In sozialen Medien machen gerade Tradwives auf sich aufmerksam – traditionelle Hausfrauen, die für ihren Mann auf eine eigene Karriere verzichten. Dahinter steckt Kalkül von rechts.
Rückbesinnung auf traditionelle Rollenverteilungen
Als Trend wird heutzutage oft genug etwas ausgerufen, das zwar überhaupt nicht neu ist, dafür aber einen Hashtag bekommen hat. Wie das, was sich gerade in Großbritannien bemerkbar macht: #Tradwife. Tradwife ist ein Klappwort aus traditionell (traditional) und Ehefrau (wife) und wird von eben jenen Tradwives auf Blogs, YouTube und Social Media verwendet: Dort sieht man Frauen in ihren Dreißigern am Bügelbrett oder an einen Mann gelehnt, selbst gebackene Brote werden in die Kamera gehalten, Eintopfrezepte angepriesen und Früchte drapiert.
In britischen Medien, wie der BBC, der Daily Mail oder der Times wird der Trend erklärt: Es gehe darum, Hausfrau zu sein, und zwar ausschließlich Hausfrau. Als freudvoll selbstgewählte Rolle. Doch das Ganze wird dabei eben nicht nur als individueller Weg zum Glück zelebriert, sondern eingebettet in eine Rückbesinnung auf traditionelle Rollenverteilungen: „A woman’s place is at home“ und „trying to be a man is a waste of a woman„, heißt es dort zum Beispiel.
Die Tradwives sehen sich nicht als Anti-Feministinnen, sondern ganz im Gegenteil: Als diejenigen, die das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung wirklich leben. Allen voran die 34-jährige Alena Kate Pettitt, die erst vor Kurzem im britischen Frühstücksfernsehen erklärte, dass sie ihren Mann gerne „verwöhnt, als sei es 1959“.
Hinter frisch gebackenen Muffins versteckt sich eine politische Botschaft
Diese Vorliebe für Vintage-Flirterei und selbst gemachte Orangenmarmelade mag zwar auf den ersten Blick als nischiger Trend daherkommen, aber frei von politischer Brisanz sind die Tradwives nicht. In den USA wurden sie nämlich im Rahmen der Alt-Right-Bewegung bekannt. Die Amerikanistin Annie Kelly zeigt in ihrer Forschung zu dieser extrem rechten Bewegung, dass sich die Huldigung traditioneller Frauenrollen als Versuch von White Supremacists lesen lässt, die von Männern dominierte Bewegung auch für Frauen attraktiv zu machen.
„Tradwives“, schreibt sie, „helfen uns die Unzufriedenheit dahingehend zu verstehen, dass sie Berührungspunkte zwischen lippenstifttragenden Vielfachmüttern und Männern, die sich darüber beschweren, ungeküsste Jungfrauen zu sein, aufzeigen.“ Denn die rassistische Ideologie der extrem Rechten ist eben auch motiviert von einer Unzufriedenheit mit dem modernen Leben: Angst, den Job zu verlieren, finanzielle Unsicherheit, der Druck, sich für die Arbeitswelt mobil und flexibel zu halten, der Verlust von Privilegien.
Ehe und Mutterschaft sollen einen sicheren Hafen bieten
Da verspricht ein sehnsuchtsvoller Blick in die 1950er, wo der Mann mit einem einzigen, sicheren Einkommen Stabilität für mindestens zwei garantieren konnte, für Tradwives eine reizvolle Alternative. Aber auch Ängste von Frauen sollen im Tradwife-Kosmos in Schach gehalten werden, führt Annie Kelly aus. Denn das moderne Leben wird für die Objektifizierung von Frauen und für sexualisierte Gewalt gegen sie verantwortlich gemacht. Ehe und Mutterschaft sollen dagegen einen sicheren Hafen bieten.
Tja. Es geht also weniger um Sehnsucht als vielmehr um Ängste, die instrumentalisiert werden.
Hinter der betont heimeligen Inszenierung mit geblümten Schürzen, Lippenstift und frisch gebackenen Muffins versteckt sich damit eine harte politische Botschaft. Und auch wenn einige Tradwives, wie die Britin Pettitt, sich selbst von nationalistischen Bewegungen distanzieren, speist ihr Pochen auf Traditionen doch eine Agenda, wie sie von rechten Kreisen propagiert wird. Auch hierzulande kennen wir diese Agenda – von der AfD.
Was heißt hier traditionelle Rolle der Frau?!
So wird im Leitbild der Partei mit Hinweis auf „die traditionelle Familie“ – eine „Familie aus Vater, Mutter und Kindern“ – für eine Politik plädiert, die für Frauen nicht wirklich eine selbst gewählte Rolle vorsieht, sondern mit Rekurs auf die „natürliche Gemeinschaft“, eine Rolle jenseits individueller, freiheitlicher Lebensentfaltung: „Staatliche Institutionen wie Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter und Familiengerichte greifen zu sehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein.“ Und vermeintliches gender mainstreaming und die generelle Betonung der Individualität würden die Familie als wertgebende gesellschaftliche Grundeinheit angeblich untergraben.
Es sind Passagen wie diese, in denen sich AfD, Alt-Right-Bewegung und Tradwife-Instagramerinnen in ihrer Wortwahl überlappen. Tradition wird hier angerührt mit einer grotesken Geschichtsignoranz zum normativen „So soll es sein.“ Wie grotesk das ,trad’ in Tradwife aber ist, wird schnell klar, wenn man das Ganze mal historisch unter die Lupe nimmt.
Denn von welcher traditionellen Rolle der Frau ist hier die Rede? Die Idee der Frau als Hausfrau, wie sie in den 50er Jahren etabliert wurde? In einer Zeit, in der Ratgeber Frauen Tipps der Sorte „Richte sein Kissen und biete ihm an, ihm die Schuhe auszuziehen“ ans Herz legten und die Werbeindustrie („Jede Hausfrau freut sich über einen Kühlschrank“) eifrig dafür sorgte, dass uns das Bild der Hausfrau der 50er Jahre heute noch wie der allein gültige Prototyp erscheint? In einer Zeit, in der Frauen in Deutschland nicht ohne die Erlaubnis ihres Mannes arbeiten durften (bis 1977), Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar (bis 1997) und eine öffentliche Diskussion zu Schwangerschaftsabbrüchen noch Jahrzehnte entfernt war?
Politisch gewollte Rollenbilder
Wenn Tradwives sich auf die Tradition der Hausfrauenrolle beziehen, müssen sie sich leider sagen lassen, dass es diese vorgebliche Tradition noch gar nicht so lange gibt. Denn historisch gesehen hat sich die Rolle von Frauen als ausschließlich für Privatsphäre zuständige Ehefrauen und Mütter erst im 19. Jahrhundert ausgestaltet. Die aufkommende Industriegesellschaft war auf diese geschlechtliche Rollenverteilung angewiesen: „Ohne Trennung von Frauen- und Männerrolle keine traditionelle Kleinfamilie. Ohne Kleinfamilie keine Industriegesellschaft in ihrer Schematik von Arbeit und Leben“, schreibt der Soziologe Ulrich Beck dazu. Die Kleinfamilie mit der Rolle der Frau als fürsorgliche Gattin war wirtschaftlich reizvoll und politisch gewollt.
Selbst ein nur flüchtiger Blick in die Geschichte kann also schon mal zeigen, dass von den Tradwives mitnichten auf eine natürliche Rolle Bezug genommen wird, sondern nur auf eine sehr spezifische Ausformung der Ungleichheit. Damit ist nicht gesagt, dass jede Hausfrau per se unterdrückt ist. Doch Frauen zu Hausfrauen zu machen war nunmal nie Ausdruck von Freiheit und natürlichen Fähigkeiten, sondern immer politischer Wille.
Tradition bedeutet Rückzug
Traditionen sind natürlich wichtig. Sie sind existentieller Teil eines sozialen Miteinanders. Sie geben Halt und Orientierung, stiften Sinn und Gemeinschaft, aber sie sind alles andere als natürlich. Das Problem ist daher nicht so sehr das Hausfrauensein, sondern vielmehr die Verknüpfung dieser Lebensentscheidung mit der Autorität, die das Wörtchen „Tradition“ verspricht. Denn wer in dem Zusammenhang von Tradition spricht, meint nicht harmlos „Ich mag das, weil ich das noch von meiner Oma kenne“, sondern „Ihr macht mir Angst, deswegen macht mal lieber so wie ich“.
Tradition bedeutet hier Rückzug. Und die Tradwives sind Blendwerk für eine Politik, die – von Modernisierungsängsten getrieben – historische Folklore nutzt, um eine Welt auszuschmücken, die rückwartsgewandter nicht sein könnte. Hier geht es um die Sehnsucht nach einer Zeit, in der unsere Rechte massiv eingeschränkt waren. Wer sich nach früher sehnt, sollte sich klarmachen, dass so gut wie alles, was damals war, schlicht und ergreifend beschissener war. Rechte, Freiheit, Bildung, Selbstbestimmung. Alles davon.
Mit Männern flirten als sei es 1959? Lasst es bleiben.
Der Originaltext von Gunda und ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.