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Reg dich ab: Warum manche Geschenke einfach nur schrecklich sind

Schmetterlinge aus Geldscheinen, Elfen und Deo. Über manche Geschenke kann sich nicht jede*r freuen. Eine Glosse.

Wenn die Vorfreude tatsächlich das Schönste an Geschenken bleibt

Geschenke sind was Schönes: Man macht einer anderen Person damit eine kleine Freude, zaubert ihr ein Lächeln ins Gesicht und ein Funkeln in die Augen, erfüllt vielleicht sogar lange gehegte Wünsche. Geschenke sind kleine Aufmerksamkeiten, die man anderen Menschen macht, weil man sie mag. Geschenke sind was Schönes? Nicht für mich. Denn manche Geschenke kommen nicht von Herzen, sondern direkt aus der Hölle. Ich gehe jetzt bewusst das Risiko ein, an Geburtstagen und Weihnachten zukünftig leer auszugehen, und gestehe: Manche Geschenke sind in etwa so schrecklich wie Carmen Geiss‘ erste Single, Piña Colada oder das Schauspieltalent von Britney Spears.
Machen wir uns doch nichts vor: Manche Geschenke sind erzwungen, ergeben überhaupt keinen Sinn, sind unpersönlich, unnütz, lieblos, kitschig und gehen nicht mal als gut gemeint durch. Ein Potpourri der Schrecklichkeiten:

Geldgeschenke I

Klar, wer freut sich nicht über eine kleine Finanzspritze, wenn Oma dir mit den Worten „Kauf dir was Schönes!“ ein Scheinchen zusteckt? Und auch Weihnachten ist es viel praktischer mit einem kleinen Briefumschlag im Gepäck die Heimreise anzutreten, statt vollkommen überladen durch das Zugabteil wanken zu müssen. Gegen Geldgeschenke kann man eigentlich nichts sagen. Dachte ich. Bis einer lieben Frau, nennen wir sie Babsi, eines Tages ein Bastelbuch in die Hände fiel. Seitdem lebt Babsi ihre kühnsten Fantasien an nichts ahnenden Geldscheinen aus und faltet sie zu formschönen Schwänchen, Pferdchen, Äffchen, Elefantchen, Känguruchen, Schiffchen, Hütchen — also zu allem, wo die Silbe —chen drangehängt werden kann.

Manchmal, wenn Babsi total crazy drauf ist, dann faltet sie aus den Scheinen Schmetterlingchen und knotet diese dann an ein Bäumchen, weil „nur Geld schenken ist ja langweilig!“ Worüber Babsi im kreativen Wahn offenbar nicht nachdenkt: Wie man diese tausendfach gefalteten Scheine jemals wieder in ihre ursprüngliche Form bekommen soll. Ich habe nach meinem 18. Geburtstag viele Stunden damit verbracht, einen ganzen Zoo zu zerstören. Als ich dann irgendwann mal mit einem der Scheine bezahlen musste, nickte mir der Verkäufer wissend zu, als er den mit Faltstellen übersäten Geldschein in seine Kasse sortiert. Jede*r kennt sie, die Babsi.

Geldgeschenke II

„Es müssen ja nicht immer Scheine sein“, dachte sich Gunnar, der in diesem Fall für viele andere Menschen steht. Und dann beschloss er, die 50 Euro nicht in Form eines Scheins, sondern in Form von 100 50-Cent-Münzen zu verschenken. Und dann stieß Gunnar offenbar auch auf eines dieser Bücher, die Titel wie „Kreativ schenken” oder „So machen Geldschenke Freude” tragen, und hat sich etwas ganz Keckes ausgesucht. Und so drückt mir der liebe Gunnar mit schelmischen Grinsen im Gesicht und den Worten „Ist mal was anderes, gell?“ eine riesige Schüssel voll mit grünem Wackelpudding in die Hand. Er hat es tatsächlich durchgezogen und 100 (!!!) 50—Cent—Münzen in die grüne Glibbermasse gehauen, die ich da jetzt wohl irgendwie wieder rausfummeln muss. Während ich dann zu Hause am Küchentisch meine Hände in die Schüssel drücke und unter Schmatzen und Glucksen des Wackelpuddings Münze für Münze aus der Schüssel ziehe, rede ich mir ein, dass er es ja nur gut gemeint hat, dass er halt lustig sein wollte, dass ich mich doch jetzt bitte nicht aufregen soll.

Auf einer darauffolgenden Feier überreichte Gunnar mir dann einen Eimer mit Sand und ein Sieb. Er hatte es also wieder getan: In dem Eimer befanden sich 50 Euro – diesmal allerdings in Ein—Euro—Münzen, die ich einige Zeit später auf dem Wohnzimmerboden hockend irgendwie aus ihrem Gefängnis befreien musste. Der Sand klebt mir noch heute an den Füßen, wenn ich barfuß durch die Wohnung laufe. Was Menschen, die so lustige Geldgeschenke machen, auch nicht bedenken: Wie zur Hölle soll ich bitte 100 50-Cent-Münzen in ein Portemonnaie bekommen, ohne mir beim Tragen einen Bruch zu heben?
Liebe Babsi, lieber Gunnar: Ich weiß, ihr meint es nur gut, aber erspart euch und
anderen doch einfach eine Menge Arbeitchen und Nervchen. Dankchen.

Selbstgeschriebene Gutscheine

Ein weiteres beliebtes Geschenk, für dass sich die Schenkenden meist entscheiden, weil sie a) den Anlass vergessen haben, b) einfach nur zu faul waren, etwas Vernünftiges zu besorgen oder c) noch in den Kindergarten gehen und folglich über kein Einkommen verfügen, sind – Trommelwirbel – selbstgeschriebene Gutscheine. Diese bunten Papierfetzen sind wie Ananas auf Pizza, The Big Bang Theory oder Tic Tac Toes Comeback: unnötig. Ich persönliche habe große Angst, dass meine Mutter irgendwann all diese Dienste einfordert, die ich ihr zu Schulzeiten auf liebevoll bemalten Gutscheinkärtchen zum Geburtstag geschenkt habe: Müll runter bringen, artig sein, den Geschirrspüler einräumen und lernen, wie ich mir die Schuhe zubinde. Ohne großkotzig klingen zu wollen, denke ich, zumindest den letzten Punkt mittlerweile erledigt zu haben —only for you, Mama!

Aus eigener Erfahrung vermute ich hinter diesen selbstgeschriebenen Geschenkgutscheinen Kalkül: Die Schenkenden hoffen einfach darauf, die Leistungen, die sie versprechen, niemals erbringen zu müssen, stehen aber gleichzeitig auch nicht mit leeren Händen da, sondern womöglich noch als große Gönner*innen, die das Geburtstagskind mal auf ein richtig „romantisches Dinner zu zweit“, ein „Konzertbesuch deiner Wahl“ oder „einen Kinofilm mit Cola und Popcorn“ einladen. Wann das Ganze passieren soll, steht auf den selbstgeschriebenen Lügen natürlich nicht, aber liebe ehemalige Mitschüler*innen, Verflossene und Co, lasst euch eines gesagt sein: Ich werde euch finden – und ihr werdet mich so was von zu einem fucking Konzert meiner Wahl einladen, I tell you!

Hygieneartikel

Manchmal, besonders zur Weihnachtszeit, habe ich das unangenehme Gefühl, sehr stark zu stinken: Wie ließe es sich anders erklären, dass entfernte Verwandte, Bekannte und Co, die man eben nur einmal im Jahr sieht, es für dringend notwendig erachten, mir mit einem wohlwollenden Lächeln verpackte Hygieneprodukte zu übergeben, deren Geruch allein schon dafür sorgt, dass auch ich mich übergeben möchte. Es sind meist diese Sorte von Hygieneprodukten, auf die man als pickelnd—pubertierender Teenager ganz scharf war, sobald man verstanden hat, was Schwitzen bedeutet. Doch, thank god, bin ich kein Teenager mehr und möchte nicht mehr nach Choco-Flash, Steel-Iron oder Fresh-Blast riechen. Die Schenkenden sehen das anscheinend anders und haben mal richtig auf den Putz gehauen: Duschgel mit weirden Peeling-Perlen, das bei Kontakt mit Wasser irgendwie unangenehm kalt wird
— Refreshing Effect? Schon klar! — , Deospray mit der Duftnote „Abartig“, Body Lotion und Co werden kurzerhand zusammengeworfen und im Einzelhandel als Geschenk-Set angepriesen.

Und als sei das noch nicht genug — Spoiler: Es ist bereits mehr als genug — werden dann noch total verrückte, fancy Gadgets und Gimmicks dazugetan —und das natürlich gratis. Also kostenlos. Wow, ich mein: Das kann dann ja gar nicht schlecht sein! Und so lächle ich immer wieder aufs neue gezwungen, wenn ich den praktischen Reisewecker eines Deo-Herstellers (Smartphones sind überbewertet) und das Cocktail-Glas mit Duschgel-Aufdruck beiseite stelle und gedanklich schon in den Papierkorb werfe. Danke, aber nein Danke.

Dekoration und Selbstgebasteltes

Ich glaube ja, dass in irgendeinem Elternratgeber steht, dass man die Kleinen dazu ermutigen soll, sich kreativ auszuleben und ihnen deshalb jedes Jahr erneut die Lüge auftischt, dass man sich „total über was Selbstgemachtes“ freuen würde. Bei Kindern ist das irgendwie noch niedlich und man kann viele Jahre später darüber lachen, was für einen Rotz man damals produziert hat. Nach dem Kleinkindalter kommt eine zweite Phase, in der selbstgebastelte Geschenke irgendwie als okay und ganz sweet durchgehen: die Pubertät. Da werden dann lustig Fotos ausgeschnitten, Collagen gebastelt und diese dann später in frechen Bilderrahmen und mit Insider—Jokes versehen verschenkt. Irgendwann kommt man aber in ein Alter, in dem man diese Collagen und gut gemeinten Basteleien nicht mehr gebrauchen kann und möchte —es sei denn, sie machen sich gut im WG-Flur neben Beatles-Plakat, gerahmten 1000-Teile Puzzeln und dem Bild von den Bauarbeitern über New York.

Generell ist Deko ein sehr heikles Thema, nicht nur wenn es ums Schenken geht: Ich habe das Gefühl, es gibt zwei Standpunkte. Die einen lieben es und ballern sich die ganze Wohnung fröhlich mit dekorativen Grauenhaftigkeiten zu, die anderen hassen es. Ich würde mich, unschwer zu erraten, letzteren zuordnen. Das hält viele Menschen, allesamt Deko-Lover*innen, jedoch nicht davon ab, diese großartigen Schmuckstücke des Alltags zu verschenken, um fremde Wohnungen „mal ein bisschen aufzuhübschen“. Meist haben diese Personen auch das unfassbare Talent, in Krimskrams-Läden grundsätzlich die abscheulichsten Gegenstände herauszufischen. Und so landeten schon Elfen Figürchen („Schau mal, wie niedlich die lächelt!“), Kerzen in Engelsform („Eigentlich viel zu schade zum Anzünden, gell?“), Holzmasken zum Hinhängen („Ist mal was anderes!“) oder Kuscheltiere zum Hinstellen („Ei, wie drollig.“) in
Zu-verschenken-Boxen vor meiner Haustür und fanden so hoffentlich eine*n
würdigere*n Besitzer*in.

Ich halte es ganz mit diesen frechen Sprüche-Grußkarten, die häufig zu den oben genannten Geschenken gereicht werden: „Manchmal ist Zeit miteinander zu verbringen das schönste Geschenk.“ Und manchmal halt auch nicht. Jetzt erst mal ’nen Wackelpudding.

Der Originaltext von Ole Siebrecht ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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