann. Und trotzdem schleicht sie sich manchmal an und überrascht mich in meiner Geschäftigkeit. Dann kommt die Einsamkeit und zeigt mir, dass außer Arbeit, Kind und Mann gerade kaum jemand in meinem Leben vorkommt. Natürlich versuche ich, alte Freunde und meine Familie halbwegs regelmäßig zu sehen. Aber Zeit für neue Bekanntschaften in der neuen Stadt gibt es nicht, dabei wäre gerade das so wichtig. Denn irgendwann wird der Moment kommen, in dem ich dringend ein Netzwerk brauche, in dem ich unterstützt werde und andere unterstützen kann – spätestens beim nächsten Kitastreik. Oder auch einfach dann, wenn samstags morgens ein paar Stunden Zeit sind und wir Lust auf etwas Begleitung zu einem spontanen Ausflug in den Park haben. Derzeit wüsste ich nicht, wen ich dazu anrufen sollte.

In mir herrscht die völlige Ratlosigkeit, woher solche neuen Kontakte kommen sollen, wenn ich von morgens bis abends zu tun und keine Zeit für Spielgruppe und ähnliches habe. Gibt es ein Netzwerk von berufstätigen Müttern, die sich abends ohne ihre Kinder zum Stricken treffen? Oder eine Gruppe berufstätiger Väter, die sich alle vier Wochen am Wochenende auf dem Matschspielplatz versammelt? Ich habe keine Ahnung. Netzwerke entwickeln sich ja meistens irgendwie automatisch. Man kennt sich schon von früher, dann kriegen alle nach und nach Kinder und man bleibt eben befreundet und unterstützt sich als Familien. Dieses Prinzip wird aber ausgehebelt, sobald man umzieht. Zwar sind wir zum Glück nur 30 Kilometer weit weg gezogen und können nach wie vor unsere alten Freunde treffen. Spontan oder regelmäßig sind diese Treffen jedoch selten. Und als alltägliche Unterstützung taugen sie auch kaum.

Ein Leben als berufstätige Mutter kann also schon mal ganz schön isolieren. Wenn ich mit dem Rad durch den Park zur Arbeit fahre, sehe ich manchmal Grüppchen von Frühaufsteher-Müttern mit ihren Kindern. Auch wenn mein Sohn und ich wohl niemals zu diesen frühen Vögeln gehören würden, schaue ich hin und wieder ein bisschen wehmütig da rüber. Und dann schaue ich auf die Uhr, bin schon wieder spät dran und vergesse den Moment. Denn zum Glück habe ich eigentlich gar keine Zeit zum einsam sein.

Dieser Text erschien zuerst im Blog „Kinder haben …und trotzdem leben!“. Darin schreibt Anna Sophie Pietsch, angehende Online-Redakteurin und Mutter eines zweijährigen Sohnes, mit einer guten Portion Augenzwinkern über ihren alltäglichen Spagat zwischen Kind und Vollzeitjob. Wir freuen uns, dass sie ihren Text auch bei uns veröffentlicht.

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