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Sehnsucht nach einem Kind: Wie gehen Männer mit einem unerfüllten Kinderwunsch um?

Wenn ein Paar einen unerfüllten Kinderwunsch hat, leiden meistens beide darunter. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir auch darüber sprechen, wie Männer damit umgehen.

Auch Männer trifft ein unerfüllter Kinderwunsch

Die Sehnsucht nach einem Kind kann sich bei Frauen und Männern ganz akut bemerkbar machen, sie kann aber auch unterschwellig mitschwingen, wenn sie sich mit den besten Freunden und deren Nachwuchs treffen. Frauen wie Männer können Sehnsucht nach einem eigenen Kind haben. Der unerfüllte Kinderwunsch wird aber vor allem bei Frauen thematisiert. Wie gehen eigentlich Männer damit um? Das habe ich Franziska Ferber von Kindersehnsucht gefragt.

Wie empfinden Männer einen unerfüllten Kinderwunsch?

„Mein Eindruck ist, dass Männer oftmals genau so unter dem unerfüllten Kinderwunsch leiden wie ihre Partnerinnen. Nur äußert es sich unter Umständen ganz anders. Für die betroffenen Frauen scheint es kaum möglich, jemals abzuschalten. Wie auch; sie stecken ja Tag für Tag in ihrem Körper fest – merken den Eisprung, PMS, die Periode und so weiter. Für Männer ist das oftmals sehr abstrakt. Sie merken, wie ihre Partnerin leidet und kaum aus der Spirale zwischen Hoffnung und Enttäuschung raustreten kann. Sie selbst fühlen sich oftmals hilflos. Es ist ja schließlich so, dass Männer im Vergleich zu Frauen beim Kinderwunsch verhältnismäßig kurz gebraucht werden. Die Last der Kindersehnsucht (und erst Recht, wenn es um Kinderwunschbehandlungen geht) liegt ja vornehmlich bei der Frau.

Und wie gehen Männer mit dieser Situation um?

„Männer fühlen sich nach meinen Beobachtungen oft hilflos und kompensieren das anders als Frauen. Während ihre Partnerin sich in ihrer Hilflosigkeit und Einsamkeit oftmals zurückzieht, wenden sich viele Männer gerade in dieser Zeit nach außen; machen vermehrt Sport oder setzen auf Erlebnisse. Dazu kommt noch, dass viele Männer den Eindruck haben, mit Optimismus ihre Frauen unterstützen zu können. Aufmunternde Sätze sind häufig an der Tagesordnung. Das wird jedoch selten anerkannt; vielmehr haben viele Frauen den Eindruck, sie – also die Partner – würden den Ernst der Lage verkennen. Missverständnisse sind allzu oft an der Tagesordnung – und das, obwohl sich beide nach dem Wunschkind sehnen; aber eben anders mit dem Erleben umgehen.”

„Ich erlebe, dass das zu einer deutlich positiven Veränderung für beide Seiten führt und die Partner sich wieder näher kommen.”

Stimmt es, dass Männer seltener offen darüber reden?

„Ich habe den Eindruck, dass es hier kaum tatsächliche Unterschiede gibt. Eher liegen die in der Natur des Paares und ihres Umfeldes. Die einen wenden sich an ihre Familie und enge Freunde; andere behalten ihren Kummer für sich. Je nach dem, wie sich ein Paar entschieden hat, ist dann auch die Offenheit.

Was ich aber schon erlebe, ist, dass viele Frauen tendenziell über das, was sie erleben, reden möchten – und wenn auch nur mit einigen wenigen Personen. Viele Frauen finden Trost darin, über ihr Erleben zu sprechen. Der unerfüllte Kinderwunsch verändert das Paar; seine Kommunikation – miteinander aber auch mit dem Umfeld. Viele Männer kommen nach meinen Eindruck besser mit dem „nicht reden“ klar. Auch hier: Der unerfüllte Kinderwunsch verändert das Paar; seine Kommunikation – miteinander aber auch mit dem Umfeld. Je eher den beiden Partnern dies bewusst wird, desto eher kann es gemeinsam nach neuen Vereinbarungen und Lösungen gesucht werden. Dabei unterstütze ich – denn ich sehe beide Seiten und „übersetze“ diese auch immer wieder. Ich erlebe, dass das zu einer deutlich positiven Veränderung für beide Seiten führt und die Partner sich wieder näher kommen. Das ist sehr schön zu sehen; denn in dieser schweren Lebensphase brauchen sie einander.”

Kommen auch Männer in dein Coaching?

„Ja, ich begleite und unterstütze immer wieder Männer. Allerdings ist es häufig so, dass zunächst ihre Partnerinnen nach Unterstützung suchen und zu mir kommen. Wenn der Mann dann erlebt, wie gut seiner Frau das Coaching, die Begleitung und Unterstützung von jemandem tut, der das alles selbst erlebt hat, kommen auch sie gerne in ein Coaching.”

Inwiefern unterscheidet sich das Coaching zu deinen weiblichen Klienten?

„In der Regel wollen die Herren aber den Abstand halten und setzen auf ein Telefonat oder eine Begleitung per Skype. Das ist spannend zu sehen. Viele kommen dann erst einmal mit dem Ziel zu mir, zu erfahren, wie sie ihre Partnerin in dieser besonderen Lebensphase unterstützen können. Wenn sie dann erfahren, dass ihre Frau nicht ,irre’ oder ,krank’ oder ,übersensibel’ ist und gleichzeitig Tipps und Tricks an die Hand bekommen, wie sie sie (aber eben auch sich selbst) besser begleiten können, dann hat das einen oftmals wirklich verändernden Effekt: Verständnis und das Miteinander nehmen zu; Lebensfreude wird wieder spürbarer. Das ist so schön zu sehen!”

Also fällt es Männern erst einmal schwer, sich Hilfe zu suchen?

Frauen sagen in der Regel, dass sie Unterstützung brauchen. Männer brauchen oft den Weg über die Unterstützung ihrer Partnerin, bevor sie über sich selbst und ihren Kummer sprechen. Das ist aber auch in Ordnung – der Kinderwunsch ist ja ein sehr persönliches, aber eben auch ein Paar-Thema.”

Gibt es Männer, die mehr unter Kinderlosigkeit leiden als andere?

Wie Menschen leiden, ist höchst individuell und unterschiedlich. Aber ja, es gibt natürlich Männer, die sich wirklich von Herzen ein Kind wünschen und andere, denen es vornehmlich darum geht, eine Familie zu gründen. Die dahinterliegenden Motive unterscheiden sich also – wenn man es sehr differenziert betrachtet. Am Ende des Tages geht es oft um die Erfüllung der tiefen Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Verantwortung, Sinn und Aufgabe. Da setzen wir dann auch an – aber berücksichtigen auch die Individualität der Menschen, die einen unerfüllten Kinderwunsch aushalten müssen. Bei mir gibt es nichts von der Stange, ich schaue immer genau hin, was die Person ausmacht und worauf wir bei ihr aufbauen können.”

„Sie wünschen sich als Paar ein Kind – also müssen sie auch lernen, als Paar damit umzugehen.”

Macht es einen Unterschied, ob die biologische Ursache beim Mann oder bei der Frau liegt?

„Ich sage den Paaren sehr schnell, dass es keinen Sinn macht, sich auseinander zu dividieren und zu erörtern, wer, wie viel, wozu beiträgt. Wer anfängt in der
,Schuldfrage’ zu denken, wird sich Stück für Stück voneinander entfernen. Und oft genug hat der eine Partner eine medizinische Ursache erhalten; der andere aber nicht. Und trotz modernster Mittel, die die eine biologische ,Schwäche’ überwinden, will es nicht klappen. Bei mir und meinem Mann war das so. Nicht alles ist ,diagnostizierbar’.

Mir ist es sehr, sehr wichtig, den Kinderwunsch als Sehnsucht eines Paares (!) zu begreifen. Zu klären, wer was verursacht und wie das behandelt werden kann, darf die Mediziner interessieren; natürlich. Das Paar aber bringt diese Frage nicht weiter. Sie wünschen sich als Paar ein Kind – also müssen sie auch lernen, als Paar damit umzugehen. Hierfür brauchen sie oft ein neues Miteinander; eine neue Form der Kommunikation. Denn hier geht es auf einmal um eine schwere Krise, die viele Paare das erste Mal erleben, wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt. Sie dürfen dann lernen, auch in dieser Krise als Paar zu bestehen und in Kontakt zu bleiben – auch wenn es manchmal wirklich schwer ist.”

Eine Kinderwunschbehandlung kann die Beziehung sehr belasten. Wie verhindert man, dass die Liebe darunter leidet?

„Das ist so einfach wie schwer: Indem man sich das bewahrt, was das Miteinander bisher ausgezeichnet hat. Wer das gesamte Leben dem Kinderwunsch unterordnet, wird über die Dauer traurig und einsam. So schwer es ist: Für mich heißt es, ein Stück weit die Lebensqualität – und damit das, was das Paar gerne macht – zu bewahren. Denn es gibt keine Garantie, dass man am Ende trotz aller Bemühungen das Wunschkind bekommt.

Ich möchte Paare davor bewahren, dass es ihnen ergeht wie mir: Ich habe über Jahre auf alles verzichtet, was Freude machte … und wurde am Ende doppelt bestraft: Kein Kind – und verlorene Jahre, in denen wir alles aufgeschoben haben, was uns als Paar schöne Momente geschenkt hätte. Reisen? Vielleicht bin ich dann schwanger. Schöne Erlebnisse? Vielleicht zu risikoreich. Feste und Alkohol? Doof. Treffen mit Freunden? Ach nö – zu anstrengend. Sport? Wer weiß, was das mit den Eizellen macht. Spontanität? Vergiss’ es – jedenfalls ohne Prüfung auf die Auswirkung auf den Übungszyklus. Wenn das ,Ja’ zum Leben kleiner wird als das zum Kinderwunsch, merkt das Paar das; allerdings oftmals ziemlich spät, wenn sie total erschöpft sind.

Ich empfehle daher unbedingt darauf zu achten, dass ein Stück Lebensqualität als Paar weiterhin gelebt wird und sich nicht alles der Paarung unterordnet. Ich halte das für essentiell.”

Franziska Ferber schreibt übrigens auch selber oft bei EDITION F.

Dieses Interview erschien zuerst auf Dianas Blog zweitöchter. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.

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