Phenix lehnt an einen Stuhl, nackter Rücken, der Blick direkt in die Kamera, der Hintergrund ist sonnig gelb.
Foto: Lina Tesch

„Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen, die von gewissen Normen abweichen, respektiert, akzeptiert und toleriert werden“

„Ich bin der Jackpot!” Dieser Satz von Phenix Kühnert hallt nach dem letzten EDITION F Event mit ihr noch immer nach. Nun ist ihr erstes Buch erschienen, dessen Titel sich ebenfalls bereits in unsere Köpfe eingeschrieben hat: „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau”. Zurück zur Startseite

„Ich bin der Jackpot!“ Dieser Satz von Phenix Kühnert hallt nach dem letzten EDITION F Event mit ihr noch immer nach. Nun ist ihr erstes Buch erschienen, dessen Titel sich ebenfalls bereits in unsere Köpfe eingeschrieben hat: „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“.

Im Jahr 2018 startete Phenix ihren Podcast „Freitagabend“ mit Gäst*innen wie Louisa Dellert, Tarik Tesfu, El Hotzo, Diana zur Löwen und anderen Expert*innen. Neben Sexismus, trans Sein und dem Gefühl zum eigenen Körper geht es hier auch mal um Nachhaltigkeit im Kleiderschrank oder Dating. Als Aktivistin war Phenix 2020 in den ZEIT Campus „30 unter 30” und unter den „100 Frauen des Jahres”. 

Zum Erscheinen ihres Buches „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“ durften wir mit ihr sprechen – über den Prozess des Schreibens und den Weg ihres Debüts in die Öffentlichkeit.

Liebe Phenix, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Erscheinen deines Buches. Wie war es für dich, als der Schreibprozess beendet war, das Buch erst einmal loszulassen?

„Ich hatte die letzten Wochen, bevor ich das Buch zum allerersten Mal selbst in der Hand hatte, ehrlich gesagt schon ein wenig Angst. Einfach, weil ich mit dem Medium ,Buch‘ noch überhaupt nicht vertraut bin. Bald stehen meine geschriebenen Worte bei fremden Menschen im Regal, aber was ist, wenn ich meine Meinung zu gewissen Themen doch wieder ändere? Mittlerweile bin ich aber an dem Punkt, an dem ich verstanden habe, dass ich meine Meinung auch ändern kann. Das ist ja auch etwas, was ich von anderen Menschen einfordere: nachzudenken und eigene Meinungen zu überdenken. Seit dieser Erkenntnis bin ich deutlich ruhiger.

Jetzt spüre ich diesen riesigen Support um mich herum. Gestern zum Beispiel habe ich meine ersten Lesungstermine veröffentlicht, wovon der erste sogar nach wenigen Stunden direkt ausverkauft war. In solchen Momenten realisiere ich dann, dass ich keine Angst haben muss, denn die Menschen wollen meine Worte lesen, die haben Bock darauf.“ 

Die Entscheidung, ein Buch zu schreiben, ist immer ein großer Schritt. Erzählst du uns, wie es dazu kam?

„Die Geschichte dahinter ist fast schon ein bisschen primitiv. Ich hatte mich vor ein paar Jahren gefragt: Wie kann ich meine aktivistische, aufklärende Arbeit aufs nächste Level bringen? Möchte ich Musik machen oder ein Buch schreiben? Wohin geht es eigentlich mit mir?  

Ein Buch zu schreiben erschien mir zu diesem Zeitpunkt als der logische nächste Schritt. Also hab ich einfach mal ein Worddokument angefangen und eine Seite geschrieben, nur um sie prompt wieder zu vergessen. Bis dann die E-Mail mit der Frage von der lieben Katharina kam, ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch zu schreiben. Nachdem wir telefoniert hatten und feststellen durften, dass wir super zusammenpassen – nicht nur was Thema und Format angeht – ging’s dann eigentlich auch schon direkt los mit dem Schreiben.“

Wie sah eure Zusammenarbeit aus? 

„Tatsächlich habe ich das Grundkonstrukt meines Textes innerhalb kürzester Zeit geschrieben. In einem Monat etwa. Danach folgte in Kooperation mit meiner Lektorin eine Art Ping Pong über ein halbes Jahr.“

Wie hat es sich angefühlt, nach diesem Ping Pong endlich das erste gebundene Exemplar in Händen zu halten? 

„Im ersten Moment wusste ich nicht so richtig, was ich denken soll. Ich weiß gar nicht, ob man das mit anderen Lebensereignissen vergleichen kann, aber es ist ein Moment, über den ich mir im Vorhinein bereits so viele Gedanken gemacht habe: Wie werde ich mich wohl fühlen? Welche Emotionen werden mich wohl überrollen? Aber als ich das Buch dann in der Hand hatte, war ich schlicht und ergreifend einfach ein bisschen überfordert. Als absolute Perfektionistin hab ich direkt mal kontrolliert, ob ich wohl doch noch etwas ändern muss – schließlich hatte ich jede kleinste Entscheidung bis hin zum Design selbst getroffen. Natürlich wären Änderungen zu diesem Zeitpunkt ohnehin zu spät gewesen.“ 

Welche Bedeutung hat Sprache für dich? Hat sich diese Bedeutung im Lauf der Zeit während des Schreibens an deinem Buch verändert?

„Sprache hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Vor allem, wenn es um Diskriminierung geht. Sie zeigt, wie eindimensional unsere Gesellschaft lange Zeit war. Für mich persönlich kam während des Schreibprozesses die Erkenntnis hinzu, dass wir in verschiedenen Bereichen gar nicht zwangsläufig neue Worte oder grammatikalische Regeln brauchen, sondern dass sich teilweise der Umgang mit Sprache verändern muss. Ich glaube beispielsweise nicht, dass wir neue geschlechtslose Vornamen brauchen, sondern dass es einfach ganz toll wäre, wenn jeder Mensch mit jedem Namen jedes Geschlecht haben könnte.“

„Ich identifiziere mich nicht als trans, ich bin trans. Ich nutze nicht die Pronomen ‚sie/ihr‘, sondern meine Pronomen sind ‚sie/ihr‘. Dazu habe ich mich nie entschieden, das war schon immer so. Es gibt kein Datum, an dem ich trans geworden bin. Es gab den Moment, in dem ich es mir eingestanden habe, und es gab den Moment, ab dem ich mich entschieden habe, es anderen zu erzählen. Ich war nie ein Mann, bei meiner Geburt wurde mir das männliche Geschlecht zugewiesen und ich habe mich dem angepasst gesellschaftlich typisch männlich präsentiert.“

Phenix Kühnert in „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“

Du schreibst in deinem Buch „Ich identifiziere mich nicht als trans, ich bin trans. Ich nutze nicht die Pronomen ‚sie/ihr‘, sondern meine Pronomen sind ‚sie/ihr‘.“ Was muss sich in den Köpfen der Menschen ändern?

„Genitalien und Geschlecht sind per se einfach nicht dasselbe. Wenn über transsexuelle Menschen aufgeklärt wird, wird dies als sexuell abgestempelt, aber sobald man über einen kleinen Jungen im Kinderwagen behauptet: ,Oh, der wird den Mädels später aber ordentlich die Köpfe verdrehen!’ ist das in Ordnung? Da frage ich mich ernsthaft, wie diese Doublestandards zusammenpassen können. Nicht falsch verstehen, ich freue mich für all die Menschen, die cisgender sind. Aber es ist vermessen, davon auszugehen, dass das bei jedem Menschen so ist. Ich hoffe, dass sich das endlich auflockert. Denn nur wenn Kindern mit Offenheit begegnet wird, können sie selbst zu einer Generation heranwachsen, die diese Offenheit auch in sich trägt und weniger von diesen sexistischen Kategorien und Zuschreibungen lebt.“

„Nur wenn Kindern mit Offenheit begegnet wird, können sie selbst zu einer Generation heranwachsen, die diese Offenheit auch in sich trägt und weniger von diesen sexistischen Kategorien und Zuschreibungen lebt.“

Jetzt kommen ganz viele Lesungen. Hast du eine Lieblingsstelle im Buch, bei der du dich besonders freust, sie dann laut und deutlich mit starker Stimme in die Welt zu bringen?

„Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich seit Tagen vor mir herschiebe, welche Kommentare und Zitate ich aus Stellen vorlesen möchte. Einfach weil ich selbst noch nicht so richtig weiß, wie ich das Ganze angehen werde. Eine meiner ersten Lesungen wird zum Beispiel in meiner Heimat stattfinden. Welche Themen sollte ich hier am besten thematisieren, welche sind relevanter in einem anderen Umfeld? Da muss ich mir noch Gedanken machen.“

Dein Buch ist in der Welt. Was soll bei den Leser*innen ankommen? Welche Hebel müssen sich umlegen?

„Neben der Empathie ist es vor allem der Respekt, der mir unendlich wichtig ist. Ich habe ja unterschiedliche Themen in meinem Buch angeschnitten, aber am Ende des Tages geht es mir vor allem darum, respektvoll miteinander umzugehen. In Bezug auf trans Menschen fällt mir immer wieder auf, dass nicht mal der erste Schritt, nämlich der des Respekts, gegeben ist. Es wird weder respektvoll mit noch über uns gesprochen. Das muss endlich aufhören.“ 

Ist Empathie erlernbar beziehungsweise erlesbar?

„Ich glaube bis zu einem gewissen Punkt, ja. Über Lebensrealitäten, die man selbst nicht im eigenen Umfeld erlebt, muss man sich ein gewisses Grundwissen aneignen, um eine wirkliche, ehrliche Empathie aufbauen zu können. Dabei ist mir noch ganz wichtig zu betonen, dass ich mir meiner eigenen Privilegien ziemlich bewusst bin – dass mein Weg als trans Frau zwar nicht einfach war, aber es andere Orte auf unserer Welt gibt, an denen dies überhaupt nicht möglich gewesen wäre.“

Wie sieht eine Welt aus, von der du träumst? 

„Ich verstehe zwar, dass es Geschlechterstereotypen und diese Kategorisierungen gibt – manchen Menschen geben sie Halt und Sicherheit. Ich wünsche mir aber eine Welt, in der Personen, die von gewissen Normen und strikten Schubladen, in welcher Form auch immer, abweichen, trotzdem respektiert, akzeptiert und toleriert werden.“

Während du das Buch geschrieben hast, hast du zwischendurch mit Freund*innen probegelesen? 

„Ich habe fast das gesamte Buch bei meinen Eltern in der Heimat geschrieben und versucht, mein Handy dabei links liegen zu lassen. Morgens saß ich dafür oft mit meiner Mutter und einer Tasse Kaffee am Küchentisch, wo wir ganz viel über die Dinge gesprochen haben, an die sich sich im Rückblick beispielsweise anders erinnert als ich. Das hat das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter nochmal auf eine ganz andere Ebene gehoben. Die Gespräche haben mir gezeigt, dass jede von uns ihre eigene Wahrheit und Realität hat. Dass unsere Gehirne also einfach unterschiedliche Dinge hervorholen oder eben auslöschen.“

Wir alle wünschen uns eine gleichberechtigte Zukunft, in der niemand ausgeschlossen wird. Wie weit sind wir davon entfernt?

„Die Frage ist sehr, sehr schwer zu beantworten. Ich kann und will ich mir nicht anmaßen, zu behaupten, dass wir an einer gleichberechtigten Welt auch nur ansatzweise nah dran wären. Betrachten wir unsere ganze Welt, in der täglich so viel Unfaires und Schreckliches passiert, sind wir eindeutig viel zu weit entfernt davon.“

„Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“

Der Name einer Sache verkörpert deren Bild, unsere Vorstellung davon und die damit verbundenen Gefühle. Oder: Eine Sache wird zur Sache durch ihre Benennung. Aber wie können wir diesen einfachen Gedanken auf unsere Umgebung übertragen? Phenix Kühnert ist sich sicher: mit Empathie. Phenix setzt sich für trans* Rechte und nicht binäre Menschen, die queere Community und Verständnis ein. Phenix ermutigt und sensibilisiert. Und dabei wird klar: Diversität ist die wahre Normalität.

„Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau“ ist im Haymon Verlag erschienen und kostet 19.90 Euro (224 Seiten). Support your local bookdealer!

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