Merle Röttgers ist Personalerin bei Hubert Burda Media und verrät im Gespräch, worauf sie bei Bewerbungen von Berufseinsteigern achtet.
Raus aus der Uni, rein ins Berufsleben
Spätestens wenn man den Uniabschluss in der Tasche hat, startet die Suche nach dem perfekten Job. Oder einem vergüteten Job. Oder vielleicht überhaupt einem Job. Als Berufseinsteiger schleicht sich leicht das Gefühl ein, dass kaum oder nur wenig Stellen für Neueinsteiger ausgeschrieben werden. Wie soll man sich die geforderte Berufserfahrung aneignen, wenn diese doch überall als Bewerbungskriterium auftaucht?
Merle Röttgers arbeitet als Human Resources Business Partner bei Hubert Burda Media. Als Personalerin in einem großen Medien- und Technologieunternehmen weiß sie also, worauf es bei einer Bewerbung ankommt. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie man als Berufseinsteiger seine Chancen verbessert, ob es in Ordnung ist, unbezahlte Praktikumsstellen abzulehnen und wie realistisch die Anforderungen von Unternehmen sind.
Was ist das Erste, worauf du als Personalerin bei der Bewerbung eines Berufseinsteigers achtest?
„Natürlich ist da zu allererst der Gesamteindruck. Wie ist die Bewerbung gestaltet? Wenn man sich in einer kreativen Branche bewirbt, wie es bei uns bei Burda der Fall ist, darf sich das auch gerne in der Bewerbung widerspiegeln. Ich
schaue natürlich auch auf die klassischen Kriterien: welche Stationen gibt es im Lebenslauf, wie lückenlos ist der. Mehr zählt aber der Gesamteindruck und ob deutlich wird, dass der Bewerber sich Gedanken gemacht hat. Zeugnisse schaue ich mir natürlich auch an, aber die sind nicht das Einzige, was zählt.“
Wie kann man sich als Bewerber von den anderen absetzen und positiv auffallen?
„Ich würde jedem Bewerber und jeder Bewerberin empfehlen, sich vorher intensiv mit der Wunschstelle auseinanderzusetzen: was ist das für eine Branche, was für ein Unternehmen, in dem ich mich bewerbe? Aus der Bewerbung sollte erkennbar sein, dass und warum jemand Lust auf eine Stelle hat und hervorheben, was einen als interessanter Kandidat für das Unternehmen auszeichnet. Man kann das ruhig als Selbstvermarktung ansehen.
Wenn die Bewerbung dann auch noch ansprechend gestaltet ist, stehen die Chancen für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch sicher gut. Aber ein Erfolgsrezept, das für alle Bewerber und alle Stellen gilt, gibt es leider nicht.“
Auslandsaufenthalt, tausend Praktika, sehr guter Abschluss – fast hat man das Gefühl, gegen einen imaginären Super-Bewerber anzutreten, dessen Lebenslauf immer ein bisschen lückenloser ist als der eigene. Sind die Anforderungen der Unternehmen an ihre Bewerber heute noch realistisch?
„In einer Stellenausschreibung wird in der Regel der optimale Bewerber beschrieben. Das heißt, es wird manchmal heißer gekocht, als gegessen. Zudem gibt es in den meisten Stellenanzeigen Muss-Kriterien und „Nice-to-Have-Kriterien“. Hier lohnt es sich, sich die Formulierungen genau anzusehen.
„Selbst wenn ein Kandidat das Bewerberprofil nicht komplett erfüllt, kann er oder sie die richtige Person für den Job sein.“
Wenn ein Interessent eine Stellenausschreibung liest und ein oder zwei Punkte davon nicht zu 100% erfüllt, lohnt es sich in der Regel, sich trotzdem zu bewerben. Als Ausgleich kann man zum Beispiel seine besonderen Stärken herausstellen und erläutern, wie man diese für die konkrete Stelle einsetzen will. Selbst wenn ein Kandidat das Bewerberprofil nicht komplett erfüllt, kann er oder sie die richtige Person für den Job sein.“
Wie kommt es, dass inzwischen fast jedes Unternehmen mindestens zwei Jahre Berufserfahrung voraussetzt?
„Wie gesagt, ausgeschrieben wird die Stelle häufig erstmal auf den perfekten Bewerber und der hat im besten Falle schon Berufserfahrung in dem Bereich gesammelt. Bei Burda schreiben wir jedoch oft auch Stellen aus, die die Option bieten als „Junior“ einzusteigen, der weniger einschlägige Berufserfahrung mitbringt. Wenn ich Bewerbungen bekomme, achte ich darauf, was derjenige bisher gemacht hat. Das muss bei Berufseinsteigern gar nicht unbedingt fachspezifisch sein.
Mir sind generell die praktischen Erfahrungen wichtig. Wie hat ein Student seine Zeit genutzt? Hat er oder sie Neues ausprobiert und die Arbeitswelt schon kennengelernt? Das muss nicht über eine Vollzeitstelle sein, sondern kann auch durch Praktika, eine Ausbildung oder Nebenjobs kommen. Jemand der bereits berufliche Erfahrungen gesammelt hat, kann grundsätzlich viel besser abschätzen, was für Stellen zu ihm oder ihr passen und was einem persönlich wichtig ist.“
Wenn man neben der Uni gejobbt hat, sollte man diese Nebenjobs im Lebenslauf erwähnen, auch wenn sie keine fachliche Relevanz haben?
„Ja, auf jeden Fall! Wer beispielsweise schon mal in der Gastronomie gearbeitet hat, bringt häufig sehr viele Qualitäten mit: Dienstleistungsorientierung, Serviceorientierung, einen freundlichen Umgang mit Kunden … davon kann man in sehr vielen Bereichen profitieren.“
Schaust du dir die Social-Media-Profile deiner Bewerber an?
„Grundsätzlich nicht. Wenn man aber in der Bewerbung oder im Lebenslauf explizit darauf hinweist, schaue ich mir die Profile auf jeden Fall an. So
bekommt man einen guten Eindruck davon, wie jemand sich nach außen präsentiert. In digitalen Bereichen können Instagram-Profile oder Blogs auch wie eine Arbeitsprobe gewertet werden.“
Mal ganz ehrlich: wie wichtig ist das Bewerbungsfoto?
„Genau wie die Bewerbung darf auch das Bewerbungsfoto gerne
an die Branche angepasst sein. Grundsätzlich glaube ich, dass jeder Mensch
unterbewusst – ob man will oder nicht –von Bildern beeinflusst wird. Davon kann sich sicher auch kein Personaler freimachen. Gerade deshalb ist es wahnsinnig wichtig, dafür als Personaler sensibilisiert zu sein und andere Beteiligte zu sensibilisieren. Ich persönlich bin ein großer Freund davon, Bewerbungen ohne Bild zu bekommen und versuche ansonsten, mir zuerst die Bewerbung anzuschauen und erst in einem späteren Schritt das Foto.“
Hast du Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungsverfahren?
„Komplett anonymisiert noch nicht, aber in meiner letzten Stelle, in einem sehr international aufgestellten Unternehmen habe ich viele Bewerbungen ohne
Foto und ohne Angabe des Familienstandes bekommen. Ich fände es spannend,
in Zukunft auch Bewerbungen ohne Angabe des Namens oder Geschlechts
auszuwerten.“
In dem Zuge: immer wieder hört man von Unternehmen, die bei gleicher Qualifikation trotzdem lieber einen Mann einstellen. Was sind deine Erfahrungen mit dieser Art von Diskriminierung?
„Ich hatte selbst oft die Befürchtung, dass mir persönlich sowas passieren könnte. Die Realität hat das für mich aber nicht bestätigt. Natürlich habe ich auf Bewerbungen auch Absagen oder keine Rückmeldungen bekommen und
letztendlich kennt man nie die genauen Beweggründe, aber glücklicherweise hatte ich nie das Gefühl, dass es daran lag, dass ich eine Frau bin.“
Ist es überheblich oder selbstbewusst, irgendwann für sich festzulegen: unbezahlte Stellen und Praktika kommen mir nicht mehr in die Tüte?
„Wenn es sich um ein Schülerpraktikum handelt oder um ein komplettes Schnupperpraktikum in einem Bereich, der einem bisher völlig fremd ist und
nicht länger als ein oder zwei Monate dauert, dann finde ich persönlich unentgeltliche Praktika völlig legitim. Sobald des Praktikum aber längerfristig ist, man seine persönliche Erfahrung einbringt und tatsächlich tätig wird, sollte das Ganze auch bezahlt werden. Und das darf man dann auch gerne selbstbewusst einfordern und muss sich nicht unter Wert verkaufen. Das ist bei uns übrigens selbstverständlich.“
Oft steht in der Stellenausschreibung der Wunsch nach einer Gehaltsvorstellung. Als Berufsanfänger hat man da meist wenig bis keine Erfahrungswerte. Woran kann man sich orientieren?
„Es ist auf jeden Fall hilfreich zu recherchieren. Im Internet finden sich zum Beispiel Gehaltsreports, die nach Branche, Tätigkeiten und Berufserfahrung kategorisieren und einen guten Richtwert bieten. Der Wohnort spielt dabei auch immer eine Rolle. Außerdem ist es unglaublich hilfreich, sich mit Freunden oder Bekannten auszutauschen, die schon berufstätig sind. Grundsätzlich sollte man hinter seiner Gehaltsforderung stehen können und sich vorher fragen, was man selber für realistisch hält. Man kann dann natürlich immer noch ein bisschen höher pokern, wenn man sich damit wohlfühlt.“
Wie schlimm ist es, wenn du im Vorstellungsgespräch merkst, dass die Person aufgeregt ist?
„Es kommt natürlich immer darauf an, wie sich die Aufregung äußert, aber allgemein kann man sagen: gar nicht. Jeder ist ein bisschen aufgeregt vor
einem Vorstellungsgespräch. Es könnte auch ein Indiz sein, dass die Person die
Stelle unbedingt haben möchte. Wichtig ist, dass man trotzdem möglichst souverän damit umgeht. Sich mal zu verhaspeln, ist überhaupt kein Problem. Ich finde es besser, wenn die Person sie selbst ist, als wenn sie übertrieben versucht, die Aufregung zu überspielen.“
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