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Sugar Daddy statt Studentenjob: Er zahlt und du erfüllst seine Wünsche

Kredit, Job oder Bafög? Brauchen wir alles nicht mehr. Ab jetzt lassen wir uns unser Studium von einem Sugar Daddy finanzieren. Er bietet uns Luxus, wir geben ihm körperlich das, was er braucht: Sex.

Den Sugar Daddy an der Stange halten

„Seh sexy aus, indem du sexy Klamotten trägst, dir Smokey Eyes schminkst und heiße Unterwäsche im Schlafzimmer trägst. Du kannst sexy handeln, indem du dir über die Lippen leckst, deinen Sugar Daddy gerade genug berührst, dass es ihn anturnt, und ihm sexy Nachrichten schickst oder Dirty Talk am Telefon machst.“ So, heißt es auf Wikihow, könne man einen Sugar Daddy an der Stange halten. Sugar Daddys seien eine tolle Möglickeit, Spaß zu haben im Leben, Erfahrungen zu sammeln und etwas Geld zu bekommen, was das Leben einfacher und aufregender macht. Im Klartext heißt das: Intimität gegen Geld. 
Bitte werde ja nicht emotional bei deinem Daddy, strahle keine Negativität aus, lache so viel wie möglich. Du weißt ja: Sugar Daddys lieben schließlich Frauen, die Spaß am Leben haben. Ahja.

Sugar Babys, das sind meistens Studentinnen, – laut mysugardaddy.eu im durchschnittlichen Alter von 23 Jahren– die ihre Miete oder Studiengebühren nicht bezahlen können oder sich schlichtweg mehr Luxus in ihrem Leben wünschen. Und wer wäre da besser geeignet als ein Sugar Daddy? Oftmals ist er verheiratet, circa 44 Jahre alt, beruflich erfolgreich, mit Unmengen an Geld auf dem Konto, auf der Suche nach einer attraktiven Frau, die ihm das geben kann, was ihm fehlt: Sex.

Eine ideale Beziehung, ganz nach deinen Wünschen 

,A relationship on your terms‘, so wird das Konzept verschönt auf der Website von seekingarrangement.com beworben. Angela Jacob Bermudo, Pressesprecherin der Plattform, unterstreicht diesen Ansatz: Die Menschen heutzutage würden stets nach Wegen suchen, ihr Leben zu erleichtern, die Wege zu verkürzen. Die Technologie mache eben genau das möglich: Klare Vereinbarungen und arrangierte Treffen sparen Zeit und verkürzen die Suche nach der idealen Beziehung

Von Liebe keine Spur. Vereinbarung, ideal, zeitsparend sind die Worte, die mir im Gedächtnis bleiben. Wir sind anscheinend so weit, dass wir den Effizienz-Gedanken nicht nur auf unsere Arbeit und Alltagsorganisation anwenden, sondern gar auf die Liebe ausweiten. Wir können also die These aufstellen, dass wir nach Lovoo, Tinder und Co. eine neue Stufe der vereinbarten Beziehungen erreicht haben, dass das persönliche Ansprechen von Angesicht zu Angesicht noch weniger wird und wir vorab alle Regeln aufstellen, um das zu bekommen, was wir wollen und ja nicht enttäuscht zu werden. Nennt mich traditionell oder naiv, aber das bedeutet doch schlichtweg, dass die traditionelle Liebesbeziehung mehr und mehr abgelöst wird von einer Zweckbeziehung. Ganz nach dem Motto: Du gibst mir Geld und ich gebe dir körperlich das, was du brauchst. Kein Problem, wann immer du willst. Solange du zahlst. 

Was für mich unvorstellbar klingt, ist für viele der richtige Ansatz: In über 139 Ländern ist die im Jahr 2006 gegründete Plattform seekingarrangement.com aktiv. Sie zählt über fünf Millionen aktive Nutzer, davon circa vier Millionen Sugar Babys und eine Million Sugar Daddys, oder auch Sugar Mommys. 

Und zwar nicht nur in Amerika: In Deutschland sind rund 263 Sugar Mommys, 7.300 Sugar Daddys, 17.000 weibliche und 4.000 männliche Sugar Babys auf seekingarrangement.com angemeldet. Auf der Plattform mysugardaddy.eu sind rund 97.500 der insgesamt 130.000 User deutsch. 

Männer geben, Frau bekommen 

Meine Anfrage an ein Sugar Baby verlaufen leider im Sand – die Mehrheit will vermeiden, dass ihr Lebensstil öffentlich wird. So stoße ich bei meiner Recherche auf einen Tumblr-Blog von einer selbst ernannten ,spoilt russian beauty‘ über ihr Leben als Sugar Baby. Ich sitze vor dem Bildschirm und kann es nicht glauben. Ihre Wunschliste im Rosa-Overload schmücken Bilder von Diamantringen, Pelzmäntel und teuren Luxushotels. ,Sweetheart… men give, women receive. It’s biological destiny‘, heißt es in ihrem Header. In ihrem Nachrichtenforum wird sie von Neulingen um Rat gefragt. Ob denn 1.200 bis 1.500 Euro monatlich angemessen wären? 

„Well this range is OKAY for a newbie if it covers all of your expenses and if YOU are feeling happy with it. I, however, tell every girl to reach for the stars and to dream big.“

Für sie ist die Sache eine klare Vereinbarung: 

„He either has the money that the both of you agreed upon or he can go home and try to find another girl that he can play his salty games with. I am very radical when it comes to this.“

Ich frage mich, ob das alles nicht ein Scherz, und nur eine Parodie auf das insbesondere in Amerika verbreitete Sugar Daddy-Phänomen ist. Doch ist es anscheinend nicht. Ich bin geschockt – geschockt darüber, welche Werte heute zählen, dass Geld das Wichtigste aller Dinge zu sein scheint, dass BlingBling und Schickimicki schon zu einem Studentenleben gehören müssen. 

Ist so die Frau von heute? 

Zum einem sind es die steigenden Ansprüche, die die traditionellen Vorstellungen eine Beziehung über Board werden. Zum anderen ist es die Bereitschaft zur Aufgabe der eigenen Freiheit – nur für etwas mehr Glitzer im Leben – ganz entgegen der Idee einer modernen Frau und für die traditionellen Geschlechterrollen, die wir doch eigentlich längst zur Vergangenheit zählen wollten. Bermudo von seekingarrangement schwächt meinen Eindruck ab:   

„Ganz und gar nicht. Arrangements bestärken Frauen viel mehr in der Beziehung. Sie haben die Möglichkeit, sich den Forderungen zu widersetzen und ehrlich ihre eigenen Wünsche an ihren erfolgreichen Partner zu stellen. Männer dürfen das machen, warum sollten es Frauen also nicht tun?“

Weiter erzählt Bermudo: Eine Frau, die ihren Partner für das Abendessen bezahlen oder sich Geschenke kaufen lässt, mache die Entwicklung des Frauenbildes nicht wieder rückgängig. Genau das passiere auch in traditionellen Beziehungen und Ehen, lediglich sei es in Arrangements stärker ausgeprägt, da der Partner deutlich mehr finanzielle Mittel hat. 

Bermudo hat irgendwo Recht: Es ist eine übereinstimmende Vereinbarung zwischen den beteiligten Parteien. Wenn sie geil auf Geld sind, sollen sie machen. Wenn sie das Bedürfnis nach einem Daddy haben, sollen sie machen. Wenn die Daddies mit ihrer Ehe nicht zufrieden sind und ihre Bedürfnisse von einem Sugar Baby befriedigen lassen müssen, sollen sie machen. Aber, verdammt noch mal, warum? Warum sollte man dafür Geld zahlen bzw. seinen Körper hergeben, nur um das zu bekommen, was man will? Sollte dieser Grundsatz nicht auch in einer ,normalen‘ Beziehung gelten  – ganz ohne Geld und nur mit Ehrlichkeit und Liebe? 

Traditionelle Geschlechterrollen 

Laut der Website sugardaters.de orientiere sich eine Beziehung zwischen Sugar Daddy und Sugar Baby vor allem an traditionellen Geschlechterrollen. Die Aufgabe des Mannes bestehe darin, der Frau vollste Aufmerksamkeit zu widmen und ihre Leben mit Geschenken zu versüßen. Die Frau hingegen solle sich darauf konzentrieren, Frau zu sein und den Mann, mit dem sie zusammen ist, zu verwöhnen. 

Es fällt mir wirklich schwer, mir ein Urteil zu erlauben. Auf der einen Seite dreht sich mir der Magen dreifach um, wenn ich Sätze lese wie „Die Frau solle sich darauf konzentrieren, Frau zu sein“ oder „Du kannst sexy handeln, indem du dir über die Lippen leckst“. Einfach nein. Bermudo kann mir nicht erzählen, dass so die Frau von heute sein soll. Sexy sein, gut aussehen und dafür Geld bekommen. Und je schöner du bist und je zufriedener dein Sugar Daddy ist, desto mehr springt für dich raus. Alles rein oberflächlich.

Auf der anderen Seite ist es nun mal eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, die sich jeweils das geben, was sie wollen. In Amerika mag das Geld und die immensen Summen an Studiengebühren Grund genug sein, in die ,sugar bowl‘ einzutauchen. Aber in Deutschland fehlt mir jeglicher Anhaltspunkt. Die Studiengebühren und Miete sind mit Hilfe von Nebenjob, Bafög oder Studienkredit zwar nicht einfach zu stämmen, aber machbar. 

144 Sugar Babes allein an meiner Hochschule!

Es mag an meiner Naivität liegen oder meinen traditionellen Vorstellungen, doch bevor ich mit den Plattformen in Kontakt stand, war ich mir absolut sicher, dass das Phänomen in Stuttgart oder gar auf meiner Hochschule keine Rolle spielt. Von wegen. An meiner Hochschule sind sage und schreibe 144 Studenten bzw. Studentinnen auf seekingarrangement angemeldet. Wenn wir von rund 4.300 Studenten insgesamt ausgehen, ist mehr als jeder 30. ein Sugar Babe. Deutschlandweit ist München mit der Ludwig-Maximilian-Jahn-Universität auf Platz eins, darauf folgt Hamburg auf dem zweiten und Berlin auf dem dritten Platz. 

Ich stehe vor einem großen Rätsel und frage mich, was geschehen sein muss, um schon in den Zwanzigern eine echte Liebesbeziehung und die eigene Freiheit gegen ein bisschen Luxus, Abhängigkeit und einem Mann, dem man gefallen muss, einzutauschen? Läge es nicht viel mehr an uns, mehr zu arbeiten, um uns den Luxus zu verdienen, anstatt unseren Körper dafür herzugeben? Klärt mich auf. Sehe ich das falsch?

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