Was ist da los, wenn eine Beziehung immer mit ähnlichen Problemen endet? Sind einfach alle Menschen komisch?
Glücklich nach der Trennung
Annika sitzt mir gegenüber und beugt sich ein Stück nach vorn, damit die Leute am Nebentisch nicht hören können, was sie sagt: „Also Tessa … rein rechnerisch … es kann doch wirklich nicht sein, dass es in Berlin keine normalen Männer gibt. Aber es gibt sie nicht!“ Dann lacht sie, sie leuchtet förmlich von innen heraus und beschreibt die Trennung vom Vater ihres kleinen Kindes als „zweitbeste Entscheidung“ ihres Lebens. Die Beste war das Kind.
Ich zähle im Kopf: All diese wahnsinnig klugen, tollen, humorvollen Frauen, die ich kenne, haben sich nach der Geburt relativ schnell getrennt, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Der eine hat sie schon in der Schwangerschaft mit der Rezeptionistin in seiner Firma betrogen (was man sicherlich verzeihen und aufarbeiten kann), der andere wurde regelmäßig gewalttätig (ein Fall, bei dem man auf jeden Fall die Beziehung beenden sollte). Ein anderer hatte einen dicken Schuldenberg mehrere Jahre verschwiegen, der andere kam nicht vom Koks los, bei den meisten anderen lebten sich die Paare schlicht auseinander, wie man es eben immer wieder hört. Stefanie Lohaus, Herausgeberin des Missy Magazines, die wie ich in Berlin lebt und ich ab und an treffe, schrieb eine ähnliche Beobachtung vor ein paar Monaten bei der FAZ: „Neulich war ich mit meinem dreijährigen Sohn auf einem Kindergeburtstag eingeladen. Acht Frauen Mitte 30 saßen da im Kreis. Die Gastgeberin und ich waren die Einzigen, die noch mit ihren Partnern zusammen waren. Eine absurde Situation, die aber wirklich so passiert ist.“
Generation alleinerziehend
Der Anteil der Alleinerziehenden ist in Deutschland ist in den letzten Jahren verstärkt gestiegen, Familien gehen schneller auseinander. 30 Prozent der Mütter (von zehn Single-Eltern sind neun Mütter) sind zwischen 30 und 39 Jahren alt, 15 Prozent der Mütter, die ihr Kind überwiegend allein betreuen, haben ein Kind unter drei Jahren, so hat der Familienmonitor 2012 des Bundesfamilienministerium erhoben. Sind das traurige Fakten? Schließlich sind viele wirklich erleichtert, wenn eine bedrückende und anstrengende Beziehung endlich offiziell beendet ist und man den Neuanfang wagen kann. Von älteren Generationen hört man ab und an sogar ein Lob an die Tochter, die sich gegen die traditionelle Familie entschieden hat: „Gut, dass du dich das getraut hast. Wir haben früher viel zu lang gewartet oder nie etwas geändert.“
Trennungen sind sozial akzeptierter geworden, auch wenn ihre Kehrseite ist, dass die ökonomische Situation insbesondere für Mütter sich mit der Trennung verschlechtert. Wenn eine Familie von nur einem Elternteil versorgt wird, steigt das Armutsrisiko. Von den alleinerziehenden Müttern sind insgesamt über 30 Prozent auf Hartz IV oder Arbeitslosengeld angewiesen, bei den Müttern mit Kindern unter drei Jahren leben sogar Dreiviertel von Transferleistungen. Diese Zahlen kontrastieren das Gefühl der Unabhängigkeit, das eine Trennung für manche Frauen bedeuten kann.
Bild: Mark Sebastian – Flickr – CC BY-SA 2.0
Woran wir scheitern
Aber zurück zur Liebe: Warum klappt es nicht? Stefanie Lohaus schreibt in ihrem Artikel: „Die Frauen erklärten unisono, dass ihre Beziehung daran gescheitert sei, dass sie sich mit dem Kind alleingelassen fühlten. Man habe sich entfremdet, die Leben seien zu verschieden geworden. Sie alle wollten Beruf und Familien vereinbaren, doch es ging nicht.“ Sollte das tatsächlich der Hauptgrund für das Scheitern von jungen Familien sein, wäre das in der Tat sehr traurig. Denn dann würde das Auseinandergehen zum einen auf nicht gelingende Kommunikation und Kompromisse zurückgehen, zum anderen auf sehr stark unterschiedliche Vorstellungen von dem, wie die unterschiedlichen Partner leben möchten: sie partnerschaftlich, er traditionell. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist.
Als Annika sagte, dass alle Männer irgendwie komisch seien, lache ich mit und gebe ihr Recht. Denn meine Freundinnen, die keine Kinder haben, plagt oft das Problem, dass ihre Freunde noch keine wollen und noch einmal zehn Jahre Bedenkzeit wollen – bis sie Mitte 40 sind und es zwar nicht für sie, aber vermutlich für ihre Partnerin zu spät ist, um ein Kind zu bekommen. Seltsam, wie sich auch dieses Missverständnis zwischen den Geschlechtern hält. Dabei habe ich mittlerweile auch viele Männer im Freundeskreis, die ihre Zeit überschätzt haben und nun mit Mitte und Ende 40 bitter realisieren müssen, dass sie kinderlos bleiben werden, weil sie sich nicht früher getraut haben und eben doch keine junge Frau auf sie gewartet hat. Frauen, die wissen, was sie wollen, erfüllen sich den Kinderwunsch immer öfter einfach ohne festen Partner.
Immer die gleichen Probleme
Aber warum zerbrechen Beziehungen nun oder kommen erst gar nicht zustande? Weil wir alle komisch sind und immer an den oder die Falsche geraten? Viele kennen das Phänomen: Wir suchen uns immer den „falschen“ Partner aus. In jeder Beziehung treten früher oder später die gleichen Probleme auf, wir haben Déjà-vu-Erlebnisse und ärgern uns, warum wir immer an diese Menschen geraten, mit denen wir auf Dauer nicht können.
Dann trennen wir uns, sind eine Weile glücklich Single, fühlen uns gewappnet für die nächste Beziehung, in der wir alles ein wenig anders und besser machen, und beginnen das Spiel von vorn, das auf seltsam ähnliche Weise endet. Manche von uns sitzen dann in der Psychotherapie und wollen das Problem lösen, dass sie immer an die falschen Liebespartner geraten.
Der Schritt zum Therapeuten ist auch grundsätzlich nicht falsch, denn unsere Partnerwahl hat tatsächlich damit zu tun, wer wir selbst sind. Der Bestseller-Autor und Beziehungstherapeut Harville Hendrix, Autor von „Getting the love you want“, argumentiert in seinen Büchern, dass die Erfahrungen mit unseren ersten Bezugspersonen unsere spätere Partnerwahl prägen und wir die schmerzhaften Erfahrungen mit ihnen in unseren erwachsenen Beziehungen heilen wollen. Bis wir diese traumatischen Erfahrungen wieder gut machen können, suchten wir uns jedes Mal aufs Neue einen Partner, der uns an die Bezugsperson erinnere, die unsere Verletzungen verursachte, so Hendrix.
Wichtig ist es also auf jeden Fall, sich selbst zu kennen und zu wissen, was man in einer Beziehung braucht. Doch, so Hendrix, gibt es eben nicht die richtigen Partner, die diese Wunden flicken werden. Hendrix sagt hingegen: Du kannst vor allem versuchen, der richtige Partner zu sein.
„Es ist schwierig zu begreifen, dass man, um geliebt zu werden, zuerst ein Liebender werden muss. Das ist eine der Wahrheiten, die die meisten Paare lernen müssen. Sie müssen bereit sein, zu wachsen und sich zu verändern (…). Der richtige Partner zu sein ist wichtiger für eine gute Beziehung, als den richtigen Partner zu finden.“
Hendrix ist der Auffassung, dass persönliches Wachstum vor allem gemeinschaftlich in Beziehungen gelingt, in denen die Partner miteinander an ihren Schwächen arbeiten, ihre Bedürfnisse wechselseitig kommunizieren und versuchen, die des jeweils anderen zu erfüllen – er nennt das eine „bewusste Beziehung“. Aber genau das sei für viele die Krux, weil unsere Beziehungspartner oft das brauchen würden, was uns besonders schwer falle zu geben. Schaffen wir es doch, wachsen wir über uns hinaus. Eine weitere gute Botschaft also, die Hendrix dort vertritt: Persönliche Veränderung ist möglich – sogar jenseits der 30.
Wir arbeiten an uns – aber allein
Ich glaube, dass die Generation der 30- bis 40-Jährigen im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsentwicklung einen deutlichen Vorsprung zu ihrer Elterngeneration hat. Sich therapeutische Hilfe zu holen, ist kaum noch ein Tabu und so bearbeiten viele für sich mit Psychologen ihre Probleme, lernen sich mit Hilfe eines Coaches besser kennen und sogar in vielen Firmen bekommen die Angestellten immer häufiger die Gelegenheit, sich mit professioneller Hilfe mit sich selbst auseinander zu setzen, ihr Verhalten zu verstehen und vielleicht sogar ändern zu können – wir wachsen nicht nur fachlich, sondern auch menschlich.
Der Bereich, in dem wir diese Offenheit jedoch noch nicht besitzen, ist die Liebe. Sie wird weiterhin magisch verklärt. Liebe muss ein Naturtalent sein, wir müssen eben den Richtigen finden, vielleicht endlich mit dem perfekten Algorithmus bei Tinder oder der nächsten heißen Dating-App. Wir holen uns gern Sextipps und oberflächliche Ratschläge für die Beziehung, wie als Elternpaar eine regelmäßige Date-Night einzuführen – aber wer von uns ist eigentlich wirklich bereit, an der Beziehung zu arbeiten? Vielleicht sogar proaktiv, wenn die Beziehung noch okay und noch nicht auf dem Gipfel des Machtkampfes angekommen ist?
Das Ding ist ja, wir lügen und schauspielern um jemand zu sein, von dem wir glauben, dass unser Partner das mag oder nur so erträgt und denken, dass wir uns selbst auf diese Weise ein bisschen lieber haben können. Und dass sind viel zu viele Konjunktive, als dass da Liebe stehen könnte und nicht ein dickes, fettes Fragezeichen.
„Schuldzuweisungen und Kritik sind charakteristisch für das Stadium des Machtkampfes in einer Beziehung. Was wir hier sehen, ist die Kehrseite des Verliebtseins: Es sind die gleichen Aufgaben, aber gegenteilige Taktiken. Wir versuchen nicht mehr, um die Erfüllung unserer Bedürfnisse zu werben, wir versuchen, sie zu erzwingen.“
Die Liebe ist hart, und sich genau für sie einzugestehen, dass sie uns aus diesem Grund gar nicht leicht von der Hand geht, könnte ein Anfang sein. Sie ist das größte Gefühl und wir müssen lernen, mit ihr umzugehen.
Wer sich selbst gut kennt und versteht, lebt bereits sehr bewusst und hat für diese Erkenntnis viel Arbeit investiert. Diesen anderen Menschen, mit dem wir Pläne haben, wenigstens annähernd so gut zu kennen, wird ebenso viel Zeit und Arbeit kosten. Und das ist eine Art von Anstrengung, die nicht morgens beim Kaffee, auf dem Sofa oder in der Sauna gelingt. Liebe braucht Zeit und den Willen, sie zu gestalten. Verliebtheit fällt vom Himmel, die Liebe nicht. Vermutlich werden also genau die enttäuscht, die an die große Liebe glauben und auf sie warten. Die eher Rationalen, die sich ein wenig dafür ins Zeug legen – gemeinschaftlich – werden sich die Liebe schließlich erarbeitet haben. Das klingt nicht romantisch, wie sich von Anfang an blind zu verstehen, aber wenn das erreicht ist, fühlt es sich sicherlich gut an.
Titelbild: ClickFlashPhotos / Nicki Varkevisser – Flickr – CC BY-SA 2.0
Zitate aus: Ohne Wenn und Aber: Zur Liebe fürs Leben für Singles und Paare!
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