Einheitsbrei-Instagram: Hört endlich auf, euch für das bisschen Ruhm zu verkaufen!

Auf Instagram zählen keine Inhalte mehr. Alles sieht gleich aus. Dabei gibt es auch richtig tolle Inhalte. Damit die an Relevanz gewinnen, müssen wir uns ändern.

Schöne heile Social Media-Welt?

Es mag komisch klingen, dass genau ich diese Zeilen niederschreibe. Wo ich doch zu den „Millennials” gehöre und wie man so schön sagt: den Wahnsinn der Social Media-Plattformen selbst voll ausnutze. Oder besser gesagt, ausgenutzt habe. Ein paar Gedanken zu unserem digitalen Verhalten.

Die Kardashians haben einen Begriff geprägt: „Anxiety Attacks”. Und der ist sehr passend für das, was ich beschreiben will, denn ich empfinde tatsächlich Anxiety-Momente, sobald ich fremde Menschen auf der Straße sehe, die in Handy-Kamera sprechen oder vor einer weißen Wand posieren – natürlich für die ca. 1.000-2.000 Likes, die sie dafür später dann auf Instagram bekommen werden. Wer die Netflix Serie Black Mirror kennt, der weiß bestimmt, dass viele der Episoden ziemlich genau unsere Gesellschaft abbilden. Und eine Folge (Staffel 3, Episode 1) hat mir richtig Angst gemacht, denn genau so könnte ich mir die Zukunft vorstellen, wenn ich über Instagram nachdenke. Ich sehe jetzt schon, wie alle mit einem gefakten Lebensstil durch die Geschichte von Instagram und Co. wandern. Jetzt mal ehrlich: Kein Mensch kann permanent so scheiße glücklich sein und gefühlt jeden Morgen mit 20 Luftballons und Pankaces im Bett starten.

Und ich kann dieses System einfach nicht mehr unterstützen. Mir war das irgendwie schon immer klar, weshalb ich mich immer mehr vom Blogger-Instagram entfernt habe. Denn es hat nicht zu mir gepasst, ich konnte mich damit nicht identifizieren. Aber so richtig klar ist es mir erst geworden, als ich das ganze auf extremster Weise miterleben durfte.

Wir leben in einer Welt des Wahnsinns – ohne es wahrzunehmen

Ich hatte die Gelegenheit kostenlos die neue IT-Location der Social Media-Stars und allen Instagramer*innen zu sehen. Das „Supercandy Pop Up”-Museum in Köln. Vielleicht kennt ihr die vielen Posts dazu. Ich dachte eigentlich die ganze Zeit, wie kann man sowas überhaupt ein Museum nennen? Aber im Nachhinein habe ich gemerkt, dass in diesem Museum Performance Kunst gezeigt wird, die unsere Gesellschaft widerspiegelt. Es war tatsächlich schon fast Kunst und doch gruselig und interessant zu sehen, dass genau das jetzt unsere Realität ist.

Und das ganze: „Wieso sollen wir nicht die schönen Seiten des Lebens zeigen und der Realität entfliehen?”-Motto passt überhaupt nicht zu den gestellten Alltagsszenen, die auf Instagram zu sehen sind. Sorry, aber man ist nicht authentisch, wenn man wohl bewusst einem Muster folgt, das am Ende nur einen selbst belohnen wird. Belohnungen als Likes, Follower und Interaktionen, die schnell zu Popularität und Profit führen können. Viele Blogger*innen sind sehr ehrgeizig was Kooperationen und Gratis-Produkte angeht und beachten dadurch den Mehrwert für ihre Leser*innen nicht mehr. Das ist mittlerweile, meiner Meinung nach das größte Problem auf der Plattform. Und es ist eine Endlosschleife.

Natürlich kann man auch hier nicht alle in eine Schublade stecken, aber die Mehrheit postet nunmal genau so. Und dabei wächst gerade eine Generation auf, die neue Werte vermittelt bekommt. Versteht mich nicht falsch, ich kenne viele wundervolle Blogger*innen, die tatsächlich ihre Kreativität durch Instagram und ihrem Blog ausleben konnten. Die eine tolle Plattform, wie Instagram es einst war, für sich nutzen konnten. Aber diese Blogger*innen kann ich leider an einer Hand abzählen. Ich bin mir sicher, dass ich mich mit diesem Artikel sehr unbeliebt bei Blogger*innen-Kolleg*innen machen werde. Ich will hier wirklich niemanden angreifen und würde echt gerne unterstützen, wie man es ja gerne unter Blogger*innen macht, aber damit würde ich mich selbst belügen, denn ich kann es einfach nicht mehr akzeptieren. Ich habe genug auf Instagram gesehen, um mir eine klare Meinung zu bilden.

Ist nach Kooperationen zu fragen nicht die modere Bettelei in Zeiten von Social Media?

Ihr wisst doch alle genau, dass mittlerweile jedes Instagram-Profil eine Wiederholung eines anderen ist. Man folgt einem Muster, das einen zugegeben wirklich weiterbringt – was ich mittlerweile wirklich nicht mehr nachvollziehen kann. Wieso setzt sich ein Konzept wie dieses weiter durch? Die gleichen Outfits, die gleichen Posen vor den gleichen weltberühmten Orten. Wo man auch hinschaut: „Instagram Husbands”, die ihre „Wifeys” im perfekten „Ankle” abfotografieren. Und das schlimmste: der exakt gleiche Instagram-Feed!

Als ob man keine eigene Identität mehr hat, sondern nur das nach Außen trägt, was die Masse will. Content hat keine Relevanz mehr, weil alles gleich ist. Man postet nicht mehr schöne Bilder, um seine Kreativität mit der Welt zu teilen, man teilt Bilder, um nicht bedeutungslos oder weniger relevant zu werden. Um nicht von Instagram bestraft zu werden und aus dem Algorithmus zu fallen. Denn dann läuft das Blogger-Business nicht mehr und du muss auf den vermeintlich magischen Influencer-Lifestyle verzichten. Den Lifestyle, den wir von so vielen User*innen präsentiert bekommen. Gratis Produkte, tolle Events und Übernachtungen in Designer-Hotels – wer will das nicht?

Bloß nicht aus dem Algorithmus fallen heißt das Stichwort

Schon seitdem ich denken kann, bin ich Teil dieser Welt. Mit meinem Blog hat es noch eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Wir haben nämlich genau das gemacht, was ich beschrieben habe. Und irgendwie hasse ich uns ein wenig dafür. Aber es hat geklappt! Wir waren im Nu in der Blogger*innen-Szene angekommen. Plötzlich haben wir uns nur noch Gedanken darüber gemacht, wie wir das weiter vorantreiben. Der Blog war gar nicht mehr so wichtig. Man braucht ihn ja nicht einmal mehr, denn Instagram zählt viel mehr! Dein Feed zählt! Die Farben müssen passen, du musst ein Konzept haben und mit deiner Community eine Verbindung aufbauen und deinen Alltag mit ihnen teilen.

Aber nicht nur wir haben das Leben auf der anderen Seite der Realität als Profit gesehen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass man in New York ein Apartment an Blogger*innen vermietet, damit sie dort Bilder machen können und so tun, als ob es tatsächlich ihre Wohnung wäre. Meine Mit-Bloggerin Helin arbeitet schon seit Jahren in verschiedenen Agenturen in Deutschland und bekommt als Social Media-Expertin so einiges mit. Die Anfragen, die sie von einigen Blogger*innen bekommt, bringen in mir so einiges hervor. Und zwar nichts positives.

Ich bin froh darüber, dass wir uns endlich von dem gängigen Instagram-Mustern lösen konnten. Mein Ziel war und ist es nicht, irgendwann meinen Lebensunterhalt als Bloggerin zu verdienen. Wieso um alles in der Welt setzen so viele ihre Existenz auf eine Plattform, die von heut auf morgen verschwinden könnte? Um ehrlich zu sein ist es mir auch egal, ob irgendjemand unseren Blog mag oder uns unterstützt in dieser Welt Fuß zu fassen. Denn wir brauchen und wollen genau das nicht. Wir haben für uns etwas ganz besonderes erschaffen. Und das ist das wichtigste. Keine Plattform, kein*e erfolgreiche*r Blogger*in oder Instagrammer*in wirken daher für uns bedrohlich.

Mehr Ehrlichkeit, bitte

Es ist erschreckend, was wir in der Zeit gesehen und gelernt haben. Blogger*innen die alles dafür tun, um Gratis-Produkte abzustauben. Die jeden Preis in Kauf nehmen, um ein wenig Publicity zu bekommen. Die schlecht über ihre Blogger*innen-Kolleg*innen reden und ihnen wünschen, bald nicht mehr so relevant zu sein. Alles dafür tun, um Geld zu verdienen, aber online ein völlig anderes Bild vermitteln. Und die werden dann als authentisch gesehen. Aber wie kann man denn authentisch sein, wenn man jede Woche Daniel Wellington-Rabatt-Codes verteilt? Oder ist das schon wieder out?

Es wird vielen nicht gefallen, aber ich glaube fest daran, dass diese Blase sehr bald platzen wird. Aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass gleich danach eine neue Blase entstehen wird. Und immer so weiter. Ein Teufelskreis, den viele nicht wahrhaben wollen.

Es ist also ganz allein uns überlassen, ob wir diese gestellte Welt sehen möchten. Denn im Endeffekt liegt es an uns, wem wir folgen und wem nicht. Wen wir relevant machen und wen nicht. Wir leben in merkwürdigen Zeiten, also bleibt stabil und lasst die dunkle Seite nicht gewinnen.

Dieser Text ist zuerst auf Oh Zone erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

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