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Lebenszeichen aus der Hölle: ein Tag zu Hause mit kranken Kindern

Wie überlebt man einen Tag mit zwei kranken Kindern? Unsere Community-Autorin gibt einen kleinen Einblick, was Mütter aushalten müssen.

Von schlechtem Geruch, der Suche nach Kaffee und dem Norovirus

Der Tag beginnt um 5.00 Uhr. Das kleine Kind tippelt in mein Zimmer.  Sie müffelt, Pardon, riecht. Während ich mich schlafend stelle und die  kleinen kalten Füßchen unter der Bettdecke an meinem Oberschenkel spüre, überlege ich gemeinsam mit meiner Nase, aus welchen Gerüchen der Muff  besteht. Immer klarer wird, ich habe mal wieder einen Mama-Euphemismus benutzt. Sie stinkt – sogar bestialisch.

Ein weiteres Gefühl schleicht sich in meinen, eigentlich noch nicht funktionstüchtigen Kopf – ist das Kotze? Oder nur der Durchfall? Durchfall, bekannt seit vier Tagen. Behandelt erst seit zwei. Schonkost seit vier. Klogehen adé seit vier. Windel-Hallo seit vier! Während ich so vor mich hinzähle, merkt vor allem meine Nase: es ist Kotze.

Natürlich hat sie jetzt gekotzt. Natürlich hatte der Kinderarzt, dieser weise Mann, recht. Es ist Brechdurchfall, besser bekannt als der Norovirus. Natürlich. Ich habe hoffnungsvoll daran festgehalten es mit reiner Schonkost und Tee allein in den Griff zu kriegen. Fehlanzeige!

Schnullerstinkigkeit gibts wirklich

Ich drehe mich zum kleinen Kind, die ruhig auf dem Rücken liegt und mit  ihrer Elsa Barbie in der Luft rumfuchtelt und es „ich spiele nur” nennt. Sie sieht mein müdes Gesicht und rückt noch näher. Näher geht kaum.

Wenn sie könnte, würde sie in meinem Schlafanzug schlafen. Sie grinst  und nuschelt durch ihren Noni (Fachsprache für Schnuller): „Mami, ich  schlafe noch.” Danach ist klar, der saure Geruch, der am Schnuller  vorbei in meine Nase steigt, ist eindeutig Kotze und nicht der morgendliche Geruch aus Schlaf und Schnullerstinkigkeit. Mit Grauen denke ich an das Kinderbett. Alles aus Holz und vor allem eine Trillion Kuscheltiere ums Kopfkissen positioniert, die nun in frischer oder vielleicht weniger frischer Kotze getunkt aufwachen. Was das bedeutet, spult sich in meinem Kopf ab. Nächster Gedanke: wie spät ist es? 5:00 Uhr. Um 7:00 Uhr macht der Kindergarten auf, ich muss das Essen abbestellen. Haben wir noch was gegen Übelkeit? Noch getrocknete Heidelbeeren? Was macht die große Schwester, ist die fit?

Hab ich was da für Hühnersuppe? Hühnchen ist aber nix für den nervösen Magen. Mann wecken? Nee, der hat heute Bühnenprobe, lass ihn schlafen. Ich bleib einfach mit dem stinkenden Kind im Bett und ziehe uns die Decke übern Kopf. Oh Gott, neee, da stinkts noch mehr!

Kaffee?!

Als erstes: Kaffee. Während ich mit „strubbele Haare”, wie das kleine Kind zu sagen pflegt, an der Kaffeemaschine auf die edlen Aromatropfen warte, turnt das immer noch stinkige Kind auf der Arbeitsplatte rum und zupft den Basilikum auseinander: „Mama guck ma, was ist das?”

Ich antworte gähnend: „Das ist Basilikum.”

„Kann man den Sabilikum essen?”

„Ja den kann man essen, du solltest den aber jetzt nicht essen.”

Sie rutscht mit ihren Füßchen vom Brett und fällt fast. Ich halte sie gerade noch fest. In ihrem Gesicht sehe ich Empörung. Sie legt die Stirn in Falten, zeigt mir – das von ihrer Schwester abgeguckte Gewittergesicht – und blafft mich an:

„Ich will den aber mal bobbiern!”

„Nein, heute nicht!” Sie knurrt mich an.

„Mama, Aaaarm!”

Ich nehme sie energisch von der Arbeitsplatte. Wie ist sie da überhaupt hochgekommen? Da haut sie mich mit ihrer kleinen Patschehand auf die Schulter. Ich will sie absetzen, doch sie klammert sich fest. „Mama, Aaaarm!”

Diese Kombination aus Wut auf mich und dennoch auf meinem Arm verweilen wollen, ist mir seit ihrer älteren Schwester ein komplettes Rätsel. Es passt in die Reihe von schnellstem Launenwechsel, täglich änderndem Essverhalten (Ich mag keine Bohnen, gestern war ja gestern!) und das nicht registrieren von bereits gemachten Geschenken, wie einem saudoofen Heftchen wahlweise Lillifee oder Lego, beim Besuch im Supermarkt vor ungefähr einer Stunde. „Nie krieg ich was Lustiges von dir Mama!”

Ich schleppe das müffelnde Kind ins Bad. Noch ohne Kaffee. Ziehe ihr den vollgekotzten Schlafanzug aus und werfe ihn mit samt Kind in die Badewanne. Der Protest führt zu großen Kullertränen und trotz regelmäßiger beruhigender Worte wie „Ist ja gut!” oder „Ist ja gleich vorbei!”, hört das kleine zappelnde Wesen nicht auf zu weinen. Bitterlich blickt sie durch ihre müden Augen und straft mich mit einem noch dunkleren Gewitter auf ihrem Gesicht als ich sie in einen vorgewärmten Badezwerg hülle.

Endlich Kaffee!

Den kleinen trotzigen Kerl trage ich aufs Sofa und schalte ihr – ja um 5:30 Uhr –ihre Lieblingssendung Peppa Wutz ein. Ich höre die Titelmusik und denke an meinen Kaffee. Mit nasser Schlafanzughose trotte ich zurück in die Küche.

Ich gieße das dunkelbraune Gold in meine Tasse, öffne den Kühlschrank – ach f***, keine Milch mehr da. Also trinke ich meinen Kaffee mit Millemilch  (Vanille Sojamilch), obwohl ich doch auf Zucker verzichten soll.

Flutwellen an Kotze

Ich stecke meinen Kopf vorsichtig ins Kinderzimmer. Der Gestank ist unverkennbar und kaum zu ertragen. Wie die andere Tochter dabei schlafen kann? Wieder ein Rätsel. Aber sie röchelt leise vor sich hin. Ihr Gesicht ganz nah an den Holzquerlatten des Hochbetts. Ihr Mund vollkommen entspannt, zeigt sein ganzes Volumen. Geerbt vom Papa, die
herzförmigen und sehr vollen Lippen. Ich beschließe mich leise aus dem Zimmer zu verdrücken. Seitdem das große Kind auf der Welt ist, habe ich panische Angst schlafende Kinder zu wecken. Es hört nicht auf, obwohl man mittlerweile gerade neben ihr, eine Papiertüte knallen lassen könnte. Das Gefühl verschwindet nicht. Während ich die Zimmertür langsam schließe, höre ich im Wohnzimmer schon wieder ein „Mamaaaa!”

Ich komme ins Zimmer und das kleine Kind turnt nackig auf den Polstern herum und hat die Duplo-Sammlung auf dem Teppich verteilt. „Hab ich das Duplo für mein Patenkind besorgt?”, frage ich mich und denke über den nächsten Einkauf nach. Handseife brauchen wir auch. Plötzlich merke ich, wie das kleine Kind laut schreiend auf dem Sofa rumhüpft. Wie lang tut sie das schon?

„Millemilch?”, fragt sie und legt ihr einstudiertes Bittebitte-Gesicht auf. Ich schüttel den Kopf, doch bevor ich überhaupt antworten kann, heult sie los: „Ich will aber Millemiiiiiilch!” Ich versuche ihr zu erklären, dass es für ihren Bauch im Moment nicht gut wäre, dass sie
Millemilch trinkt und merke wie sinnlos diese Erklärungen sind. Wieso diskutiere ich eigentlich mit ihr? Ich mach einen Schritt auf sie zu um es mit Mama-Wärme zu versuchen, manchmal wirkt´s, da trete ich auf einen Duplostein.

Manchmal hilft nur Bestechung

Weil sie sonst toben und somit Vater und Schwester wecken würde, rede ich mit Engelszungen auf sie ein und überzeuge sie einen Zaubertee zu trinken. Bestechung spielt hierbei natürlich eine Rolle. Tatsächlich finde ich einen Kindertee mit Lillifee-Motiven und rühre ihr etwas Perenterol und Traubenzucker unter. Das Teewasser färbt sich dank des Tees sofort lila-pink und gefällt der kleinen Prinzessin. Sie trinkt.

Es ist 6:30 Uhr und ich habe zumindest eine kleine Hürde geschafft. Entgegen der weit verbreiteten Ängste von z.B. Omas, die meiner Kinder und auch meine eigenen, ist es für Kinder nur wichtig, genug zu trinken. Nur weil sie zwei Tage nur ein paar Salzstangen und Zwieback oder auch mal gar nichts zu sich nehmen, werden sie keinen Hungertod sterben. Jedes Mal bei dergleichen Diskussionen, möchte ich eine politische Rede schwingen und an die Armut in der Welt erinnern, wenn Oma wieder sorgenvoll drein blickt, ob die Kinder denn auch genug gegessen hätten.

Kalter Kaffee und Klogespenster

Mein Kaffee ist kalt. Ich überlege, ob ich Zwieback und Salzstangen im Haus habe, da flitzt ein weißes Wesen, erinnert an Caspar das Kleine Gespenst, durch den Flur. Es ist das große Kind, das scheinbar schnell die Toilette erreichen muss. Ich gehe ihr nach und vernehme beim betreten des Bads bereits Gerüche und Geräusche, die nichts mit normaler Badezimmer-Routine zutun haben.

Nun sitzen beide auf dem Sofa und schlürfen missmutig – trotz pinker Farbe – den Lillifeetee. „Mama, darf ich was Eigenes gucken?”, fragt die Große. Erklärung: Den Fehler habe ich bei der letzten Krankheit gemacht, als ich Besuch zum Arbeiten hatte und vermeiden wollte, alle paar Minuten mit „Mamaaa” gestört zu werden. Ich habe der einen den Fernseher und der anderen ein Ipad angemacht. Finde den Fehler! Ich beginne der Großen zu erklären, warum nicht, dass sie gemeinsam gucken oder gar nicht, und sehe mich beim diskutieren selbst von der Seite an. Warum diskutierst Du überhaupt?

Ich gehe ins Kinderzimmer und sehe das Schlachtfeld. Nicht nur Kuscheltiere
sind betroffen, die Schlacht weitet sich aus. Die Kotzflut hat die angrenzende Wäschetonne erreicht, es gab hohen Wellengang. Elsa-Barbie hat eine Schlammkur hinter sich und Olaf ist gänzlich unter den Kotzwellen begraben. Kikaninchen ist besprenkelt, Affe, Orka und Schildkröte, die vor allem als Kopfkissen dienen, haben ein paar ordentliche Duschen abbekommen.
Ohne zu überlegen stürze ich mich in die Fluten, packe alles in einen Wäschekorb und bereue nach ein paar Sekunden keine Küchenhandschuhe zu tragen. Bäh!

„Mamaaaa …!”, ertönt aus dem Wohnzimmer. Ich antworte mit: „Ja, gleich!”, werde aber nicht gehört, knietief in der Kotzwelle.

„Mamaaa ..!”, rufen nun beide im Chor. Ich versuche mich zusammen zu reißen und rufe erneut: „Ja, ich komme gleich!”

„Mamaaaaaaaaaaaa!” – mein Puls wird schneller, ich merke wie die Wut in
mir aufsteigt. Ich versuche mich durch die Flutwellen langsam zur Tür zu
bewegen, halte die Tür auf und rufe erneut: „Ja, kommt doch bitte zu
mir!”

Jetzt dürfte der Vater auch erwacht sein, denke ich. Schaue instinktiv auf die Uhr. Dabei entdecke ich, dass ich beim Griff an die Tür dort Kotzspuren hinterlassen habe. Bäh!

„Mama, komm mal”

Da steht die Große mit in die Hüfte gestemmten Armen vor mir: „Mama, ich hab Hunger!” Mit einem begossenen Kikaninchen in der einen und der durchnässten Elsa-Barbie in der anderen Hand, erkläre ich was ich gerade zu tun habe und dass ich mich danach um ein Frühstück kümmere.

Im Bad höre ich die Dusche rauschen. Vater ist aufgestanden. Ich verspüre eine kleine Erleichterung. Alle Flutopfer im Wäschekorb werden in der Badewanne eingeweicht und mit Duschgel übergossen. Ein Bild, dass man hätte festhalten können. Wo ist mein Handy? Keine Ahnung, keine Zeit.

Der Vater unter der Dusche will ein kurzes Update und sagt dann: „Ich komme gleich!” In diesem Moment verstehe ich warum, die Kinder diese Antwort nur so mäßig befriedigend finden. Manchmal möchte man sofort und auf der Stelle Hilfe und Antwort haben. Wissend, dass der Mann einen langen Tag haben wird und sowieso gleich aus der Dusche steigt und mir dann helfen wird, gehe ich in die Küche. Wo ist meine Kaffeetasse? Wo hab ich die stehenlassen? Wieviel Uhr ist es? 7:10 Uhr.

7: 10 Uhr – Gute Nacht…

Ich bereite ein Frühstück mit Vollkornbrot, geriebenem Apfel und einer zerquetschten Banane vor. Gieße neuen pinken Plastiktee auf. Rühre und schmiere Honig aufs Brot. Ich serviere meinen bauchkranken Mädels ihr Frühstück vor dem Fernseher, in der Hoffnung, dass sie so gebannt vom Kleinen Nick sind und ich so wenigstens meine Kaffeetasse finden kann.

Es ist 7:22  Uhr und ich habe bereits renoviert, gewaschen, gekocht, verarztet, gesungen, gebetet und bin #amarschdiemama.

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