Unsere Autorin Amal leidet an Endometriose. Über zehn Jahre quält sie sich jeden Monat mit unbeschreiblichen Schmerzen, bis ihr eine Endometriose-Spezialistin eine Pille verschreibt, die die Periode stoppt.
Viele kennen ihn, diesen Schmerz. Wie ein Messer im Bauch, das versucht, das Innere nach außen zu schaben. In Embryostellung, mit ruhelosen Beinen, Bauch streichelnd, nein, unteren Rücken streichelnd, der Versuch, ruhig zu Atmen: ein und aus. NEIN, Luft anhalten! Ibu, Buscopan, Tilidin, einfach wegklatschen, „ich kann nicht mehr!“ schreieeeen.
Dieser Schmerz war über zehn Jahre mein ständiger Begleiter.
Seit ich elf Jahre alt bin, bekomme ich meine Periode. Die erste richtige kam direkt mit einem Paukenschlag, sie war sehr schmerzhaft und wollte auch nach drei Wochen nicht aufhören. Meine damalige Ärztin nannte das Ganze eine „juvenile Dauerblutung“, was eigentlich nur meinen Zustand im Ärztejargon beschrieb: Ich bin jung und blute ohne Ende. Und so wurde ich damals auch behandelt – symptomorientiert. Mir wurden Gelbkörperhormone gegeben, die die Blutung stoppen sollten. Das hat auch geklappt, aber nach den zehn Tagen Hormonkur fing sie dann wieder an. Die Antwort meiner Gynäkologin: Pille.
Vielen Menschen, die die weibliche Pubertät durchlaufen, wird bei den kleinsten Anzeichen von Problemen direkt die Pille verschrieben. So war das auch bei mir, um die Periode kontrollieren zu können. Was mir aber niemand erzählte: Die Pille hemmte durch die frühe Einnahme vermutlich mein Wachstum, ich bekam Magenprobleme, sieben Kilo Wassereinlagerungen und die eine Woche im Monat, in der ich meine Tage bekam, war so schlimm, dass ich ständig ausfiel. Klar, als Kind bleibt man auch gern mal von der Schule weg, aber nicht, um dann tagelang weinend auf dem Badezimmerboden zu liegen und „Jesus, take the wheel“ zu rufen.
Als ich 15 Jahre alt war, kam dann ein Wendepunkt. Durch mehr mediale Aufmerksamkeit für das Thema “weibliche Gesundheit” wurde das ganze Ausmaß der möglichen Folgeschäden durch die Einnahme der Pille an die Öffentlichkeit getragen: Wassereinlagerungen, Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Zysten, Kopfschmerzen, Übelkeit, Stimmungsschwankungen. „Nicht mit mir!“, dachte ich damals.
Ich hab mich so befreit gefühlt, als ich die Pille absetzte. Aber statt mein Leben zurückzubekommen, bekam ich Akne, unregelmäßige und überlange Blutungen und ich hatte immer noch furchtbare Schmerzen. Die Antwort meiner Gynäkologin: Dolormin und Ibu 800.
So habe ich dann mein Heranwachsen zur Frau verbracht, jeden Monat eine Woche im Schmerzmittel-Delirium mit Wärmflasche und Spucktüte.
„Ich will so nicht mehr leben“, dachte ich mir mit Anfang 20. Immer eingeschränkt, mit der Angst vor dem nächsten Mal. Ich fühlte mich auch, als würde ich beruflich auf der Stelle treten.
„Eine Woche Ausfall jeden Monat, ich habe so viel Zeit verpasst, so viel Zeit verschwendet mit Schmerz.“
Amal Schütz
Zum ersten Mal von Endometriose gehört habe ich in einer Fernsehsendung. Heute denke ich mir: „Wie krass, dass es so viele Betroffene gibt und mir eine TV-Show erzählen muss, dass ich das habe.“ Die Spezialistin aus der Doku habe ich dann sofort aufgesucht. Und mit sofort meine ich, dass ich ein knappes Jahr auf einen Sprechstundentermin warten musste.
Die erste Sprechstunde war, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Klar war da auch Erleichterung, dass ich endlich weiß, womit ich es zu tun habe und warum ich seit über 10 Jahren so leiden muss, aber ich bekam eben auch die ernüchternde Information, dass sich die Krankheit nicht heilen lässt. Man könnte zwar operieren, sagte mir die Ärztin, und die Gewebewucherungen, die die starken Schmerzen verursachen, entfernen, doch sie würden sich bei jeder Periode wieder neu bilden und mich quälen.
Dann verschrieb sie mir eine Pille, die ohne hormonelle Mittel arbeitet und so auch nicht zu Verhütungszwecken geeignet ist. Diese kleine Tablette sorgt – täglich eingenommen – dafür, dass die Periode gänzlich ausbleibt. Ich nehme diese Pille mittlerweile seit fast drei Jahren und mein Leben hat sich dadurch stark verändert. Als ich auf das erste Jahr ohne Periode zurückblickte, dachte ich: „Krass, so müssen sich Männer fühlen. Keine zyklischen Beschwerden, jeder Tag hat das gleiche Potenzial, super zu werden.“
Ich hatte bisher nur 77 Prozent vom Leben, denn bei zehn Jahren á zwölf Perioden habe ich in dieser Zeit über zwei Jahre mit quälenden Schmerzen verbracht. Diese 23 Prozent Leben gehören jetzt auch wieder mir!
„Für den Moment ist das eine gute Lösung, aber eben wieder mal symptomorientiert.“
Amal Schütz
Durch die schlechte Erreichbarkeit von Spezialist*innen und einigen schwierigen Erfahrungen, die ich mit Gynäkolog*innen machen musste, ist es jedes Mal ein innerer Kraftakt, mein Rezept zu holen. Viele Praxen gehen davon aus, dass die Pille zur Verhütung gedacht ist und nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Dass das bei dieser Pille nicht der Fall ist, glaubt man mir fast nie.
Ich musste also immer wieder erklären, hoffe und bangen, damit mir meine Freiheit nicht wieder weggenommen wird.
Denn das ist sozusagen mein Kryptonit. Wenn ich die Pille nicht rechtzeitig einnehme oder einen Tag vergesse, kommen sie zurück. Erbarmungslos. In Embryostellung, mit ruhelosen Beinen und den Konflikten, wo streicheln, atmen, ja, nein, Ibo oder Buscopan oder komplett wegklatschen auf Tilli. Und zerstören alles, was ich mir in den letzten Monaten mühevoll aufgebaut habe. Deshalb ist der Alarm so wichtig für mich, jeden Tag um 17 Uhr rette ich meine Freiheit. Und irgendwie auch mein Leben.