Foto: Christine Memminger

In Spanien dürfen Eizellen gespendet werden – ein Besuch in einer Klinik, in der auch deutsche Frauen Hilfe suchen

Künstliche Befruchtung einer gespendeten Eizelle – in Deutschland verboten, für das Team von Rita Vassena in Barcelona Alltag. In ihrer Klinik suchen auch viele deutsche Frauen Hilfe, die nicht anders Mutter werden können.

Gespendete Eizellen für Frauen mit Kinderwunsch

Sie erklärt es immer wieder, lächelt dabei und spricht deutlich: Ab 35 sinke die Fruchtbarkeit bei Frauen rapide. Ab 40 sei es so gut wie unmöglich, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Eine wissenschaftliche Erkenntnis, an der sich seit Jahrzehnten nichts ändert. Eigentlich sollte das jede*r wissen. Und trotzdem kommen Jahr für Jahr mehr Paare zu Rita Vassena in die Kinderwunschklinik Eugin in Barcelona. Meist über 40, meist aus dem Ausland. Oft hilft nichts anderes mehr als eine Eizellenspende. Und: Der Markt boomt. Sie sagt: „Leider passt unsere Biologie nicht mit der modernen Welt zusammen. Sehr oft ist das einzige Problem nur das Alter. Wenn das gleiche Paar fünf oder zehn Jahre früher versucht hätte, ein Kind zu bekommen, hätte es problemlos geklappt.“ Denn auch Männer schätzten ihre Fruchtbarkeit falsch ein, so die Forscherin.

Barcelona ist so etwas wie das Mekka der Eizellenspende. Auch viele deutsche Frauen reisen dorthin, um auf diesem Weg Mutter zu werden. Allein in der Klinik Eugin wurden 2017 mehr als 3.500 Frauen mit einer Eizellenspende behandelt – damit gehört die Klinik zu den größten in Europa. Seit 1999, also seit ihrem Bestehen, wächst die Nachfrage stetig. Denn anders als in Deutschland und den meisten europäischen Ländern ist Eizellenspende in Spanien gesetzlich erlaubt. Und nicht nur das. Die Kliniken haben auch keine Probleme, Spenderinnen zu finden – im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Großbritannien, wo es zwar grundsätzlich erlaubt ist, aber nicht einmal die nationale Nachfrage gedeckt werden kann.

Die Spende muss anonym und aus „altruistischen Motiven“, also uneigennützig, stattfinden. Außerdem muss die Spenderin gesund sein, zwischen 18 und 35 Jahre alt und darf keine Erbkrankheit in sich tragen. Sie muss in Aussehen und genetischem Code der Empfängerin der Eizelle „so ähnlich wie möglich“ sein. Die katalanische Bioethikkommission empfiehlt außerdem etwa 1.000 Euro Aufwandsentschädigung und daran halten sich die Kliniken.

Die Gründe für eine Eizellenspende sind vielseitig 

Rita Vassena bezeichnet die Vorgaben als „sehr klar und fair“. Sie ist die wissenschaftliche Direktorin der Klinik Eugin und verantwortet alles, was im Labor geschieht. „Das spanische Gesetz gibt ganz genau vor, nach welchen Kriterien wir die passende Spenderin auswählen: nicht nach Schönheit, Intelligenz oder Studium, sondern genetisch passend.“ Außerdem existiert ein staatliches Kontrollsystem, um den Handel mit Geschlechtszellen zu unterbinden.

Die Motivation der Spenderinnen ist sehr unterschiedlich. Saray zum Beispiel ist Krankenschwester und entschied sich mit 28 zu einer Eizellenspende, teils aus Neugier, teils aus Hilfsbereitschaft. „Ich mache es vor allem, weil meine zwei Kinder für mich das Allerwichtigste sind“, sagt Saray. „Sie sind die schönste Erfahrung meines Lebens und die möchte ich mit einer Empfängerin teilen, die vielleicht meine Eizellen braucht, um das auch zu erleben.“

Forschung an Eizellen im Labor der Klinik Eugin.

5.000 – 10.000 Euro kosten gespendete Eizellen

Jede volljährige, gebärfähige Frau kann in Spanien eine Eizellenspende empfangen. Das Gesetz schreibt explizit vor, dass die sexuelle Orientierung und der Familienstand keine Rolle spielen, wodurch auch Singles oder lesbische Paare eine Spende bekommen können – übrigens sowohl Eizellen als auch Sperma. Somit macht Spanien den Kinderwunsch für Frauen aus der ganzen Welt möglich. Aktuell behandelt die Eugin-Klinik Kundinnen aus 78 Nationen. Allein 2017 empfingen hier auch 150 deutsche Frauen eine Eizellenspende. Und das ist nur eine von vielen Kinderwunschkliniken. Die privaten Kliniken bieten ihren Kund*innen oft ein Komplettpaket an: inklusive Reiseorganisation und Ärzt*innen die mehrere Sprachen sprechen, darunter in der Regel auch Deutsch.

Die Frauen oder Paare, die sich gespendete Eizellen einpflanzen lassen, zahlen zwischen 5.000 und 10.000 Euro. Doch nicht immer klappt es mit der Schwangerschaft beim ersten Versuch. „Die Empfängerinnen einer Eizellenspende waren meist zuvor noch nie schwanger und sind bereits in einem Alter, in dem es sehr schwer ist, Kinder zu bekommen. Der Druck ist in diesem Moment sehr hoch“, erklärt Rita Vassena. Manche Paare verbinden den Klinikaufenthalt in Barcelona mit einem Urlaub, andere kommen nur für zwei Tage Mindestaufenthalt mit ambulanter Behandlung. Sämtliche Vorbereitung und Nachbehandlung kann im Heimatland stattfinden.

„Ich habe mich in dieses kleine Organ verliebt“

Rita Vassena ist 45 Jahre alt und hat selbst zwei Töchter. Sie ist eine ordentliche und strukturierte Frau, das zeigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit, aber auch in ihrem Auftreten. Ein wacher Blick, zügiger Schritt und eine Vorliebe für Kontraste und klare Formen im Kleidungsstil. Ursprünglich wollte sie Pferdedoktorin werden, studierte Tiermedizin. „Aber schon im ersten Jahr an der Uni ging es eines Tages um die Anatomie der Eierstöcke. Und ich habe mich in dieses kleine Organ verliebt, das Hormone produziert, Eizellen hervorbringt und das Fundament für die nächsten Generationen ist. Und ich dachte mir: Vergiss die Pferde, ich konzentriere mich auf das hier!“

Dass sie irgendwann in Spanien landen würde, hätte Rita Vassena nicht gedacht. Sie ist Italienerin und hat unter anderem in Kanada und den USA studiert. Als einzige ihrer italienischen Großfamilie trägt sie einen Doktortitel. Als sie die Forschung mit Stammzellen von menschlichen Embryonen vertiefen will, stößt sie in den USA an die legalen Grenzen. Ein Kollege holt sie nach Spanien: Hier ist die Gesetzeslage liberaler. Und so forscht sie seit zwölf Jahren in Barcelona auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung. Der Grund: „Weil es ein sehr interessantes wissenschaftliches Feld ist. Und ich bin neugierig. Aber es beschäftigt mich auch als Frau. Denn es ist noch gar nicht so lange her, da war die häufigste Todesursache bei Frauen, ein Kind zu gebären. Eine von vier Frauen starb bei der Geburt.“

Ein Drittel der Spenderinnen sind Studentinnen oder arbeitslos

„Spende Eizellen, spende Leben“, „Viele Frauen brauchen dich!“, „Was man nicht gibt, geht verloren. Auch deine Eizellen“, mit solchen Slogans werben Privatkliniken in Barcelona zum Beispiel an Universitäten um junge Eizellenspenderinnen. Eine Studie der katalanischen Regierung 2014 ergab, dass rund ein Drittel der Spenderinnen Studentinnen oder arbeitslos sind. Die meisten machten hierzu allerdings keine Angabe. Aktuelle Daten der Klinik Eugin zeigen, dass 42 Prozent der Spenderinnen einen festen Job haben. Viele sind bereits selbst Mutter.

Bei Spenderin Patricia stand immer das Geld im Vordergrund, das gibt sie offen zu. Sie hat mit 27 Jahren bereits vier Mal Eizellen in verschiedenen Kliniken gespendet. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Spende hatte sie gerade den Job als Kosmetikerin verloren. Vollständige Anonymität war ihr besonders wichtig. „Ich bin von niemandem Mutter,“ sagt Patricia, „wer es neun Monate im Bauch hat, ist die Empfängerin. Diejenige, die es auf die Welt bringt, die die Wehen durchmacht, die ihm Liebe schenken wird, es ernährt und erzieht, das wird sie sein, nicht ich.“

Ungefähr zwei Wochen lang spritzen sich die Spenderinnen Hormone, um ihre Eierstöcke zu stimulieren. In einem normalen Zyklus einer Frau reift eine Eizelle heran. Mit der hormonellen Behandlung erhoffen sich die Ärzte mindestens zwei oder drei reife Eizellen. In einer OP mit leichter Narkose werden die Eizellen abgesaugt. Das dauert nicht länger als 15 Minuten. Meist werden sie noch am gleichen Tag befruchtet und der Empfängerin eingepflanzt, nur in Sonderfällen eingefroren oder für Forschungszwecke verwendet.

Rita Vassena (links) mit einem Doktoranden.

Aufklärung zum Thema Fruchtbarkeit

Regelmäßig finden in Barcelona große internationale Kongresse zum Thema künstliche Befruchtung statt, dann appelliert Rita Vassena an ihre Kolleg*innen die Öffentlichkeit so gut wie möglich zu informieren. Ihr Ziel ist es, dass bereits Schulkinder verstehen, wie kurz das Zeitfenster ist, um auf natürlichem Weg Eltern zu werden. Sie erklärt: „Dein Lebensstil macht keinen Unterschied, es macht keinen Unterschied ob du jung aussiehst, ob du Yoga machst oder dich gesund ernährst. Das ist alles gut, weil es die Sache zumindest nicht schlimmer macht. Aber es wird dir deine verloren gegangene Fruchtbarkeit nicht zurückbringen.“ Das gilt auch für Männer: Ab einem Alter von 40 Jahren nimmt die Qualität der Spermien deutlich ab und es kommt häufiger zu Fehlgeburten oder zu Kindern mit bestimmten Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes, wie Studien zeigen.

In ihrem Labor überwacht Rita Vassena stolz die aktuellen Forschungsprojekte. Denn die praktizierte künstliche Befruchtung in der Klinik ist das Eine, die biologische Erforschung rundherum das Andere. Sie schwirrt von einem Versuchsaufbau zum nächsten und klärt mit ihren vier Doktoranden und Doktorandinnen Detailfragen ihrer Studien. Rita Vassena erhofft sich beispielsweise neue Erkenntnisse, warum manche Embryos trotz perfekter Befruchtung abgestoßen werden.

Vielleicht muss der Embryo nur die richtige „Sprache“ sprechen, um mit der Gebärmutter zu kommunizieren, vielleicht könnte ihm diese bei der künstlichen Befruchtung bereits beigebracht werden. Und die Zahl der Fälle, in denen sich kein Embryo einnistet, könnte von den bisherigen vier Prozent noch weiter reduziert werden. Denn im Labor geht es ihnen nicht darum, das genetisch perfekte Baby mit Superkräften zu erzeugen. Sondern die Möglichkeiten stets zu verbessern, einen Kinderwunsch zu erfüllen – auch dann wenn sich die Fruchtbarkeit bereits verabschiedet hat.

Von Christine Memminger, Barcelona

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