Foto: Ebru S. | Collage: EDITION F

Schwesta Ebra über Rap: „Man muss Frauen nicht hassen, um gute Musik zu machen“

Die Musikerin Schwesta Ebra rappt in ihrer ersten Single über die Egoprobleme von Männern. Ist es ein Widerspruch, als feministische und queere Frau Rap zu hören? Ein Interview.

Auf TikTok veröffentlicht Schwesta Ebra mit ihrer Freundin Julia, die auf Instagram unter „trinksaufmich“ eher ernste Themen wie Femizide oder sexualisierte Gewalt anspricht, satirische Clips über Tierdokus, stereotype Betrachtungsweisen lesbischer Beziehungen und österreichische Politiker*innen. Schwesta Ebra ist eine 23-jährige Lehramtsstudentin aus Wien und beschäftigt sich mit Feminismus, LGBTQIA+-Themen oder damit, wie es ist, als queere Frau in einer muslimischen Familie aufzuwachsen. Jetzt erscheint ihre erste Single. Ein Cloudrap-Hit über die Egoprobleme von Männern. Für das Video posiert sie mit Kettensäge auf der Ladefläche eines Pick-ups. Und stellt mit ihrem Schaffen eine entscheidende Frage: Muss Rap wirklich sexistisch sein?

Du präsentierst auf dem TikTok-Kanal, den du mit deiner Freundin bespielst, ihren Hund, der eine Landschildkröte ist: Soll das ein Kommentar zur Identitätspolitik sein?

(lacht) „Das hat mit Genderfluidität wirklich nichts zu tun, obwohl wir uns damit natürlich auch gerne beschäftigen. Wir haben mal ein Video auf TikTok gesehen, in dem ein Kind ein Tier falsch benennt, das fanden wir lustig, wir sind oft auch sehr leicht zu unterhalten. Daraus haben wir einen Gag gemacht. Es gibt ja dann wirklich Leute, die kommentieren: ,Äh, das ist keine Schildkröte, das ist ein Hund.‘ Das macht mich dann ganz glücklich.“

„Man muss Frauen nicht hassen, um gute Musik zu machen.“

Schwesta Ebra

Was macht dich noch glücklich?

„Ich will jüngere Menschen erreichen. Mit zwölf oder 13 hatte ich wenige Vorbilder aus der LGBTQIA+ Bewegung. Und ich will sie für bestimmte Themen sensibilisieren. Eine meiner TikTok-Rubriken heißt ,Wenn Rapper XY Feminist wäre‘, denn das Konzept vieler erfolgreicher Deutsch-Rapper beruht darauf, Frauen niederzumachen. Einige werden wirklich gewalttätig gegenüber Frauen und die Opfer werden in den sozialen Medien oft auch noch mit Spott überzogen. Aber: Man muss Frauen nicht hassen, um gute Musik zu machen.“

Du imitierst da u.a. den Rapper RAF Camora und rappst zum Beispiel über Tampons. 

„Ja, über die Tamponsteuer. Ich höre selber gerne Rap und kenne die Stilmittel und oft verwendeten Wörter der Rapper. Ich suche mir dann kostenfrei nutzbare und stilistisch passende Beats und Texte dazu.“

Gibt’s da Ärger?

„Bisher nicht, glücklicherweise. Ich mache nämlich gerne mal den Fehler, mit Hatern im Internet zu diskutieren. Die Pandemie bringt einfach zu viel Zeit mit sich.“

Aber auch Zeit, um den Hit „Männer haben“ zu schreiben. Darin rappst du: „Die FPÖ kann alle Rechten haben, die Frauen sollen alle Rechte haben“. Das klingt wie eine Parodie auf den Stil des Künstlers Yung Hurn.

„Nicht ganz Parodie, denn ich nehme keinen Song von ihm und parodiere eine Melodie. Ich verwende eigene Instrumentals und spiele viel mehr mit seinen Stilmitteln. Das ist bei ihm einfach, da muss man nur ein bisschen ins Mikrofon lallen, als wäre man sehr, sehr müde. Und oft das Wort ,Bebi’ verwenden. Das bekam dann sehr viel Reichweite, die Leute wollten den ganzen Song. Ich wollte eigentlich eher Musik in die kommerzielle Richtung machen, aber gut, jetzt Rap. Das macht mir viel Spaß.“

Warum ist Yung Hurn eigentlich kein Feminist?

„Weil auch eher links eingestellte Menschen Sexisten sein können.“

Es geht in deinem Track darum, dass alle Männer Egoprobleme haben. Wie haben sie die denn bekommen?

„Das ist natürlich eine provokante Line, aber Revolutionen entstehen nicht durchs Händeschütteln. Ich habe mich da vor allem von Facebook-Kommentaren inspirieren lassen. Wann immer es auf der Plattform um Themen wie Periode oder Frauenrechte geht, machen die Männer dort auf mich den Eindruck, dass sie der Verlust ihrer Vormachtstellung derart verunsichert, dass dies in Hass übergeht. Männer haben ja keinen Nachteil, wenn Frauen gratis Tampons bekommen, aber es macht sie trotzdem sehr wütend.“

„Wenn du nicht genderst, sprich mich nicht an“ rappst du – warum ist Gendern für dich wichtig?

Sprache schafft Bewusstsein, das kann man nicht oft genug sagen. Menschen brauchen Vorbilder und Frauen kommen immer noch zu wenig vor, werden zu oft nur mitgemeint. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass Gendern nicht den Lesefluss stört.“

Wie wirkt sich das Gendern denn auf den Rapfluss aus?

„Das habe ich mich gestern auch gefragt. Es funktioniert nicht bei allen Texten und zu allen Beats. Aber es lässt sich mit etwas Kreativität sicher bewerkstelligen.“

Wie ist der Widerspruch, als feministische Frau Rap zu hören, für dich auszuhalten?

„Viele denken, man müsse Mensch und Künstler trennen, aber ich will Künstler wie 187 Straßenbande, von denen man einfach weiß, was sie von Frauen und Frauenrechten halten, nicht unterstützen.“

Schwesta Ebra

„Ich habe oft das Problem, dass ich Texte höre, mit denen ich inhaltlich nicht übereinstimme. Dass ich Künstler höre, denen vorgeworfen wird, Frauen mies zu behandeln. Viele denken, man müsse Mensch und Künstler trennen, aber ich will Künstler wie 187 Straßenbande, von denen man einfach weiß, was sie von Frauen und Frauenrechten halten, nicht unterstützen. Es gibt viele Widersprüche, mit denen jede*r selbst umgehen muss. Ich denke, feministische Frauen hören Rap, weil es keine Alternative gibt. Es gab lange Zeit einfach zu wenig Rapperinnen.“

Was muss sich im Deutschrap ändern, damit du dich wohler fühlst?

„RAF Camora ist zum Beispiel ein großes Vorbild für viele junge Burschen. Er hat mal bei einer Shop-Eröffnung gespielt, wo unglaublich viele junge Menschen kamen. Wenn Musiker wie er sich positionieren würden, könnten sie Denkprozesse bei jungen Menschen anregen. Er muss ja nicht rappen, dass Frauen alle Rechte haben sollen, es würde schon reichen, wenn er Statements macht, die zum Beispiel auf die hohe Femizidrate in Österreich hinweisen. In einer Story kurz drüber zu reden, kostet ihn fünf Minuten. Bis dahin höre ich Nura.“

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